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Quellenangabe:
Hol dir dein Leben zurück! (vom 22.04.2007),
URL: http://no-racism.net/article/2057/, besucht am 29.03.2024

[22. Apr 2007]

Hol dir dein Leben zurück!

Aufruf zur Demonstration zum Tag der Arbeitslosen am 30. April 2007, Treffpunkt: 17 Uhr Rapoldipark, Innsbruck.

Aufruftext


"Was wollen wir nicht? ARBEIT!
Wann wollen wir sie nicht? JETZT!" [*]

HOL DIR DEIN LEBEN ZURÜCK!
GEGEN ARBEIT UND UNTERDRÜCKUNG!
DIE STADT GEHÖRT ALLEN!

Zum "Tag der Arbeitslosen" 2007



SPINNEN DIE!? "Gegen Arbeit ..."!? Ohne Arbeit nix Geld, ohne Arbeit nix essen, wohnen, etc. Wo kommen wir denn da hin?

Die Antwort ist nicht leicht, geht aber in etwa so: Der Kapitalismus bricht endlich zusammen und mit ihm die ganze alte Scheisse namens Miete, grauenhafte Arbeitshetze, Weckerklingeln um 4, 5, 6 oder 7 Uhr, Überstunden, Teilung in Arbeitsplatz/Haushalt, Teilung in Arme/Reiche und noch viel mehr.

Das hört sich alles etwas utopisch und übertrieben an? Keine Frage! Aber Leute, für was leben wir eigentlich? Für den Profit der oberen Etagen? Für den permanenten (unbefriedigenden) Konsum - wir sollen uns mit "einkaufen gehen" zufrieden geben? Also wir werden damit nicht glücklich. Darum müssen wir uns überlegen, wie wir aus dieser scheinbar endlosen Spirale rauskommen.

Dieser Text will versuchen, einige prägnante Punkte anzureißen, von denen wir glauben, dass sie für das Verständnis unserer Gesellschaft im allgemeinen, und für deren Umsturz im besonderen, zentral sind.

Arbeiten!

In der kapitalistischen Gesellschaft muss sich besonders eine Ideologie durchsetzen, damit sie nicht zusammenkracht: Die Menschen müssen arbeiten um zu überleben, sie müssen produktiv sein, sie müssen ihre Leistung erbringen; nur wer arbeitet, soll sich auch ein gutes Leben leisten können. So scheint es zumindest. Und tatsächlich ist es so, dass unsere ganzen Beziehungen und Identitäten bestimmt sind von einer gar merkwürdigen Erscheinungsform der menschlichen Reproduktion: der Arbeit. Sie ist zwar scheisse und mensch muss sich jeden Tag den Wecker stellen, aber warum wir gegen unseren eigenen Willen doch immer wieder aufs Neue mitmachen - oder mensch sollte vielleicht sagen: gegen uns selbst arbeiten - das weiß wohl keinEr so recht. Auch hier werden einige wieder schlaue Antworten wissen und sagen: Na ich muss doch mein Essen und meine Miete zahlen. Und andere meinen: Ohne Arbeit weiß ich nicht, was ich tun soll! Und alle gemeinsam werden sagen: Ich will mir tolle Sachen kaufen! Im ersten Moment scheint also kein Weg an der Arbeit vorbeizuführen. Ist das wirklich so?

Was heißt Arbeit?

Zunächst brauchen wir eine kleine Begriffsbestimmung, denn nicht jede zielgerichtete menschliche Tätigkeit kann zur Arbeit erklärt werden. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob jemand aus freien Stücken neue Songs komponiert - sie werden unabhängig produziert und brauchen sich an nichts und niemandem orientieren - oder ob jemand diese Songs komponiert, um damit Geld zu verdienen, um damit sein/ihr Überleben zu sichern - sie müssen sich u. a. an den Verkaufszahlen messen lassen. Und es ist ein ebenso großer Unterschied - auch wenn nun kein Geld im Spiel ist – ob ich den Boden saugen muss oder ob ich es will (Wer will eigentlich Staubsaugen!?). Die Hausfrau muss ihn saugen, weil ihr Mann lohnarbeiten geht. In beiden Fällen, Songs produzieren und Staubsaugen, sehen wir hier die Unfreiheit, den Zwang und die Abhängigkeit. Und diese drei Eigenschaften können sowohl auf bezahlte sowie auf unbezahlte Tätigkeit zutreffen.

Arbeit bedeutet also in erster Linie die unfreie, zwanghafte und von bestimmten Faktoren abhängige Verausgabung menschlicher Geistesenergie und Körperkraft - verstanden als ihr bornierter Inhalt - und nicht nur in ihrer Form als kapitalistische Lohnarbeit. Deshalb müssen wir in unserer radikalen Kritik der kapitalistischen Gesellschaft nicht nur die massig verstreuten, fabriksmäßig organisierten LohnarbeiterInnen berücksichtigen, sondern auch die unentlohnten, familienmäßig organisierten HausarbeiterInnen in der patriarchalen Familie. Ebenso verhält es sich mit StudentInnen, SchülerInnen, Ein-Mensch-Unternehmen und Bauern bzw. BäuerInnen - sie alle sind keine direkten LohnarbeiterInnen, aber trotzdem sind sie gezwungen, in beschissenen Verhältnissen eine gewisse fremdbestimmte Leistung für ihr Überleben zu erbringen.

