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Quellenangabe:
Border Rescue, 14.-21.06.2002 an der Grenze CZ/A (vom 14.06.2002),
URL: http://no-racism.net/article/199/, besucht am 16.04.2024

[14. Jun 2002]

Border Rescue, 14.-21.06.2002 an der Grenze CZ/A

KünstlerInnen überqueren für eine Woche lang die grüne Grenze zwischen Tschechien und Österreich um ungefährliche Fluchtrouten zu recherchieren. Mittels eines täglich aktualisierten Projekttagebuchs kann die Aktion im Netz mitverfolgt werden.

Unterlagen zur Pressekonferenz / Kultur
Linz, am 12. Juni 2002

Intention Flüchtlinge ertrinken im Meer oder in GrenzflÃŒssen, sie erfrieren bei nächtlichen Grenzübertritten, ersticken in Containern oder begehen Selbstmord in Abschiebegefängnissen. Die Festung "Europa" wird immer stärker abgeschottet. Der Preis, den die Flüchtlinge bezahlen müssen, um in die "Festung" hineinzugelangen, wird immer höher.

Von 1. Jänner 1993 bis 7. Mai 2002 sind mindestens 3026 Menschen beim Versuch umgekommen, nach Westeuropa einzuwandern. Es handelt sich dabei um Tote, die aufgrund von Presseveröffentlichungen bekannt geworden sind. Niemand weiss, wie hoch die Dunkelziffer ist.
Quelle: Amsterdamer Institut "UNITED for Intercultural Action"

BORDER RESCUE soll auf diese dramatischen Geschehnisse an den Grenzen Europas aufmerksam machen. Dazu begeben sich KünstlerInnen während eines einwÃŒchigen Aktionszeitraumes an die Grenze zwischen Tschechien und Österreich, um einerseits Gefahrenstellen zu dokumentieren und andererseits "sichere" Fluchtrouten zu suchen (mittels GPS-Daten, Videosequenzen, Fotografien, Handskizzen, Protokolle, ....).


Projektbeschreibung


Das Team rund um Social Impact wird zwischen 14. Juni und 21. Juni die Grenze oftmalig zu Fuß überqueren. Aktionsraum ist die Schengengrenze vom Dreiländereck D/CZ/A bis zu Karlstift in NiederÖsterreich. Dieser Grenzabschnitt wurde ausgewählt, da er eine relativ sichere Topographie ohne größere GrenzflÃŒsse, Schluchten und andere Gefahrenstellen verspricht.

Während der Aktionswoche gibt ein Projekttagebuch Auskunft über die zurückgelegten Wege, Gefahrenstellen und besondere Vorkommnisse an der Grenze. Dieses Tagebuch wird täglich aktualisiert und ist im Internet einsehbar.

Im Anschluss an die Aktionswoche werden auf Grundlage der Recherchen kompakte Routenführer ausgearbeitet und auf der Homepage veröffentlicht. Ausgedruckt können sie als handliche Wegbeschreibungen zur Einwanderung dienen. zusätzlich wird auf der Projekt-Homepage Infomaterial zu folgende Themen angeboten: Asylsituation in Österreich, Todesfälle an der EU-aussengrenze und allgemeine Hinweise zur Einwanderung.

BORDER RESCUE ist einerseits Interaktion und andererseits Metapher auf die - der Globalisierung zum Trotz - zunehmende Abschottung der industrialisierten Regionen. Steigende Grenzüberwachung führt zu riskanteren Einwanderungsversuchen und damit zu einer ständigen Zunahme an tödlichen Zwischenfällen an den Grenzen.


Kontext


Social Impact beschäftigt sich mit soziopolitischen Fragestellungen, so wie sich andere KünstlerInnen mit formalÀsthetischen Fragen auseinandersetzen, oder mit Repräsentationsmustern, Rollenbildern oder anderen spezifischen Themenbereichen. Schwerpunkt der nächsten Projekte von Social Impact ist die vielschichtige Untersuchung der realen Auswirkungen von Grenzen, seien zwischenstaatliche Grenzen oder Wohlstandgrenzen. Frühjahr 2003 startet ein Projekt dass sich mit der Prostitution an der tschechischen Grenze auseinandersetzt, das aktuelle Projekt BORDER RESCUE widmet sich noch existentielleren Fragestellungen.

