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Quellenangabe:
14. Dezember 2007 Graz: Demo gegen Repression und Rassismus (vom 09.12.2007),
URL: http://no-racism.net/article/2380/, besucht am 24.04.2024

[09. Dec 2007]

14. Dezember 2007 Graz: Demo gegen Repression und Rassismus

In letzter Zeit geht die Polizei in Graz mit repressiver Gewalt gegen antifaschistischen Widerstand vor. Am 22.11.2007 kam es bei einer Demonstration gegen das Treffen der FPÖ mit dem ebenfalls rechtsextremen Vlaams Belang zu mehreren Festnahmen und zwei Verhaftungen.

Ya Basta! Polizeirepression gegen AntifaschistInnen stoppen! Rassismus überwinden!


Die Polizei hatte am 22. November den TeilnehmerInnen des Treffens von FPÖ und Vlaams Belang den Weg freigeprügelt. Zwei AktivistInnen wurden verhaftet. In der zweitägigen Haft wurden den beiden die grundlegendsten Rechte verweigert. Ähnliche Szenen spielten sich im Mai dieses Jahres ab. Die Polizei ging bei H.C. Straches Auftritt an der Uni Graz mit Brutalität gegen AntifaschistInnen vor. Auch dort gab es Festnahmen.

Es geht nicht nur darum, dass rechtsextreme Propaganda im Grazer Wahlkampf allgegenwärtig ist. Immer offener wird in Alltag und Politik rassistische und faschistoide Hetze verbreitet, geschützt von Polizei und Staatsanwaltschaft. Übergriffe von Seiten der Polizei gegen MigrantInnen und sogenannte "Randgruppen" gehören schon längst zur akzeptierten Normalität. Gleichzeitig wird antifaschistischer Widerstand kriminalisiert.

Aus dem Aufruf der Antifa Graz: Uns reichts! Wir lassen uns nicht einschüchtern! Wir lassen uns den Widerstand gegen den rassistischen Normalzustand und den Kampf für eine bessere Welt nicht verbieten.

Demonstration:
Freitag, 14. Dezember 2007, 15 Uhr, Südtiroler Platz / Graz




Graz: Gewalt und Repression gegen AntifaschistInnen


Aussendung von MayDay Graz vom 04. Dez 2007

Mehr als 100 Menschen protestierten am 22. November in Graz mit einer Blockade gegen eine Veranstaltung von FPÖ und Vlaams Belang. Die Polizei nahm einige TeilnehmerInnen vorübergehend fest und verhaftete zwei AktivistInnen unter fragwürdigen Umständen. Während der zweitägigen Haft wurden die Grundrechte der Festgenommenen massiv verletzt, beide werden nun wegen "Widerstands gegen die Staatsgewalt" und "schwerer Körperverletzung" angeklagt.

Demo am 22.11.: "Wir sind friedlich" was seid ihr?"

Zur Veranstaltung hatte die Grazer FPÖ Andreas Mölzer, Filip Dewinter vom belgischen Vlaams Belang als Nachfolger des aufgelösten Vlaams Blok und die deutschen RechtsextremistInnen von "pro Köln" eingeladen: als Schritt zur Bildung einer "Internationale der Nationalen", wie es in der Ankündigung hieß. Nach öffentlichen Protesten wurde das Treffen vom "Heimatsaal" des Joanneums in den "Gothensaal" der Sängerschaft Gothia verlegt, wo sich die DemonstrantInnen kurz vor Beginn der Veranstaltung mit Sprechchören wie "Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda" einfanden. Mit Transparenten und Menschenketten wurden die Eingänge kurzerhand blockiert, so dass Gerhard Kurzmann und Susanne Winter vorerst vor verschlossenen Türen standen. Schließlich drängte Einsatzpolizei die DemonstrantInnen unter Einsatz von Schlagstöcken zurück, um einen Korridor für das rechtsextreme Publikum zu schaffen. Trotz ständiger Übergriffe durch die Polizei und Verletzungen blieben die DemonstrantInnen dabei, gewaltfrei zu blockieren.

Verhaftung - Isolation - Grundrechte verweigert

Als PolizistInnen erneut gegen die Demonstration vorgingen, wurden zwei TeilnehmerInnen gezielt herausgegriffen und zu Boden geworfen. Beide waren der Polizei seit Jahren als politische AktivistInnen, auch in Verbindung mit Mayday, bekannt. Bei der Festnahme legte die Polizei völlig überzogene Härte an den Tag, als z.B. eine Festgenommene die Beamten aufforderte, kurz zu warten, um ihren Schuh wieder anzuziehen, fuhr ein Beamter sie an: "Den Schuh brauchst du nicht mehr!"
Was danach folgte, war eine systematische Missachtung der grundlegendsten Rechte. Laut Gesetz muss die Polizei den Betroffenen nämlich den Festnahmegrund sofort mitteilen und ihnen Telefonate mit Rechtsbeständen und Vertrauenspersonen ermöglichen. Doch schon in den Wachzimmern verweigerten die Beamten ausdrücklich geforderten Vertrauenspersonen den Zugang. Trotz ständiger Nachfragen wurde den beiden der Grund für die Festnahme nicht genannt. FreundInnen, die sich nach ihrem Aufenthaltsort erkundigten oder sich als Vertrauenspersonen anboten, erhielten entweder gar keine oder falsche Auskünfte. Auch nachdem die DemonstrantInnen ins Polizeianhaltezentrum gebracht worden waren, sagte ihnen die Polizei den Grund der Verhaftung nicht. Erst im Laufe des nächsten Tages, 16 Stunden (!) nach der Festnahme, wurde ihnen der Vorwurf "Widerstand gegen die Staatsgewalt" und "schwere Körperverletzung" genannt. Ebenso verweigerte ihnen die Polizei ab dem Zeitpunkt der Haft die Verständigung eines Rechtsbeistandes sowie Telefonate mit Vertrauenspersonen. O-Ton: "Für diese Leute gibt es keine Telefonate." Lediglich in einem Fall war ein kurzes Gespräch mit der Familie möglich, allerdings war es dabei der Aktivistin nur erlaubt zu sagen, wo sie sich aufhielt und dass sie nicht verletzt war. Das Gespräch mit der Anwältin wurde ihr erst nach 14 Stunden (!) gestattet.