Arbeit: Ausbeutung, Herrschaft, Spaltung

Uns fallen eine Menge Fragen ein, die wir gerne diskutieren würden: Woher kommt der Profit des Unternehmens? Wer bekommt ihn? Warum entlässt das Unternehmen ArbeiterInnen, während die Profite steigen? Warum produzieren ArbeiterInnen an einem Ort, zB. in Afrika, für einen anderen Ort, zB. für Europa, Lebensmittel, wenn sie doch selber hungern müssen? Warum sind wir alle so gestresst, haben immer weniger Zeit und die verschiedensten Krankheiten, sinkt der Lohn, steigt der Druck und die Angst, wenn wir doch mit immer weniger Arbeit immer mehr produzieren können? Ist jegliche Form der Arbeit ein ewig notwendiges Übel? Können wir der Menschheit eine mögliche fortschrittliche Entwicklung, die sich an der völligen Aufhebung der Arbeit orientiert, absprechen?

Die bürgerlichen WirtschafterInnen und Politiker diskutieren einige dieser Fragen gar nicht und andere wiederum nur abseits der Tatsache, dass es die kapitalistischen Verhältnisse sind, die die Bedingungen schaffen, dass sich wenige Menschen den gesamten produzierten Reichtum aneignen, während der Großteil in (wirklicher und vergleichsweiser!) Armut lebt - sie bemühen sich bis heute um eine Verschleierung dieses Faktums. Es wird noch immer von Wachstum, (kapitalistischer) Entwicklung und Wohlstand schwadroniert - keine Rede von Ausbeutung, Herrschaft oder Unterdrückung! Es ist dem Kapitalismus und deren VertreterInnen völlig egal, wenn tausende ArbeiterInnen an Überarbeitung oder an Hunger krepieren, während horrende Überschüsse an Lebensmitteln produziert und dann vernichtet werden. Aber genau das ist die Logik des Kapitalismus und bedeutet heute so wie auch morgen nur eines: Jegliches Leben wird dem Anhäufen von abstraktem Reichtum (= Kapital in Form von Geld, Gold, Wertpapieren, etc.) untergeordnet. Wir arbeiten nämlich nicht für uns, sondern für den Profit einiger weniger! Wir könnten viel mehr Zeit für unser Leben bei größerem Wohlstand für alle haben, aber das Kapital muss uns kontrollieren ("Schutzzonen!?"), disziplinieren (Schule!?) und spalten (Rassimus, Sexismus!?), damit wir uns weiter ausbeuten lassen, damit weiterhin Kapital angehäuft werden kann.

Wir haben eine Perspektive!

Das ist alles überhaupt nicht neu und viele wissen bzw. wussten das. Denn gegen dieses Ausbeuter- und Unterdrückersystem wurde schon immer gekämpft - manchmal radikal, manchmal weniger radikal. Bisher jedoch erfolglos, wie der/die geneigte LeserIn unschwer feststellen kann. Aber welche praktischen Schlüsse ziehen wir daraus? Etwa weiter arbeiten gehen? Was ist unsere Perspektive?

Wir glauben, dass im gemeinsamen Kampf gegen die Arbeit der Schlüssel zum besseren Leben, d. h. zur Zerstörung des Kapitalismus liegt. Wir wollen keine Spekulationen über eine neue Gesellschaftsordnung anstellen oder gar irgendwen belehren, wie was zu tun sei. Was wir wollen, ist ein gutes Leben, bei dem wir selber bzw. gemeinsam bestimmen, was und wann wir wie erledigen, welche und wieviele Dinge wir produzieren - gemessen an unseren gemeinsamen und individuellen Bedürfnissen, nicht an denen des Kapitals!

Unsere Perspektive heißt Kommunismus und Anarchie: Der praktische, revolutionäre Kampf gegen Kapital, Staat, Patriarchat und gegen unsere Existenz als ArbeiterInnenklasse.

Für die Befreiung von Mensch und Tier!

Genau deswegen rufen wir zu einer bunten, lauten und widerständigen DEMONSTRATION am 30. April 2007 auf!

BRING YOUR KIDS, SKATES, BIKES, JUGGLING STUFF, TOYS, FOOTBALLS, WATERGUNS, CLOWNS ...
AND DON'T FORGET: DRESS TO IMPRESS!!!

TREFFPUNKT: 17.00 Uhr Rapoldipark, Innsbruck
[Ecke Körnerstraße/Defreggerstraße]
FOOD NOT BOMBS AKTION
Anschließend: Demoparade durch die Innenstadt


[*] Der Titel ist eine Anspielung auf eine reformistische, sozialdemokratische Innsbrucker Gruppe, die am 1. Mai 2006 lauthals forderte: "Was wollen wir? Arbeit! Wann wollen wir sie? Jetzt!"

ps: Die Begriffsbestimmung der Arbeit ist in Teilen von einem Beitrag mit dem Titel "Zu Kurz gedacht - Krisis zwischen Arbeit und Staat" im Wildcat Zirkular Nr. 56/57 vom Mai 2000, S. 43 - 51 geklaut.