Quellenangabe:
Abschiebungen unmöglich machen! (vom 02.11.2007),
URL: http://no-racism.net/article/2317/,
besucht am 21.11.2024
[02. Nov 2007]
In Österreich finden derzeit verstärkt Abschiebungen statt. Für besondere Aufregung sorgen die Zwangsabschiebungen "gut integrierter" Flüchtlingsfamilien. Immer öfter werden Menschen in aller Früh aus ihren Betten gerissen und mit Zwischenstopps in der Schubhaft in Zuge von Sammelabschiebungen mit Charterflugzeugen außer Landes geschafft. So wurden auch zahlreiche Personen abgeschoben, deren Bleiberecht ganze Ortschaften forderten.
Die PolitikerInnen bleiben verschiedenster Beteuerungen zum Trotz in der Frage der Abschiebungen hart. Und es ist anzunehmen, dass sie bald die nächsten Pläne für weitere Verschärfungen aus der Schublade kramen. Am 22. Oktober 2007 kündigte Jörg Haider ein rigoroses Vorgehen bei Abschiebungen in Kärnten an. Im Falle von "rechtskräftig negativen Asylverfahren" sollen die Betroffenen zur freiwilligen Rückkehr in ihr Heimatland aufgefordert werden. Bei Weigerung drohe die unverzügliche Festnahme durch die Fremdenpolizei, die Verhängung der Schubhaft und die zwangsweise Abschiebung. Die Bundesregierung solle dahingehend "klare Erlässe" erlassen und die Fremdenpolizei dazu ermutigen, die geltenden Gesetze entsprechend zu vollziehen. Die Stoßrichtung ist klar: Menschen ohne gültigen Aufenthaltstitel sollen ohne Kompromisse außer Landes geschafft werden. Doch wurden auch schon Menschen, die über einen Aufenthaltstitel verfügen, zur "freiwilligen Ausreise" aufgefordert...
Bisher war es für Einzelne möglich einen halbwegs gesichtern Aufenthaltstitel zu erhalten. Doch die Spielräume wurden immer enger, grundlegende Verbesserungen nicht durchsetzbar, die Gesetze in den letzten Jahren immer wieder verschärft. Mit Inkrafttreten der letzten großen Fremden- und Asylgesetznovelle am 1.1.2006 wurde in das Leben von seit langer Zeit in Österreich lebender Menschen massiv eingegriffen und viele in Folge illegalisiert. Seither ist es selbst in Einzelfällen schwer, einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Dazu kommt, dass auf EU-Ebene die rücksichtslose Abschiebung "illegal aufhältiger Personen" beschlossen wurde und dies nun vor allem mittels Charterflugzeugen umgesetzt wird.
Die zum Teil sehr brutal und ohne Rücksicht durchgeführten Abschiebungen führten jedoch auch dazu, dass mehr und mehr Menschen die rassistischen Gesetze in Frage stellen. In zahlreichen Gemeinden bildeten sich UnterstützerInnengruppen und auch die Medien griffen einzelne Fälle auf. Manche Leute konnten zumindest eine vorübergehende Aufschiebung ihrer Abschiebung durchsetzen.
Doch oft halfen selbst Unterstützungserklärungen von BürgermeisterInnen und Landeshauptleuten nichts und die Abschiebebehörden hielten an den Ausweisungen fest. Argumentiert wurde dies mit der angeblichen "Verpflichtung", die Gesetze zu exekutieren. Wir nennen dies Rassismus!
