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Quellenangabe:
Der Tod aus der nichttödlichen Taser-Waffe (vom 23.11.2007),
URL: http://no-racism.net/article/2366/, besucht am 26.12.2024

[23. Nov 2007]

Der Tod aus der nichttödlichen Taser-Waffe

Wie ein Amateurvideo über einen Vorfall am Flughafen Vancouver zeigt, wurde wieder einmal ein Mensch ohne Not von der Polizei mit einer Elektroschockwaffe niedergestreckt - mit tödlichen Folgen.

Erst kürzlich wurde von :: Taser ein angeblich unabhängig erstellter Bericht veröffentlicht, nach dem die Elektroschockwaffen wirklich harmlos seien und keine Verletzungen, geschweige denn einen Tod verursachen sollen (:: Der neue Schlagstock). Jetzt hat der kanadische Sender CBC ein Video :: veröffentlicht, auf dem zu sehen ist, wie ein polnischer Immigrant von der Polizei festgehalten und getasert wurde - und daraufhin gestorben ist. Wenige Tage später ist ein weiterer Mann :: gestorben, der von der Polizei mit einer Taserwaffe überwältigt wurde. Nach anderen Berichten, wie solchen vom Amnesty International, ist die Verwendung von Elektroschockwaffen keineswegs ungefährlich (:: Tödliche "nichttödliche" Waffen).

Der :: Vorgang ereignete sich bereits am 14. Oktober 2007 am Flughafen Vancouver International. Aufsehen erregt er nun, weil die Szene von einem 25jährigen Augenzeugen - schon :: gefeiert als weiteres Exempel des BürgerInnenjournalismus - ausführlich mit einer Videokamera aufgenommen wurde. Paul P. übergab den :: Film der Polizei unter der Bedingung, dass er ihn innerhalb von 48 Stunden wieder zurückbekommen sollte. Die Polizei weigerte sich, den Film herauszugeben, angeblich müsse man den Vorfall noch genauer untersuchen. P. schaltete einen Anwalt ein, weil er das wohl berechtigte Gefühl hatte, dass man den Vorfall vertuschen wollte. Erst am Mittwoch erhielt P. den Film von der Polizei und verkaufte ihn dem kanadischen Sender, der ihn mit der Erlaubnis der Mutter des Toten auch auf der Website publizierte.

Die Polizei verteidigte sich am Mittwoch mit einer :: Presseerklärung, in der sie sagte, dass man den Film solange unter Verschluss halten wollte, bis seine Veröffentlichung die Durchführung der Untersuchung nicht mehr beeinträchtigen könne. Am Mittwoch, dem 7. November 2007, habe man das Video an den Anwalt übergeben. Den BürgerInnen wird versichert, dass alle beteiligten PolizistInnen unter Eid aussagen müssen und bei der Anhörung auch das Video mit berücksichtigt werde. Dale Care, der Sprecher der Polizei, :: versuchte allerdings das Video herunterzuspielen. Niemand könne allein mit dem Sehen des Videos beurteilen, was geschehen sei: "Das ist nur ein Beweisstück, die Sicht einer Person ... Ich fordere, dass diejenigen, die sich das Video ansehen, das festhalten, aber es dann zwischenzeitlich beiseite stellen und warten sollen, bis sie alle Beweisen zur Anhörung hören." Dem werden wohl aber nicht viele nachkommen, weil die Vorgänge zu offensichtlich sind.

Der Vorfall wird nicht nur noch einmal die Diskussion anstoßen, ob die angeblich nichttödlichen Elektroschockwaffen der Firma Taser wirklich so ungefährlich sind, schließlich wurden schon Hunderte von Todesfällen berichtet, die mit der Anwendung der Waffen zusammenhängen, auch wenn sie großen Teils wohl nicht direkt die Todesursache waren. Deutlich wurde auch einmal wieder, dass die angeblich harmlosen Waffen vor allem die Gewaltschwelle heruntersetzen. Weil die Elektroschockwaffen so verkauft werden, dass sie keine bleibenden Schäden hinterlassen und letztlich völlig ungefährlich seien, verwenden die Sicherheitskräfte sie auch dann, wenn sie in keiner Weise gefährdet sind. Häufig werden sie auch verwendet, um Personen zu strafen und zu demütigen (:: Elektroschockwaffen zur Disziplinierung; :: Wer nicht kuscht, wird getasert).

