Quellenangabe:
Wien: Aktionswoche gegen großkoalitionäre Zeiten (vom 21.03.2007),
URL: http://no-racism.net/article/2023/,
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[21. Mar 2007]
Von 19. bis 22. März 2007 findet eine Aktionswoche statt, bei der es darum geht, den Protest der Studierenden gegen die Politik der SPÖVP Koalition zu reflektieren, zu vernetzen, zu verbreitern und Perspektiven zu entwickeln. Zentral ist die Frage: Wie weiter? Ein Eindruck von der Auftaktveranstaltung.
Die Idee für die Aktionswoche kam von einigen Leuten - vor allem Studierenden - die mit den Protesten nicht ganz zufrieden waren und sich eine Verbreiterung sowohl was die Beteiligung als auch was die Inhalte betrifft wünschten. Doch von der Idee zur Umsetzung war ein weiter Weg und so kam es, dass es letztendlich eine "Aktionswoche" dabei heraus kam, bei der es sich hauptsächlich um Themen dreht, die Studierende betreffen. Auch aus der geplanten längerfristigen Mobilisierung wurde nichts und so war es erstaunlich, dass trotz der kurzfristigen Bewerbrung mehr als 100 Leute zur Auftaktpodiumsdiskussion gekommen waren.
Der Titel für die Veranstaltung lautetete schlicht: "Widerstand in großkoalitionären Zeiten". Am Podium waren eine Vertreterin der ÖH, ein kritischer Professor, eine gewerkschaftliche Vertreterin der GPA-Jugend und ein Aktivist aus Griechenland (plus Übersetzer). Die Moderatorin erklärte am Beginn die Spielregeln: Zuerst würde das Podium, das sie vorstellte, zusammenfassen, reflektieren und einen Input geben, anschließend war Zeit für die allgemeine Diskussion vorgesehen. Um allen die Möglichkeit zu geben das Wort zu ergreifen mit RednerInnenliste und Reißverschlussystem, damit nicht wie oft üblich nur Männer zu Wort kommen. Um 22:00 Uhr sollte der Saal verlassen sein, weil dann der Portier des Neuen Institutsgebäudes (NIG) Dienstschluss hat und dies so vereinbart wurde.
Am Beginn erhielt die ÖH-Vertreterin das Wort. Sie machte einen kurzen und subjektiven Rückblick vor allem aus ihrer Position als ÖH-Vorsitzende und sprach dann noch kurz über die Bildungspolitik von SPÖVP und die damit einhergehenden Ausschlüsse an den Universitäten. Vor allem Menschen aus ärmeren Schichten (die ArbeiterInnenkinder) würde zunehmend der Zugang zur Universität versperrt. Am Ende ihres Beitrages stellte sie die zentrale Frage, um die es sich in der Diskussion drehen sollte: Wie weiter?
Dann war der kritische Professor, ein Politikwissenschafter, an der Reihe. Seiner Meinung nach wurde das Wahlergebnis von 2006, bei dem die ÖVP und somit auch deren Politik abgewählt worden sei, durch die Bildung der gegenwärtigen großen Koalition ins Gegenteil verkehrt. Statt einer Zusammenfassung seiner Ausführungen seien hier folgende Fragen aufgeworfen: Setzt sich die ÖVP auf allen Linien durch? Hat die SPÖ anstatt des im Wahlkampf versprochenen Kurswechsels der Bundespolitik hin zu einer sozialeren Politik nach der gewonnen Wahl einen grundlegenden Richtungswechsel der Parteilinie vorgenommen - damit deren Parteivorsitzender Bundeskanzler werden konnte? Oder ist nicht schon vor der Wahl klar gewesen, dass vieles nur leere Versprechungen sind?
Der Politikwissenschafter nannte einige Punkte, die seine Argumente belegten. Resumierend hielt er fest, dass im Zentrum der Politik von SPÖVP eine soziale Differenzierung steht, die zu einer baldigen und massiven Zumahme von Armut für viele Menschen führen wird.
Die Vertreterin der GPA-Jugend (Gewerkschaft für Privatangestellte) betonte vor allem, dass die Politik von schwarz-blau fortgesetz würde und nannte als zentralen Kritikpunkt ihrer Fraktion das Ende der Kündigungsschutzes für Lehrlinge. Ein Argument, dass sie vorbrachte, soll aber hier kritisch hinterfragt werden: Ist ihre Kritik an der Regierung, die plant Menschen im Ausland anzuwerben, um "hier" in ausgewählten Berufen zu arbeiten in der Tradition der Gewerkschaften in Österreich zu sehen, die sich vor allem als Vertretung der "österreichischen ArbeitnehmerInnen" sehen? Oder wollte sie damit die rassistische Politik der Regierung kritisieren, die einerseits massiv auf Abschottung, Schubhaft und Abschiebungen setzt, andererseits mittlerweile beschloss, billige Arbeitskräfte für befristete Dienstverhältnisse anzuwerben - und somit eine ähnliche Politik verfolgt wie die anderen EU-Staaten?
