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Quellenangabe:
G8-Proteste: Aktionstag Flucht und Migration (vom 04.06.2007),
URL: http://no-racism.net/article/2126/, besucht am 26.12.2024

[04. Jun 2007]

G8-Proteste: Aktionstag Flucht und Migration

Am Montag, dem 4. Juni 2007 konzentrieren sich die Proteste auf die Forderungen nach globaler Bewegungs- freiheit und gleiche Rechte für alle. Es gab mehrere dezentrale Aktionen auch in anderen Städten, eine Großdemonstration und eine Abendveranstaltung in Rostock. Einer der Slogans an diesem Tag lautete "no border no nation stop deportation".

Inhalt:
Dezentrale Aktionen
Großdemonstration
Abendveranstaltung
Aktionen in anderen Städten
Repression und geschlossene Grenzen


Dezentrale Aktionen


Um etwa 10:00 Uhr versammelten sich ca. 2000 Menschen (nach anderen Angaben 3000) an der Einwanderungsbehörde in der Werfstrasse in Rostock. Ausländerbehörden sind Orte, wo Flüchtlinge und MigrantInnen tagtäglich schikaniert und verfolgt werden. Hier entscheidet sich, welchen Status Menschen ohne EU-Pass erhalten, ob sie arbeiten, studieren oder überhaupt in Deutschland bzw. der EU bleiben dürfen. Beim Protest wurde ebendiese Praxis kritisiert und gegen die rassistischen Unterdrückungsmechanismen - vor allem wie Menschen von den Beamten behandelt werden - protestiert.

Die Atmosphäre bei der Kundgebung war angenehm, eine Samba Band spielte und es gab Straßentheater und das Spiel :: Deutschland sucht den Superdeutschen wurde gespielt. Außerdem hängten Leute am Gebäude der AusländerInnenbehörde Transparente auf.




Anschließend bewegten sich die Menschen in Richtung Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen. Dort erinnerten im Rahmen einer Kundgebung midestens 1500 Leute an die rassistischen Pogrome im Jahr 1992. Damals griffen Neonazis unter dem Beifall tausender Menschen die Zentrale Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge sowie ein Wohnheim vietnamesischer ArbeiterInnen mit Steinen und Molotowcocktails an. Das Pogrom dauert mehrere Tage. Die Polizei gewährt den BewohnerInnen keinen Schutz. Kurz danach gab die SPD ihren Widerstand gegen die Änderung des Artikel 16 des Grundgesetzes auf ("Politisch verfolgte genießen Asylrecht").

Mit der Kundgebung sollte an die Ereignisse von 1992 erinnert und aufgezeigt werden, wie drastisch sich die Bedingungen für Flüchtlinge in Deutschland als Konsequenz des Pogroms verschlechtert haben. Die Stimmung war gut. Doch wie schon an den vergangenen Tage gab es wieder Übergriffe durch die Polizei. So wird im :: Ticker auf de.indymedia.org berichtet, dass die Polizei einzelne Personen aus der Menge herasugegriff und es zu 3-4 Festnahmen kam. "Ein Demonstrant aus Kamerun wurde von der Polizei verletzt (vermutlich Nasenbruch). Er stand in einer Gruppe von Autonomen und wurde daraufhin brutal aus der Menge gezogen. Er wurde in ein Krankenhaus gebracht."

Ein detaillierter Bericht von der Kundgebung in Rostock-Lichtenhagen, mit Aufruftext, Hintergrundinformationen und Links findet sich auf :: carava.net, ein Videoclip auf :: g8-tv.org, Audioberichte auf :: freie-radios.net 1 :: 2


Weiters gab es eine Kundgebung vor einem Lidl-Supermarkt. Lidl ist nicht nur für seine miesen Arbeitsbedinungen bekannt geworden. Lidl zeichnet sich auch (zusammen mit anderen Supermarktketten) durch ruinöse Preisdiktate aus. Auf diese Weise werden insbesondere die Preise für landwirtschaftliche Produkte in den Keller getrieben. Häufig sind es vor allem (papierlose) MigrantInnen, die sich gezwungen sehen, die miesen Lohn- und Arbeitsbedinungen in der Landwirtschaft zu akzeptieren – etwa als TagelöhnerInnen im Plastikmeer von Almeria oder als SpargelstecherInnen in Mecklenburg-Vorpommern. (siehe Hintergrundinfos beim :: Umbruch Bildarchiv)


Überblick über die geplanten Aktionen geplant im :: Programm für den Aktionstag in Rostock.