Peinlich für die vier Angehörigen der :: Royal Canadian Mounted Police (RCMP), die zur Überwältigung des unbewaffneten Mannes gerufen wurden und ohne Not die Elektroschockwaffe einsetzten, ist, dass der Film auch die gesamte Vorgeschichte zeigt. Bei dem Opfer handelt es sich um den 40jährigen Polen Robert Dziekanski, der bereits 10 Stunden vor seinem Tod von Deutschland kommend auf dem Flughafen gelandet war und aus unbekannten Gründen sich bis dahin in ihm aufgehalten hatte. Dziekanski, der kein Englisch spricht, wollte zu seiner Mutter, die nach Kanada ausgewandert war. Sie hatten als Treffpunkt die Gepäckausgabe ausgemacht, aber nicht gewusst, dass diese in einem sicheren Bereich liegt und von der BesucherInnenzone nicht eingesehen werden kann. Nach dem Anwalt der Mutter hatte den beiden niemand geholfen.

Der 10minütige Film beginnt damit, dass man Robert Dziekans, ganz offensichtlich verwirrt, in einem durch Glaswände abgetrennten Raum hin und her wandern sieht. Er nimmt einmal ein Tischchen, dann einen Stuhl in die Hand, bleibt unentschlossen an einer Türe zu dem Bereich stehen, wo sich der Junge mit der Kamera und andere aufhalten. Die Türe geht immer wieder auf und zu, die Menschen versuchen mit ihm zu reden, er reagiert nicht. Allgemein heißt es immer, dass er ein Russe sei und nichts verstehen könne. Eine junge Frau, die keinerlei Angst vor ihm zeigt, versucht mit ihm zu reden und ihn zu beruhigen. Irgendwann wirft er dann einen Computer zu Boden, das Tischchen an die Glaswand, als er sich wieder in den Raum zurückgezogen hatte. Sicherheitskräfte werden gerufen, sie blockieren die Türe. Dann kommen die vier Polizisten, gehen in den Raum, umringen den Mann, der jetzt ruhig wirkt, dann schießt einer der Polizisten grundlos mit der Taserwaffe auf ihn, kurz darauf folgt ein zweiter Schuss. P. und andere ZeugInnen :: sagten, sie seien entsetzt gewesen, wie schnell die Polizisten zur Elektroschockwaffe gegriffen hätten.

In der ersten :: Pressemitteilung hatte die Polizei mitgeteilt, dass der Tod des Mannes untersucht würde. Es seien drei Polizisten gekommen (auf dem Video sind eutlich vier zu sehen), die mit dem Mann versucht hätten zu sprechen (was gerade mal ein paar Sekunden gedauert hat). Der Mann sei gewalttätig und agitiert geblieben (auf dem Film wirkt er eher ruhig). Als er etwas vom Tisch nehmen wollte, habe man die Elektroschockwaffe benutzt. Auch am Boden sei er gewalttätig und habe um sich geschlagen (auf dem Video scheint dies die Folge des Schocks zu sein). Vom zweiten Schuss ist nicht die Rede. Die Polizisten hätten ihn festgehalten, er sei bewusstlos geworden und kurz darauf gestorben. Bei einer Autopsie wurden keine Hinweise auf die Todesursache gefunden. Spuren von Drogen oder Alkohol wurden nicht gefunden. CBC berichtet, die Polizisten hätten auch erklärt, kein Pfefferspray - das allerdings auch unnötig gewesen wäre - verwendet zu haben, weil sie andere Anwesende nicht beeinträchtigen wollten. Allerdings hatte sich alles in dem separaten Raum abgespielt, andere Menschen wären davon nicht betroffen gewesen.

Das Problem bei Taserwaffen war nie, dass sie nicht tatsächlich weniger tödlich oder harmloser sind als Schusswaffen, sondern vor allem der Kontext, in dem sie eingesetzt werden - und damit auch die Ideologie, mit der sie von dem Unternehmen und den Politikern und Sicherheitsbehörden propagiert werden, die sie als eine Art Wunderwaffe einkaufen.

Dieser Artikel von Florian Rötzer erschien zuerst am 16. Nov 2007 bei :: Telepolis, hier leicht bearbeitet von no-racism.net.