Im vergangenen Jahr kam es immer wieder zu Protesten gegen die Abschiebepolitik, die meist nur regional für Aufmerksamkeit sorgten. Bei einer Demonstration gegen Abschiebungen am 6.10. in Frankenburg, OÖ, war dies anders. Das Medieninteresse war geweckt. Die Flucht der 15-jährigen Arigona Z. vor den Abschiebebehörden am 26. September brachte eine Welle der Unterstützung ins Rollen. Arigona erklärte in einem Brief, dass sie im Falle einer Abschiebung Selbstmord begehen würde und forderte die Rückkehr ihrer bereits abgeschobenen Geschwister und ihres Vaters. Die Mutter Arigona's durfte vorerst bleiben. Der Exekutive gelang es trotz großer Mühe nicht, den Aufenthaltsort Arigonas auszumachen. Nach ca. zwei Wochen kam sie aus ihrem Versteck und geht mittlerweile wieder zur Schule. Doch weder ihr Aufenthalt noch der ihrer Mutter ist gesichert. Derzeit versuchen die Behörden, die beiden zur "freiwilligen Ausreise" zu überreden. Die Mutter darf ihren Beruf nicht mehr ausüben und beide sind einer Zermürbungstaktik ausgesetzt. Doch sie kämpfen weiterhin für ihr Bleiberecht sowie die Rückkehr der bereits abgeschobenen Familienmitglieder.
Dennis M. protestierte öffentlich für sein Bleiberecht. Nachdem ihm dies von den SchreibtischtäterInnen nicht zugestanden wurde, rammte er sich als Protest gegen die drohende Abschiebung am Hauptplatz in Steyr, OÖ, ein Messer in den Bauch. Er überlebte den Selbstmordversuch und wurde inzwischen aus dem Spital entlassen. Am 20. Oktober 2007 fand in Steyr eine Kundgebung gegen die unmenschliche Abschiebepraxis statt, bei der sich ca. 300 Leute beteiligten.
Durch die breite Thematisierung in den Medien und die zunehmenden Proteste gerieten die PolitikerInnen in Zugzwang. Doch es kam nichts positives dabei heraus und das Innenministerium will trotz massiver Proteste an den Zwangsabschiebungen festhalten. So wurde berichtet, dass derzeit eine von langer Hand geplante "Aktion scharf" stattfindet, im Zuge dieser es zu hunderten Abschiebungen kommen soll. Lediglich in Einzelfällen, in denen der "Grad der Integration" ausreiche, seien Gespräche möglich. Das Innenministerium will dazu einen Kriterienkatalog erstellen, in dem zu berücksichtigende Gründe aufgelistet werden. Die Landeshauptleuten können diesen Kriterien für einzelne AsylwerberInnen beim Innenministerium intervenieren. Das letzte Wort bleibt aber beim Innenminister und seinen Beamten. Und diesen dürfte kaum bereit sein, von ihren Plänen Abstand zu nehmen.
In den vergangenen Wochen wurde öfters eine "Amnestie" für AsylwerberInnen gefordert, der Innenminister solle Gnade walten lassen. Doch geht es bei Abschiebungen vor allem um die Frage des politischen Willens. Und dieser ist klar auf Durchsetzung der rassistischen Zwangsmaßnahmen ausgerichtet. Deshalb erscheint eine grundsätzliche Änderung der gesetzlichen Lage erforderlich. Der Protest sollte sich neben der Verhinderung einzelner Abschiebungen vor allem auf die Systematik konzentrieren. Es geht nicht um eine "Reparatur" des Asylgesetzes, sondern um eine Abschaffung der rassistischen Sondergesetze für AusländerInnen. Denn Abschiebungen betreffen nicht nur "gut integrierte Familien". Die latent rassistische Gesellschaft macht vielen Leuten das Leben schwer. So stellt sich die Frage, wer die Abschiebepraxis und die sie reglementierenden Gesetze befürwortet. Denn diese werden immer zu so genannten "Härtefällen" führen.
Alle Menschen sollen gleiche politische und soziale Rechte haben - unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, sozialem Status und Geschlecht. Differenzierende Instrumente wie Schubhaft und Abschiebung, rassistische Gesetze und Praxen, können nicht verbessert sondern nur verhindert und abgeschafft werden. Sie sorgen dafür, dass Menschen rassistisch ausgegrenzt werden und andere davon profitieren. Rassismus liegt ihnen existenziell zu Grunde. Abschiebungen unmöglich zu machen und MigrantInnen aktiv zu unterstützen, ist praktische Solidarität und ziviler Ungehorsam gegen institutionalisierte Rassismen.