Großdemonstration


Die Demonstration für globale Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte am Nachmittag konnte geplant nicht wie geplant abgehalten werden. Es gab zahlreiche Schikanen durch die Polizei, zum Teil schon bei der Anreise der AktivistInnen. Die Auftaktkundgebung war von 13:00 bis 14:00 Uhr beim Flüchtlingslager Satowerstraße geplant. Laut indymedia Ticker hat sie erst gegen 14:00 Uhr mit ca. 2000-3000 Leuten begonnen. Viele wurden noch durch die harten Vorkontrollen aufgehalten, darunter auch internationale RednerInnen, was aber alles der guten Stimmung nichts anhaben konnte.
Um ca. 16:00 gingen dann die zu diesem Zeitpunkt 5000 TeilnehmerInnen der Migrationsdemo los, wurden aber immer wieder gestoppt. Die Stimmung war aber weiterhin gelassen. Eine Sambaband spielte, Menschen auf Stelzen und zahlreiche Clowns bestimmen das Bild.

Ziel der Demo war die Abschlusskundgebung mit kulturellen Beiträgen im Rostocker Stadthafen in der Innenstadt (geplant von 17:00-20:00). Doch die Polizei wollte dies verhindern. Mit der Begründung, die Demo sei zu groß, wurde sie auf der Parkstraße aufgehalten.

In der Folge löste die Demoleitung die Demo auf, weil es nicht möglich war, weiter zu gehen. Die Polizei stand bewaffnet und mit Wasserwerfern dicht um die gesamte Demo und die vorgeschlagene Routenänderung war inakzeptabel. Es wurde aber dazu aufgefordert, die Abschlusskundgebung im Stadthafen zu erreichen, während die Polizei ankündigte, keine Spontandemos zuzulassen.

Trotzdem bewegten sich tausende DemonstrantInnen durch die Rostocker Vorstadt zum Stadthafen. Ein angemeldeten Spontandemo mit ca. 1000 Leuten und Soundsystem wurde von dichter Polizeipräsenz begleitet.

Schlussendlich sind mehrere Tausend Demonstrierende bei der Abschlusskundgebung am Stadthafen angekommen. Die Leute ließen sich durch das stundenlange Festhalten nicht zermürben und genossen die gute Stimmung bei Musik aus den Lautsprechern. Wien in der gesamten Innenstadt von Rostock gab es bei der Abschlusskundgebung eine massive Polizeipräsenz.

Insgesamt sollen sich um die 10.000 AktivistInnen an den dezentralen Aktionen und der Großdemonstration zum Aktionstag Flucht und Migration beteiligt haben. Wieviele von der Polizei daran gehindert wurden, ist nicht bekannt.

Regelmäßige Updates im Ticker auf :: de.indymedia.org und :: at.indymedia.org sowie im :: G8 Live Radio.


Abendveranstaltung


Am Abend war eine Diskussionsveranstaltung über "Globale Bewegungsfreiheit gegen globale Apartheid" mit Gästen aus vier Kontinenten angesetzt.


Aktionen in anderen Städten


In Dreseden wurde die AusländerInnenbehörde mit Farbbomben bedacht. Auf :: de.indymedia.org ist dazu zu lesen: Heute in den frühen Morgenstunden fanden sich einige Farbbomben am Haus der Ausländerbehörde wieder und zerplatzten. Der Schriftzug "SCHREIBTISCHTAETER" ist ebenfalls mehrfach zu lesen. NO BORDER! NO NATION!

In Houston, Texas blockierten AktivistInnen das dortige "Immigration Detention Center", ein Internierungslager für MigrantInnen. Im Zuge der Aktion wurden zwei AktivistInnen, die sich am Tor festketteten, festgenommen und später auf Kaution frei gelassen. Am 6. Juni hatten sie eine Verhandlung am Gericht in Houston. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Hausfriedensbruch und das Verbrechen der Gründung einer kriminellen Vereinigung (manufacture of a criminal device) vor. Der Richter vertrat die Meinung, dass diese Vorwürfe zu schwerwiegend seeien, gestattete den Staatsanwälten jedoch, den Prozess mit diesen Anklagenpunkten fortzusetzen. :: mehr dazu hier



Repression und geschlossene Grenzen


Wie schon an den vorhergehenden Tagen wurden auch an diesem Tag wieder zahlreiche AktivistInnen an den Grenzen Deutschlands, die rigoros kontrolliert werden, aufgehalten. AktivistInnen aus Polen besetzen deshalb den Zug, mit dem sie unterwegs waren und hängten Banner aus dem Fester.

Nach Angaben des Ermittlungsausschusses gab es am 4. Juni bis ca. 20:00 Uhr 53 Festnahmen, wobei 17 Leute wieder frei gelassen wurden. Seit Samstag ist von mindestens 315 Festnahmen die Rede. Die große Mehrheit davon wegen Verstosses gegen das Versammlungsgesetzt (Vermummungsverbot). Weiters gab es bisher 10 Haftbefehle, in neun Fällen soll es noch diese Woche zu Schnellverfahren kommen, wobei die meisten schon am Mittwoch stattfinden werden.

Quellen: Verschiedene Berichte und Tickermeldungen auf indymedia, Aufruf und Programm zum Aktionstag.