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Quellenangabe:
8. Mai - Ein Fest zur Befreiung (vom 24.04.2007),
URL: http://no-racism.net/article/2059/, besucht am 23.04.2024

[24. Apr 2007]

8. Mai - Ein Fest zur Befreiung

Ab 18 Uhr findet in Wien auch dieses Jahr ein Fest anlässlich des Jahrestages der Kapitulation des Dritten Reiches beim Denkmal der Roten Armee am Schwarzenbergplatz statt.

Es sprechen:
- Raimund Fastenbauer, Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde
- Ceija Stojka, Zeitzeugin und langjähriges Vorstandsmitglied von Romano Centro
- Marijan Sturm, Zentralverband slowenischer Organisationen (angefragt)
- Ruth Contreras, Vorsitzende Scholars for Peace in the Middle East Austria
- Matthias Küntzel (Politikwissenschaftler aus Hamburg)
- Café Critique

Catering: Maschu Maschu
Anschließend: "RussInnendisko"

Aufruftext


Am 8. Mai 2007 jährt sich zum 62. Mal die Zerschlagung der nationalsozialistischen Herrschaft. An diesem Tag feiern wir die Niederlage des deutschen Reiches, das Ende von Mord und Unterdrückung, die Befreiung der Gefangenen aus den Konzentrations- und Vernichtungslagern – und trauern um die Ermordeten der Shoah. Ebenso trauern wir um die ermordeten Homosexuellen, Roma und Sinti, Euthanasie-Opfer, "Asozialen" und politischen GegenerInnen des Nationalsozialismus. Am 8. Mai feiern wir diejenigen und danken denjenigen, die diesem Treiben ein Ende setzten. Gleichzeitig bleibt aber das Entsetzen, dass die Niederlage der Nazis um so vieles zu spät erfolgte und dass essenzielle "Errungenschaften" des NS bis heute weiterbestehen.

Die Alliierten, welche in Österreich und Deutschland 1945 die Einführung einigermaßen zivilisierter Zustände erzwangen, wurden als Besatzer gesehen. Die personelle Kontinuität nach 1945, das Buhlen der Parteien um die Stimmen der "Ehemaligen" ist bloß ein Symptom für die ideologische Kontinuität. Resultate des NS, wie die Stiftung einer Volksgemeinschaft, ihre innige Beziehung zum Staat, sowie dürftige Bemühungen, offenen Antisemitismus durch neue Formen wie den Antizionismus zu verdecken, bestimmen den Charakter der Nachfolgestaaten. Das Schweigen über die eigene Beteiligung an der Shoah wirkt einigend und entlastend; Österreich brachte zu diesem Zweck die Behauptung hervor, erstes Opfer des Nationalsozialismus gewesen zu sein.

Das wesentlichste Merkmal des NS, sein rassischer Vernichtungsantisemitismus, verschwand nach 1945 keineswegs. Die oberflächliche gesellschaftliche Missbilligung offener antisemitischer Ausbrüche führte zur Herausbildung neuer Erscheinungsformen: Es durfte kritisiert werden, dass "die Juden" immerzu vom Holocaust sprachen, ständig Entschädigung verlangten, nie ein Schlussstrich gezogen werden dürfe. Wie unaufgearbeitet besonders das Thema Restitution auch heute noch ist, zeigen die enormen Schwierigkeiten und Ressentiments bei der Rückgabe der geraubten Klimt-Bilder, vor allem der "Goldenen Adele" an die Erbin, Maria Altmann.

Dieser "sekundäre" Antisemitismus wird auf internationaler Ebene durch den Antizionismus ergänzt. Jenem Staat, der als Konsequenz aus dem Holocaust gegründet wurde, um Jüdinnen und Juden relative Sicherheit vor dem weltweiten Antisemitismus zu bieten, schlägt als dem "Juden unter den Staaten" weltweiter Hass entgegen. Seit der "Al-Aqsa-Intifada", welche außer bei arabischen Staaten auch in der UNO, der EU und weiten Teilen der Antiglobalisierung- und Friedensbewegung Unterstützung findet, und anhand der Zunahme antisemitischer Ausschreitungen seit dem 11. September lässt sich ein "neuer Antisemitismus" ausmachen, der sich an dem Zusammenfinden rechtsextremer, islamistischer und linker Positionen festmacht. Dieser "neue Antisemitismus", der in seiner geopolitischen Reproduktion als Antizionismus auftritt, wurde auch im Zuge des Libanon-Krieges 2006 wieder deutlich. Die legitime militärische Aktion Israels, die nicht nur eine Reaktion auf die Entführung zweier Soldaten, sondern auch auf die permanenten Raketenangriffe der Hisbollah war, wurde im diplomatischen Jargon als "unverhältnismäßig" verurteilt, Israel dadurch das Recht auf Selbstverteidigung aberkannt und gleichzeitig den Gotteskriegern der Hisbollah Legitimation verschafft. Nicht nur die permanente Bedrohung Nordisraels, auch die Koalition von Fatah und Hamas und ihre Weigerung, Israel anzuerkennen, die Appeasementpolitik der meisten europäischen Staaten gegenüber den islamistischen Regimen im Nahen Osten und der staatliche iranische Vernichtungsantisemitismus, der seiner Forderung nach der Auslöschung Israels mittels Atomwaffen nachzukommen versucht, machen die Lage Israels deutlich. All das führt aber weder zu einem Boykott der palästinensischen, von der Hamas geführten Regierung, noch zu entschlossenen Schritten - der einzigen Möglichkeit, einen militärischen Konflikt zu verhindern - gegen den von den Mullahs vorbereiteten zweiten Holocaust. Angesichts dieser globalen Bedrohung ist unbedingte Solidarität mit Israel als dem Staat der Shoah-Überlebenden und als potentielle Schutzmacht von Jüdinnen und Juden weltweit nicht nur die einzig logische Konsequenz - sondern es ist auch bezeichnend, dass dies vor allem in Deutschland und Österreich immer wieder gefordert werden muss und keine Selbstverständlichkeit ist.

Der 8. Mai soll als jener Tag erinnert werden, an dem das großangelegte nationalsozialistische Projekt zur Vernichtung von Menschen um der Vernichtung willen erfolgreich zurückgedrängt worden ist. Wir erinnern daher an den Einsatz der US-amerikanischen und britischen Streitkräfte, der französischen Resistance, der PartisanInnenverbände, der Deserteure und aller WiderstandskämpferInnen, die gegen das nationalsozialistische Regime kämpften. Wir erinnern im Besonderen an den Einsatz der Roten Armee, die mit ihrem Beitrag zur Befreiung die größten Opfer hinnehmen musste. Aus diesem Grund treffen wir uns beim Mahnmal der Roten Armee am Schwarzenbergplatz, um die Niederlage des Nationalsozialismus zu feiern und gleichzeitig daran zu erinnern, dass die Möglichkeit der Barbarei ebenso fortwest wie die Verhältnisse, die sie schon einmal hervorbrachten.

Die Niederlage des Dritten Reiches und seiner Verbündeten feiern:

Anthropoid/Innsbruck, antifa-on, Archiv der sozialen Bewegungen/Wien, Bund sozialdemokratischer Juden - Avoda, Café Critique, Context XXI, Fakultätsvertretung Sozialwissenschaften, Grünalternative Jugend Wien, Israelitische Kultusgemeinde, Kommunistischer StudentInnenverband (KSV - LiLi), Scholars for Peace in the Middle East/Austria, Studienvertretung Judaistik, Studienvertretung Politikwissenschaft, www.juedische.at, Zionistische Föderation in Österreich, ZPCL - der B'nai B'rith