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Quellenangabe:
Schwangere Frau in EHC- Flüchtlingslager Bad Kreuzen verblutet (vom 14.08.2007),
URL: http://no-racism.net/article/2231/, besucht am 20.04.2024

[14. Aug 2007]

Schwangere Frau in EHC- Flüchtlingslager Bad Kreuzen verblutet

Tschetschenin und ihr Baby starben im Rettungswagen - Kritik an Arzt, Rotes Kreuz und Betreuungsorganisation

Linz - Eine hochschwangere Tschetschenin ist in der Nacht auf Montag in einem Flüchtlingslager in Bad Kreuzen Oberösterreich innerlich verblutet. Auch für ihr Baby kam jede Hilfe zu spät. Bei der Frau war die Aorta gerissen.

Die Europäisch-tschetschenische Gesellschaft warf dem im Flüchtlingsquartier diensthabenden Amtsarzt vor, er habe sich eine Stunde lang geweigert, die Frau mit dem Rettungswagen mitzunehmen, weil sie nur simuliere, um nicht abgeschoben zu werden. Diesem Vorwurf widersprach der oberösterreichische Sicherheitsdirektor Alois Lißl am Dienstag: Die Rettungkette sei geschlossen gewesen, es werde vorerst nicht weiter ermittelt. Die Staatsanwaltschaft hat laut dem Ö1-Abendjournal auf jeden Fall Ermittlungen angekündigt, um alle offenen Fragen zu klären.

Albert Reiter, Primar des Landesklinikums Amstetten, in das die schwangere Frau eingeliefert worden war, erklärte im ORF-Radio, ein Riss der Aorta sei kaum zu behandeln, selbst wenn er direkt am Operationstisch passiert. Es habe "auf Grund der schweren Erkrankung der Patientin, sie ist innerlich verblutet, absolut keine Chance für Mutter und Kind gegeben."

Kritik übte die Organisation "SOS Mitmensch": "Wir fordern die Behörden auf, von sich aus Ermittlungen aufzunehmen, ansonsten werden wir selbst Anzeige einbringen", betonte der Sprecher der Menschenrechtsorganisation, Philipp Sonderegger. Der Forderung schlossen sich auch die Menschenrechtssprecherin der Grünen, Brigid Weinzinger, und die Menschenrechtsorganisation amnesty international an.

Der Pressesprecher der für das betroffene Flüchtlingslager tätigen Betreuungsorganisation "European Homecare", Wilhelm Brunner, erklärte, es sei nun Aufgabe der Behörden, zu klären, was passiert sei. Die bisher bekannten Umstände ließen jedoch keinen Zweifel daran aufkommen, dass an Ort und Stelle alles unternommen worden sei, um zu helfen. Er könne sich die Vorwürfe nur damit erklären, dass es verständliche Emotionen gebe, wenn eine hochschwangere Frau und ihr Baby plötzlich sterben.

Im Flüchtlingsquartier hatten sich dramatische Szenen abgespielt: Die Kinder der aus Inguschetien stammenden Asylwerberin im Alter von sieben, acht sowie neun Jahren schlugen Alarm und erklärten, dass es ihrer Mutter schlecht gehe. Daraufhin lief eine Rettungsaktion an.

Der Landesrettungskommandant vom Roten Kreuz Oberösterreich, Christoph Patzalt, versicherte, es sei das Bestmögliche getan worden: Der erste Hilferuf beim Roten Kreuz sei um 20.47 Uhr eingegangen. Neun Minuten später sei der Rettungswagen bei der Patientin gewesen. Die Sanitäter hätten angesichts der Situation gleich einen Notarzt angefordert. Dieser sei entsprechend der Entfernung um 21.27 Uhr eingetroffen, um 21.33 Uhr sei die Frau in Begleitung des Notarztes auf dem Weg ins Krankenhaus gewesen, dabei habe bereits reanimiert werden müssen. "Auch mit einem Notarzthubschrauber wäre es nicht schneller gegangen", so Patzalt.

Dem Vorwurf, dass das ungeborene Kind geretten hätte werden können, widersprach Primar Reiter im Ö1-Abendjournal: "Ein Notarzt vor Ort hat keine Möglichkeiten, mittels Kaiserschnitt ein Kind zu entbinden. Das ist auch in der Notfallmedizin in der Form nicht vorgesehen." (APA/red)

Der Standard, 14.8.2007