Quellenangabe:
Rassistische und neokolonialistische Regierungsattacken auf Aborigine-Communities (vom 17.07.2007),
URL: http://no-racism.net/article/2206/,
besucht am 21.11.2024
[17. Jul 2007]
Der erzkonservative Premierminister Howard sieht seine Chancen für die in einigen Monaten anstehenden Wahlen schwinden. Daher schreckt er auch vor grossangelegten extrem rassistischen Kampagnen gegen Aborigines nicht zurück.
Seit Jahren kaempft die Aborigine-Bevoelkerung in den weit abgelegenen Gebieten Australiens fuer die Bereitstellung von Geldern und Personal, um eine medizinische Basisversorgung, Schulen und Haeuser, soziale Dienste etc., die der weissen Bevoelkerung ueberall zur Verfuegung stehen, finanzieren zu koennen. Das wurde von der konservativen Regierung konsequent ignoriert.
Ausserdem gibt es seit Jahrzehnten Kaempfe um Landrechte. In den letzten Jahrzehnten haben die Aborigines sich aber wenigstens teilweise Landrechte erkaempfen koennen. Und fuer diese Gebiete gilt fuer alle anderen ein sogenanntes Permit-System, d.h. man kann da nicht einfach rein, weil es sich auch oft um geheiligte Staetten handelt, wo nur bestimmte Leute hinduerfen.
Kuerzlich wurde dann ein Bericht veroeffentlicht, in dem die Probleme der Aborigine-Bevoelkerung im Auftrag der Regierung untersucht wurden.
Dabei ging es vor allem um die durch die schlechte Versorgung entstandenen Misstaende, die mit den sozialen Problemen einhergehen, d.h. Alkoholmissbrauch, Gewalt und Kindesmissbrauch. Dieser Bericht, "Little Children are Sacred" hat diese Missstaende durchaus erkannt und bestimmte Gegenmassnahmen vorgeschlagen. Dabei geht es besonders um die Schaffung einer besseren Infrastruktur und sozialen wie medizinischen Versorgung.
Die VerfasserInnen des Berichts haben aber auch ganz deutlich darauf hingewiesen, dass es unbedingt notwendig ist, diese Massnahmen gemeinsam mit der Aborigine-Bevoelkerung durchzufuehren und dafuer zu
sorgen, dass die Leute selbst bestimmen koennen, was sie brauchen. Ausserdem muessen solche Massnahmen natuerlich langfristig erfolgen.
Premierminister Howard hat diesen Bericht nun massiv uminterpretiert, und ihn zum Anlass genommen, den nationalen Notstand auszurufen. Seine Begruendung ist, dass Aborigines mehr oder weniger alle ihre Kinder missbrauchen (der Bericht behandelt das Problem des Kindesmissbrauchs sehr umfangreich, weist aber darauf hin, dass auch oft weisse Sozialarbeiter etc. daran beteiligt waren, und dass der Prozentsatz des Kindesmissbrauchs trotz allem geringer ist als in vielen weissen sozial benachteiligten Gegenden).
Ausserdem wuerden Aborigines massiven Alkoholmissbrauch betreiben und die Maenner dann hinterher ihre Frauen vermoebeln (dabei sind 80% der Aboriginal Communities komplett trocken, d.h. da gibt es gar keinen Alkohol).
Die von ihm initiierten Konsequenzen sind ziemlich haarstraeubend:
- aufgrund des ausgerufenen nationalen Notstands konnten die Landrechte und das Permit-System ausgehebelt werden (das ist vor allem unter dem Gesichtspunkt interessant, dass in den Gebieten riesige Uranvorkommen sind und man in Australien gerade im grossen Stil von Kohle- auf Atomkraftwerke umsteigen will)
- das Militaer (und die Polizei) wurde mobilisiert und marschiert gerade in die Communities ein
- es werden hunderte weisse "Manager" bestimmt, die jetzt die politische Fuehrung in den Communities uebernehmen - damit nix schief geht, werden sie unterstuetzt durch die Polizei
- die ohnehin schon knappen Sozialleistungen fuer Aborigines werden in ziemlich grossem Ausmass stark gekuerzt oder komplett gestrichen
- es wurden medizinische Zwangsuntersuchungen fuer Kinder angeordnet, in denen ihre Genitalien auf Missbrauch hin untersucht werden
Aufgrund massiver Proteste wurden die Zwangsuntersuchungen fuer Kinder zurueckgenommen und in freiwillige Untersuchungen umgeaendert. Alle
anderen Massnahmen bestehen aber immer noch.
Es besteht ein ziemlich dringender Verdacht, dass Howard einerseits seine Chancen bei der naechsten Wahl verbessern will, indem er zeigt, dass er "etwas unternimmt". Und mit dem Totschlag-Argument des
grossen Kampfs gegen Kindesmissbrauchs (das ziemlich offensichtlich sehr dahinkonstruiert ist, denn fuer den Kindesmissbrauch in ueberwiegend weissen Gebieten interessiert er sich in keiner Weise) hat er den groessten Teil der Australischen Bevoelkerung auf
seiner Seite. Gleichzeitig kommt man dann, und das scheint ein fast noch wichtigerer Punkt zu sein, endlich an das heiss begehrte Uran dran.
Niemand bezweifelt, dass es in vielen Aborigine-Communities massive Probleme, vor allem auch mit Kindesmissbrauch, gibt. Aber es ist auch ganz klar, dass man die nicht durch den Einmarsch des Militaers und der Polizei, neuen Rassismus, neuen Kolonialismus und neue Repressionen bekaempfen kann.
Daher haben sich jetzt eine ganze Reihe von NGOs hier zusammengetan, um gegen diese massiv rassistische Politik zu protestieren.
Die Infobroschuere (leider natuerlich nur auf Englisch) ist links vom Artikel als PDF zu finden.
Ausserdem wird dazu aufgerufen, bei der Online-Unterschriftenaktion
mitzumachen, damit auch klar wird, dass diese Infos im Ausland angekommen sind.
:: Protestschreiben an Mal Brough, Minister für Familie, indigene Angelegenheiten
:: Protestschreiben an Morris Iemma MP, Premier of NSW