Vor dem Hintergrund eines in vielen Staaten der EU beobachtbaren konservativen Wertewandels, dem Versuch der Identitätsstärkung auf nationalstaatlicher Ebene und einer zunehmenden Fremdenfeindlichkeit stellt BORDER RESCUE einige moderne Mythen in Frage:

- Funktioniert die Globalisierung auf Basis freier Waren- und Devisenverkehr bei gleichzeitig eingeschränktem Personenverkehr?
- Begegnet man dem Migrationsdruck erfolgreich mit einer verstärkten Abschottung der Grenzen?
- Sind die Menschen die nach Westeuropa flüchten Abenteurer und GlÃŒcksritter oder werden sie von existentiellen Notlagen getrieben?
- Ist die Kriminalisierung der Einwanderer und die Schubhaft mit den Menschenrechten vereinbar?


persönliche Statements von Harald Schmutzhard


"Jene Menschen, die sich unter schwersten Entbehrungen bis nach Westeuropa durchschlagen sind zu bewundern. In Schengen-Europa dagegen werden sie kriminalisiert und bis zu 6 Monate in Schubhaft genommen - ohne Rücksicht auf persönliche Schicksale bedroht diese Haft auch Jugendliche und Frauen."

"Mein persönlicher Zugang zur Problematik als Künstler ist es, nicht ein Bild zu malen oder eine Rede zu schreiben, sondern direkt in den Alltag einzugreifen. Das Projekt BORDER RESCUE soll auf die dramatischen Vorfälle an unseren Grenzen aufmerksam machen und einen kleinen Beitrag zu Linderung der Probleme beitragen."

Daten zum Projekt


Start von BORDER RESCUE: Freitag 14. Juni 2002 um 24.00 Uhr
Ende der Recherchen an der Grenze: Freitag 21. Juni 2002 um 24.00 Uhr
täglich aktualisiertes Projekttagebuch unter: www.border-rescue.social-impact.at
voraus. Veröffentlichung der Fluchtrouten im Netz: Anfang Sept. 2002

An der Deutschen Ostgrenze ist es vom 1.1.1993 bis 31.12.2001 zu folgenden Zwischenfällen gekommen:
Todesfälle: mind. 100 Menschen
schwere Verletzungen 209 Menschen
Quelle: Forschungsgesellschaft Flucht und Migration, Berlin

Die Österreichische Schengengrenze gehört zu den bestüberwachtesten Grenzen der Welt:

Österreich / Schengengrenze: 4 Beamte /km
Deutschland / Ostgrenze: 2,4 Beamte /km
USA-Mexico: 0,18 Beamte /km
Quelle: Österreichisches Innenministerium und www.freilassung.de

Von den 30.135 Asylanträgen im Jahr 2001 in Österreich gestellt wurden, ist nur in 1.114 fällen Asyl gewährt (3,7%) worden. Die höchsten Anerkennungsquoten im EU-Vergleich haben folgende länder:
Italien 7.112 Anträge 29,6% gewährt
Belgien 21.964 Anträge 25,6% gewährt
Frankreich 22.375 Anträge 17,5% gewährt
großbritannien 64.700 Anträge 16,9% gewährt

Die niedrigsten Quoten haben folgende EU-Staaten:
Österreich 13.805 Anträge 5,3% gewährt
Spanien 6.654 Anträge 3,9% gewährt
Portugal 337 Anträge 1,6% gewährt
Finnland 1.272 Anträge 0,8% gewährt

Der EU-Durchschnitt liegt bei 10% gewährter Anträge. Als Vergleich die Quoten von Nordamerika:
USA 44.227 Anträge 21,1% gewährt
Kanada 23.800 Anträge 43,9% gewährt
Quelle: UNHCR-Zahlen von 1998