Der Vertreter der Protestbewegung aus Griechenland gab einen kurzen Abriss über die massiven Proteste der Studierenden in den letzten Monaten. Er erzählte, dass auch sie am Beginn nur sehr wenige gewesen sind - dass sie sich aber nach den massiven Protesten in Frankreich die Frage gestellt hätten, warum das nicht auch bei ihnen möglich sei. Die wenigen, die am Anfang aktiv waren, entwickelten radikale Positionen und konfrontierten damit jene, die sich nicht oder nur am Rande an den Protesten beteiligten. Weiters erzählte er, dass sie versuchten, auch mit anderen gesellschaftlichen Gruppen, wie den UniprofessorInnen, den LehrerInnen, Angestellten im Gesundheitswesen und den Bankangestellten zu vernetzen. Die Proteste seien mit der Zeit gewachsten und hätten sich zunehmende radikalisiert. So wurden zahlreiche universitäre Einrichtungen besetzt und laufend Demonstrationen abgehalten. Und er betonte am Ende, dass er es gut finde, dass die Aktionswoche an der Uni Wien stattfindet.
Danach wurde die RednerInnenliste geöffnet, mit dem Hinweis, dass diese nach 30 Minuten geschlossen werden würde, um nicht zu überziehen und noch Zeit für eine kurze Zusammenfassung zu haben. Am Anfang waren es wieder vor allem Männer, die sich zaghaft aber doch zu Wort meldeten. Die Wortmeldungen bezogen sich vor allem auf die Ausführungen des "Genossen aus Griechenland", wobei die Proteste in Griechenland fast schon heroisiert wurden. Was dort möglich sei, das könne mensch in Österreich nicht erreichen - oder nur auf diese oder jene Weise... Die Wortmeldungen eröffneten jedoch nicht die Möglichkeit zu einer Diskussion um das Thema: "Wie weiter". Denn dazu wurde vorerst kaum etwas gesagt, stattdessen wurde betont, ja fast schon beklagt, was die Aktionswoche nicht alles hätte sein könnne. Ebenfalls wurde die schon oft gestellte Frage aufgeworfen, ob die ÖH nun gut oder böse sei und deren mangelnde Radikalität kritisiert.
Nach einiger Zeit wurde die Diskussion doch noch ein wenig interessanter, ergriffen auch einige Frauen das Wort, und es kamen einige Vorschläge, die - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - hier subjektiv zusammengefasst wiedergegeben werden: So wurde kritisiert, dass im Rahmen der Aktionswoche keine Demonstration geplant wurde und vorgeschlagen, fürs Ende der Woche noch eine Demonstration zu organisieren. Weiters wurde auf den 1. Mai hingewiesen - und auf dessen Bedeutung - und vorgeschlagen, an diesem Tag gegen die Regierung, vor allem gegen die diesen Tag zelebrierende SPÖ, zu protestieren. Weiters wurde vorgeschlagen, gemeinsam für die Proteste gegen das im Juni stattfindende Treffen der G8 in Heiligendamm (Deutschland) zu mobilisieren. Und wie immer zu solchen Anlässen kam der Aufruf zu großen Streiks. Der Wunsch nach mehr kleinere, kreativere und direkten Aktionen wurden geäußert, da es ja auch darum ginge, den Protest mit Spaß zu verbinden. Dieser Vorschlag wurde aber in der Folge kritisiert und zum Teil gegen kleinere Aktionen geredet - jedoch ohne genauer darauf einzugehen. Eine Aktivistin aus Griechenland, die nicht am Podium saß, wies darauf hin, dass die Proteste dort sehr viel Ausdauer bedurften und dass es notwendig sei, dass sich alle dessen bewusst sind. Und dass derartige Proteste zwangsläufig zu zahlreichen Auseinandersetzungen mit dem staatlichen Repressionsapparat führen.