Dafür wollte die Polizei eine ED-Behandlung einschließlich einer DNA-Analyse vornehmen: Beide reagierten darauf mit passivem Widerstand. Während so die Abnahme der Fingerabdrücke nicht möglich war, setzten die BeamtInnen die DNA-Analyse mit Gewalt durch. Am Freitag Nachmittag beantragte der zuständige Staatsanwalt dann Haftbefehl wegen "Verdunkelungsgefahr", da die DemonstrantInnen die Aussage vor der Polizei verweigert hatten, und ließ sie in die Justizanstalt Jakomini überstellen.

Dort leisteten PolizeibeamtInnen noch einen letzten Beitrag, um die Umstände der Haft so unangenehm wie möglich zu gestalten, indem sie der Justizwache erzählten, an welchen politischen Aktionen sich zumindest eine Aktivistin beteiligt hatte und wie sehr sie immer "Stimmung" gegen die Polizei betrieben habe… Samstag Mittag hob der Untersuchungsrichter die Haft schließlich auf, nachdem beide AktivistInnen eine Aussage gemacht hatten. Der Staatsanwalt hatte den Haftbefehl trotz der Aussagebereitschaft aufrechterhalten.

Noch mehr fragwürdige Umstände

Nicht nur die Weigerung der Polizei, den Haftgrund zu nennen und das Bemühen, die Verhafteten zu isolieren, lassen diese Polizeiaktion fragwürdig erscheinen, auch andere Umstände erscheinen merkwürdig: So wurden DemonstrantInnen, die sich im vorderen Teil beteiligten, zwar brutal behandelt, teilweise auch verletzt und herausgezogen, aber nicht festgenommen. Die verhaftete Aktivistin hingegen stieß erst am Ende des Polizeieinsatzes überhaupt zur Blockade, die insgesamt über 20 Minuten dauerte; nur kurz nachdem sie dort angekommen war, kreiste die Polizei sie und den zweiten Aktivisten gezielt ein. Das, was die Polizei ihnen vorwirft, nämlich ständig gegen die Polizeiketten angerannt zu sein und einen Polizisten am Daumen verletzt zu haben, können sie aufgrund der dichtgedrängten Menschenmenge dort gar nicht getan haben.

Seltsam ist auch, dass die Polizei aus der ganzen Menge an DemonstrantInnen außer den beiden noch einen weiteren jungen Burschen herausgriff, der "nussgroße Steine", Alulaschen und eine Steinschleuder bei sich hatte, eine doch bemerkenswerte "Treffsicherheit", da während der ganzen Demonstration nichts geworfen wurde, es flog nichts, nicht einmal ein Plastikbecher. Im Gegensatz zu den anderen AktivistInnen konnte der junge Mann am selben Abend wieder gehen: Die Fotos seiner Wurfgeschosse wurden allerdings der Strafanzeige gegen die beiden beigefügt, und nicht nur das: In einer Presseaussendung schickte die Polizei dieses Foto an sämtliche Grazer Medien und brachte es implizit in Zusammenhang mit den beiden Verhafteten, die den Besitzer der Gegenstände nicht einmal kannten.

So nicht!

Was immer am Abend des 22.11. genau passierte – es war ganz offenbar die Antwort der Grazer Polizei auf antifaschistischen Widerstand, der den Behörden zu lautstark, zu präsent geworden ist. Eine brutale und repressive Antwort, die uns zornig und betroffen macht! Deshalb: Ein Danke an alle, die trotz der Falschinformationen der Polizei nicht aufgegeben haben, weiterhin versuchten, mit den beiden AktivistInnen Kontakt aufzunehmen und die auf eindrucksvolle Weise Solidarität zeigten, so dass die Taktik der Polizei, den einen das Gefühl zu geben, sie seien allein, und den anderen, die Verhafteten wollten nichts mit ihnen zu tun haben, nicht aufging. Deshalb aber auch: Wir bitten weiterhin um Solidarität und Unterstützung! Zum einen ist die Anklage schwerwiegend. Zum anderen ist es umso wichtiger, zu zeigen, dass notwendiger Widerstand gegen Rassismus und Neofaschismus sich durch solche Methoden nicht unterdrücken lässt!