Quellenangabe:
Team Österreich: Nächstenliebe für wen? (vom 20.09.2007),
URL: http://no-racism.net/article/2271/,
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[20. Sep 2007]
Ein Kommentar zur Medien - Renaissance der Bildung einer rot-weiß-roten Gemeinschaft von Martin Wassermair. Erschienen in: Kulturrisse, Heft 3, September 2007
In den Reihen der Polizei hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass Prügel für Asylsuchende juristisch kaum belangt werden und auch keine nennenswerten disziplinarischen Folgen nach sich ziehen. Von Hilfe für jene, die Hilfe brauchen, wie die Mitmach-Parolen der Promis des 'Team Österreich' glauben machen wollen, kann bei den Sicherheitsorganen jedenfalls keine Rede sein.
Ingrid Thurnher wollte es sich nicht nehmen lassen. Ebenso wenig Armin Assinger. Mit dabei sind aber auch Rainhard Fendrich, Udo Jürgens sowie Alfons Haider und Mirjam Weichselbraun. Staatssekretärin Heidrun Silhavy stellte sogleich das multimediale Serviceportal der Bundesverwaltung zur Verfügung. Da musste dann noch der Bundespräsident was Staatsmännisches dazu sagen. Eine ganz tolle Sache sei das, imposant und vorbildlich. Das Land brauche Menschen, die anpacken. Mitmenschen, die zusammenstehen, wenn es darauf ankommt. "Das ist ein Moment", so Heinz Fischer in pathetischer Ergriffenheit, "in dem man auf seine Landsleute, die Österreicherinnen und Österreicher, stolz sein kann!"
Österreich ist ab sofort noch besser aufgestellt, denn Österreich hat ein neues Team. Das "Team Österreich". Es befindet sich seit Mitte August 2007 im Zentrum einer aufwändigen Medienkampagne, die das ORF-Radio Ö3 gemeinsam mit dem Roten Kreuz ins Leben gerufen hat. Nachbarschaftshilfe ist das als quotenträchtige Losung ausgegebene Gebot der Stunde. Und tatsächlich haben sich Tausende binnen weniger Stunden als Mitglieder gemeldet, um bei Bedarf abrufbar zu sein und mit körperlichem Einsatz gegen Hochwasser, Sturmschäden und sonstiges Unheil anzutreten. Wenn Österreich Hilfe braucht, krempeln alle gerne die Ärmel hoch.
Alle für alle? Fast zeitgleich zur Präsentation der mit prominenten Namen reichlich bestückten Ehrenamtsdatenbank wurde die aktuelle Einbürgerungsentwicklung vorgestellt. Die Anzahl jener, die in den ersten sechs Monaten 2007 die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten haben, erreicht nicht einmal die Hälfte des Vergleichszeitraums im Jahr davor. Es folgte der Jubel vor allem der ÖVP. Die Verschärfung des Fremdenrechts, so erklärte Generalsekretär Hannes Missethon im Einklang mit Innenminister Platter, zeige erfreuliche Konsequenzen. Rechtsaußen-Sprüche gehören schon seit geraumer Zeit zur rhetorischen Ausstattung der selbstgefälligen Vaterland-Partei, die in der statistischen Trendwende der Zuwanderung ihre Handschrift zu erkennen glaubt.
Migrationsbarrieren, Präventionshaft für Hooligans, Sexualstraftäterdatei. Die Konservativen, in der Koalition mit der SPÖ um ein eigenständiges Profil bemüht, erhöhen unablässig die Dosis ihrer Signale auf den Law-and-order-Alleinanspruch. Das ruft naturgemäß die FPÖ auf den Plan, die sich das Hardliner-Image nicht gerne streitig machen lässt. Obwohl Heinz-Christian Strache der Nachhall seiner Neonazi-Vergangenheit seit Monaten nur so um die Ohren kracht, verlangte er sogleich nationale "Situationsberichte über den Stand der Islamisierung in Österreich". Da legte auch die ÖVP-Spitze kräftig nach. "Minarette sind etwas Artfremdes", belehrte Landeshauptmann Erwin Pröll die Öffentlichkeit in einem ORF-Interview, "und Artfremdes tut auf Dauer in einer Kultur nicht gut".
Niederösterreich wählt im März 2008 einen neuen Landtag. Das von regelmäßigen Überflutungen gebeutelte Kernland der ÖVP ist ein aufschlussreiches Anschauungsbeispiel, wie sich die Katastrophenmetaphorik einer medial inszenierten Nächstenliebe an eine Bildsprache reiht, die Ängste vor Fremden schürt und damit den Machterhalt sichern soll. Das "Team Österreich", so weiß auch Erwin Pröll, bleibt gerne unter sich. Da herrscht Klarheit, wer darin Platz finden darf und wem die Tore verschlossen bleiben. Im Dauerfeuer der "Wir wollen helfen!"-Werbespots ist jedenfalls nichts davon zu erfahren, dass sich hinter den Zuwanderungszahlen des Innenministeriums eine Realität verbirgt, die internationale Menschenrechtsorganisationen in zunehmendem Maße beunruhigt. Denn tatsächlich drängen immer mehr Menschen nach Österreich, weil sie in einem der reichsten Staaten Europas vor Terror, Verfolgung und Elend Zuflucht und Hilfe suchen. Allerdings werden sie hier nur in seltenen Fällen fündig, dafür aber umso öfter in Schubhaft genommen. Die Wahrscheinlichkeit, von der österreichischen Exekutive misshandelt zu werden, ist zudem im Ansteigen begriffen. In den Reihen der Polizei hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass Prügel für Asylsuchende juristisch kaum belangt werden und auch keine nennenswerten disziplinarischen Folgen nach sich ziehen. Von Hilfe für jene, die Hilfe brauchen, wie die Mitmach-Parolen der Promis glauben machen wollen, kann bei den Sicherheitsorganen jedenfalls keine Rede sein.
Dennoch hat Österreich ein neues Team. Das "Team Österreich". Es fügt sich nahtlos in eine seit geraumer Zeit zu beobachtende Renaissance der rot-weiß-roten Gemeinschaftsbildung, die in der kurzen Episode des Haider-Schüssel-Paktes fröhliche Aufschwünge erfahren durfte und sich nun über eine Erweiterung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk freuen kann. Es ist jedoch nicht allzu Schlimmes zu befürchten - dafür sorgt schon alleine die Kurzlebigkeit der Unternehmungen des ORF. Es bleibt also abzuwarten, wer sich noch als öffentliche Persönlichkeit mit einer Mitgliedschaft zum "Team Österreich" bekennt. Und dann ist da noch die Frage, wer zuallererst eine Verweigerung mit der Auskunft begründet, dass ein medial geformter Teamgeist, der den Konstruktionsmustern von Volksgemeinschaften zum Verwechseln ähnlich sieht, mit pluralistischen Gesellschaftsmodellen nicht vereinbar ist.