Quellenangabe:
Internationaler Hurentag auf Radio Orange 94.0 (vom 01.06.2007),
URL: http://no-racism.net/article/2122/,
besucht am 27.11.2024
[01. Jun 2007]
Eine Radio-aktive Intervention in Wien zum internationalen Hurentag am 2. Juni 2007 zur Unterstützung der bundesweiten Kampagne für die Rechte von SexarbeiterInnen in Kooperation mit dem Stuwerkomitee.
Am 2. Juni 2007, dem internationalen Hurentag, werden Stimmen zum Thema Sexarbeit auf die Straßen getragen. Am Urban-Loritzplatz in Wien gibt's ein Straßenfest. Und mit der Aktion 'Radio im öffentlichen Raum' schließt sich :: ORANGE 94.0 und das Stuwerkomitee der Kampagne 'Sexarbeiterinnen haben Lust... auf ihre Rechte' an, einer Kooperation von LEFÖ und MAIZ. Also am 2. Juni 2007 ab 15:00 Uhr: Radioapparat ins Fenster stellen oder Autoradio auf volle Lautstärke drehen, 94.0 einstellen und die Straßen beschallen!
Die Debatte über Prostitution ist ein Dauerbrenner im Stuwerviertel-Alltagstratsch der BewohnerInnen(1), in der Schlange vor der Kasse beim Billa, im Innenhof, bei den zufälligen Begegnungen auf der Straße. Die Diskussionen der AnrainerInnen spiegeln im Großen und Ganzen jene polarisierenden Botschaften wieder, die über die Massenmedien vermittelt werden - Prostitution als (unfreiwillige) sexuelle Ausbeutung versus Selbstbestimmung der Frauen in der Sexarbeit als (freiwillige) Dienstleistung.
Auffallende Leerstelle in diesen Auseinandersetzungen ist der soziale Status von Sexarbeit. Für die meisten BewohnerInnen im Viertel ist Prostitution ein stigmatisierter Bereich. Diffamierende, diskreditierende und rassistische Bemerkungen sind, ob lautstark geäußert oder beim Tuscheln miteinander, an der Tagesordnung. Martina Löw beschreibt in einer Studie über den Straßenstrich im Stuwerviertel, dass sich die Proteste der Anwohner und Anwohnerinnen gegen Straßenprostitution auch gegen die Lärmbelästigung durch den Autoverkehr und gegen die permanenten Angebote an die dort lebenden Frauen richten. Eine große, wahrscheinlich die größere, Gruppe der Männer kreise nicht um die Häuserblöcke, um als Kunde aktiv zu werden, sondern um als Voyeure das Geschehen zu verfolgen. "Die Voyeure sind auf die Zeichen der Prostituierten gar nicht angewiesen, da sie andere Motive als die Kommunikation und den sexuellen Kontakt mit den Frauen haben. Distanz im Sinne von Nichtbeachtung steht für diese Männer gar nicht zur Debatte. Sie ignorieren Abgrenzungsversuche der Frauen, die ich als eindeutige Demonstration, nicht zum Prostituiertenensemble dazuzugehören, verstehen würde. Solche Hinweise können zum Beispiel Äußerlichkeiten, wie sich von der der anderen Frauen abhebende Kleidung oder ein mitgeführtes Fahrrad sein (...) Auch männliche Begleitungen, die Frauen an vielen anderen öffentlichen Plätzen vor allzu offensichtlichen und aufdringlichen Blicken und Kommentaren schützen (...) haben auf viele herumfahrende Freier keine solche Wirkung."
In Straßenzügen und Quartieren, die für den Strich genutzt werden, sind grundlegende soziale Interaktionsformen wie Annäherungs- und Distanzierungsregeln, Begrüßungsrituale und Ansprechpraktiken lokal außer Kraft gesetzt.
Die Beschallung des Stuwerviertels und des öffentlichen Raumes so wie die Kundgebung von LEFÖ am Urban-Loritz-Platz wollen hier eingreifen:
In den Beiträgen der Sprechenden wird es um Forderungen, um die fehlenden Rechte und Bedürfnisse der Sexarbeiterinnen gehen, um die gesellschaftliche Stigmatisierung der Sexarbeit, es wird danach gefragt, welchen Herrschaftsverhältnissen die Verachtung der Prostitution dient.
Es geht um Missstände und Nachteile, deren Liste lang ist - unregelmäßige, leistungsabhängige Einkommen; ein fehlender rechtlicher Rahmen, Arbeit oft sieben Tage die Woche, zwölf Stunden am Tag/ Nacht, strenge Kontrollen etc. und auch um die Vorteile - es ist der Arbeitssektor, in dem Migrantinnen das meiste Geld verdienen können, Flexibilität, je nach Sektor der Sexindustrie, Prostitution als Nebenjob, keine vertragliche Bindung; eine Ausbildung ist meist nicht notwendig, eine Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, eine Fremdsprache zu üben.
Es wird gefordert, das Fremdenrecht so abzuändern, dass es den Bedürfnissen der Sexarbeiterinnen, - ein großer Teil von ihnen sind Migrantinnen- entgegenkommt.
(Inzwischen bekommen Sexarbeiterinnen ein Visum nur noch für ein halbes Jahr und müssen dann ausreisen, eine Situation, die für Frauen aus Lateinamerika oder Asien untragbar ist und viele illegalisiert hat.)
Es wird gefragt, warum Sexarbeiterinnen gezwungen werden, sich registrieren zu lassen, wenn ihnen daraus nur Pflichten, aber kein einziges Recht erwächst?
Es werden die zu Wort kommen, über die immer nur gesprochen wird.
Laut Luzenir Caixeta "...verringert die Nichtanerkennung von Sexarbeit als mit Rechten ausgestatteter, stark ethnisierter Arbeit nicht die Zahl der MigrantInnen in diesem Sektor. Eine solche repressive Politik und moralistische Sichtweise ignoriert lediglich die Realität vieler Frauen (und Männer)."
Zu hören am 2. Juni 2007 von 15.30 - 17.00 Uhr auf ORANGE 94.0, dem Freien Radio in Wien.
Im Raum Wien unter der Frequenz UKW 94.0 oder sonst via live-Stream: http://o94.at/live
Anmerkung von no-racism.net:
(1) Das Stuwerviertel liegt im 2. Wiener Bezirk, gleich neben dem Vergnügungspark im Prater, und ist seit langem ein Gebiet, in dem SexarbeiterInnen die Wünsche der Freier erfüllen. Und seit Jahren wird dort repressiv gegen SexarbeiterInnen vorgegangen.