Im Laufe der Diskussion kamen auch einige Leute aus diversern Splittergruppen zu Wort - dank der RednerInnenliste konnte ihr Wortfluss aber in Grenzen gehalten werden. Sie apellierten vor allem an die Massen, die sich organisieren müssten. Es wurde auch eine Liste durchgereicht, auf der sich Menschen eintragen konnten - wohl um neue potentielle Mitglieder zu gewinnen? Doch wurde von anderen klargestellt, dass sie keine CheckerInnen brauchen, die für den Rest die Revolution organisieren. Am Ende wurde wohl aufgrund der zahlreichen Bezüge auf die Proteste in Griechenland festgehalten, dass es wichtig ist, die lokale Situation zu beachten. Denn: Erfolgreichen Widerstand muss vor Ort entwickelt werden. Auch wurde die Beteiligung an der Auftaktveranstaltung als eher ernüchternd bezeichnete, doch müssten die konkreten Resultate am Ende der Aktionswoche abgewartet werden. Auch gehe es um kleine und gut überlegte Schritte.
Am Ende der Veranstaltung hatte ein Aktivist noch die Aufgabe, die Resultate der Diskussion zusammenzufassen. Er nutzte diese Gelegenheit aber eher dazu, seine eigenen Vorstellungen zu präsentieren. Und somit endete die Auftaktveranstaltung ohne konkrete Resultate, jedoch mit dem Aufruf an alle, für das Abschlussplenum "Wie weiter?" am Donnerstag, 22. März 2007 von 19:00-20:00 im Hösaal 16 im Hauptgebäude der Uni Wien, Dr. Karl-Lueger Ring 1 zu mobilisieren.
Bleibt noch die Gelegenheit zu einer Anmerkung: Im Programm der "Aktionswoche" fehlen vor allem die Aktionen. Und angesichts der relativ geringen Beteiligung an den an den ersten beiden Tagen stattgefundenen und nicht gerade zahlreichen Workshops ist wohl nicht damit zu rechnen, dass sich noch viel entwickeln wird. Jedoch ist zu hoffen, dass dies reflektiert wird und die Organisierung bei anderen Anlässen etwas offener von statten geht. So wissen selbst nach zwei Tagen Aktionswoche zahlreiche Leute nicht, dass diese überhaupt stattfindet. Was wohl auch an der fehlenden Transparenz bei der Organisierung liegen dürfte. So gab es weder öffentlich angekündigte Vorbereitungstreffen, noch wurde rechtzeitig angekündigt, dass es die Aktionswoche überhaupt geben wird - und mensch sich einbringen bzw. beteiligen soll. Erst eine Woche vor dem Beginn waren das Programm und die Ankündigung im Internet zu finden. Und selbst dort ist es trotz des geringen Umfanges schwer, sich einen Überblick zu verschaffen, siehe: http://aktionswochen.fsinf.at
Ein Beispiel für die späte Bewerbung ist eine Aussendung der ÖH an der Uni Wien, dass die ÖH Bundesvertretung über den im Zuge der Proteste rund um die Angelobung eingerichteten Verteiler weiterleitete und das "die Aktionswoche der Uni Wien gegen Studiengebühren ankündigt". Es trägt den Titel: "Ab heute: Aktionswoche auf der Uni Wien"
Liebe Studierende!
Studiengebühren bleiben - die Proteste gehen weiter!
Aktionswoche ~>>Widerstand in großkoalitionären Zeiten<<~
19.-22.März 2007, Uni Wien
http://aktionswochen.fsinf.at/
Nach Wochen des gemeinsamen Protests soll im Rahmen der Aktionswoche ein Raum geschaffen werden, um über Handlungsperspektiven und Herausforderungen im Widerstand gegen Rotschwarz zu diskutieren.
Eine Woche Workshops, Veranstaltungen und Aktionen geben Möglichkeiten zur Vernetzung, Auseinandersetzung und Information.
Am Montag, 19. März startet die Aktionswoche mit Protestfrühstück, Workshops und der Auftakt- Diskussionsveranstaltung "Widerstand in großkoalitionären Zeiten (Hörsaal III im NIG, Universitätsstr. 7, 1010 Wien).
TeilnehmerInnen sind:
Katrin Niedermoser (GPA - Jugend)
Lina Anna Spielbauer (ÖH - Bundesvertretung)
Emmerich Talós (Politikwissenschafter)
Konstantin Todoulos (griechischer Aktivist)
Moderation: Karin Kuchler (ÖH Uni Wien)
Täglich gibt es von 11-15 Uhr einen ~>Infostand<~ in der Aula (gleich beim Haupteingang) der Uni Wien.
Das gesamte Programm und weitere Infos auf http://aktionswochen.fsinf.at/
mit kämpferischen Grüßen,
Eure ÖH Uni Wien
http://oeh.univie.ac.at