Quellenangabe:
'Asylgerichtshof' - Einschränkung der Rechte (vom 10.12.2007),
URL: http://no-racism.net/article/2382/,
besucht am 21.11.2024
[10. Dec 2007]
Am 05. Dez 2007 hat der Nationalrat in Österreich trotz massiver Kritik die Einführung eines Asylgerichtshofes beschlossen. Dokumentation einer kritische Stellungnahme von NGO's und Audioberichten zum Thema.
Ab Juli 2008 soll der Asylgerichtshof die bisherige Berufungsinstanz, den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) ersetzen. Gleichzeitig wird mit der Einführung des neuen Gerichtshofes die Möglichkeit der Berufung bei Verwaltungsgerichtshof (VwGH) abgeschafft. Damit sollen in Zukunft Asylverfahren "beschleunigt" werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass diese Änderung dazu dient, in Zukunft noch weniger Menschen Asyl zu gewähren.
"Abschiebung ohne Widerspruch. So könnte es bald in Österreich aussehen. Das Parlament hat nun beschlossen, einen Asylgerichtshof einzuführen. Damit sollen Asylverfahren wesentlich schneller abgeschlossen werden. Aktuell besteht dort Handlungsbedarf, weil Asylbewerber(Innen) oft mehr als zehn Jahre auf eine Entscheidung warten müssen. Das kann und wird sich wahrscheinlich mit der Errichtung des Gerichts ändern, allerdings auf Kosten der Rechtstaatlichkeit. Asylbewerber(Innen) und Flüchtlinge sind dann möglicherweise dem ungeschriebenen Gesetz "Der Stärkere Gewinnt" ausgeliefert, denn das neue Asylgericht hat eine sehr weite Handlungsbefugnis. Gegen diesen Asylgerichtshof laufen Organisationen wie die Initiative "Mehr Demokratie Österreich" Sturm. Michael Handel von Radio Corax sprach mit Dietmar Köhler von der Initiative "Mehr Demokratie Österreich"."
Der Audiobericht (4:47 min) als mp3 auf :: freie-radios.net.
Anlässlich des Tages der Menschenrechte am 10. Dezember lud SOS-Menschenrechte Österreich am 9. Dezember 2007 zu einer Diskussion und Kunstauktion in die Landesgalerie Linz ein.
"Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um das restriktive Fremdenrecht und Abschiebungen langzeitintegrierter AsylwerberInnen stellt sich die Frage nach dem Umgang mit Fremden in Österreich.
Österreich ist historisch und gegenwärtig ein Einwanderungsland. Dies stellt auch der neue Migrations- und Integrationsbericht fest. Vor diesem Hintergrund steht die politische Kultur, die sich in auch in den Fremdengesetzen in Österreich manifestiert, und die Verträglichkeit mit den Menschenrechten auf dem Prüfstand."
Der Audiobeitrag ist ein Mitschnitt der Podiumsdiskussion mit VertreterInnen von NGO's, WissenschafterInnen und Insitutionen. Neben der aktuellen Bleiberechtsdebatte am Beispiel des bekanntesten Falles, Arigona aus Frankenburg in Oberösterreich, wird auch der Asylgerichtshof kritisiert. Ein Diskutant sagte, positives sei an dieser Instanz nichts zu sehen. Schon das Zustandekommen des Gesetzes ohne Begutachtunsverfahren sei fraglich. Mit dem Beschluss werden die Verfassung abgeändert und das Rechtsschutzsystem beschnitten. Die Problematik der lang dauernden Asylverfahren sei zum Anlass genommen worden, den Rechtsschutz in diesem Bereich sehr bedenklicherweise einzuschränken. Angesichts der aktuellen Entwicklungen beim Asyl- und Fremdenrecht sei kein Optimismus angebracht. Lediglich entsprechender Druck aus der Gesellschaft könne zu einer positiven Änderung führen.
Die Mehrheit der DiskutantInnen vertrat die Meinung, dass es zu einer postiven Änderung kommen könnte. So wurde auf den Widerstand in zahlreichen Gemeinden hingewiesen, wo die Bevölkerung den Kampf für Bleiberecht von Familien unterstützt. Diese Fälle sorgten für große Aufmerksamkeit.
Es wurden zwar viele Themen angesprochen, grundsätzliche Kritik am Staatsrassismus wurde im Rahmen der Podiumsdiskussion jedoch nicht geäußert. Der Audiomitschnitt (89 min) findet sich als mp3 auf :: cba.fro.at.
Gemeinsame Stellungnahme von amnesty international Österreich, der asylkoordination Österreich, der Diakonie, dem Verein Projekt Integrationshaus, SOS Mitmensch und der Volkshilfe, veröffentlicht am 25. November 2007, also noch vor der Beschlussfassung durch den Nationalrat:
Die gemeinsame Stellungnahme zum 'Asylgerichtshof' umfasst 25 Seiten (:: download als pdf). Im Folgenden das Inhaltsverzeichnis und die einleitenden Bemerkungen sowie die gesamte Stellungnahme als pdf zum Download.
Inhalt
I. Gegenstand der BVG-Novelle
II. Kritikpunkte
1. Mogelpackung 'Gericht' - zweifelhafte Unabhängigkeit
2. Wurzel der Verfahrensdauer liegt anderswo
3. Rechtsschutz massiv eingeschränkt
4. Grundsatzentscheidung - Einseitiger Zugang zum VwGH
5. Rechtsschutz 'zweiter Klasse' für Asylverfahren
6. Verfahrens- und Organisationsrecht ungeklärt
7. Umgehung des Begutachtungsverfahrens
III. Anhang - Gegenüberstellung UBAS - Asylgerichtshof
Einleitende Bemerkungen
Angesichts des gänzlich fehlenden Begutachtungsverfahrens und einer angemessenen Frist zur Analyse des Entwurfs kann diese Stellungnahme nur eine schnelle, erste Analyse der bis dato vorliegenden Grundsatz-Bestimmungen zum 'Asylgerichtshof' darstellen. Eine in einem seriösen parlamentarischen Prozess für die angeführten Organisationen - insbesondere bei menschenrechtlich derart bedeutsamen Gesetzesmaterien selbstverständliche - in Breite und Tiefe umfassende Gesetzesbegutachtung ist angesichts dieser Rahmenbedingungen nicht möglich.
Darüber hinaus lagen konkrete Textentwürfe zur Umsetzung in organisatorischer und verfahrensrechtlicher Hinsicht bis zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieser Stellungnahme nicht vor, sodass die Auswirkungen der Novelle in ihrer Gesamtheit zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden können.
Die Kritikpunkte der beiliegenden Stellungnahme bleiben von der zuletzt in den Medien kommunizierten Änderung durch Streichung der einfachgesetzlichen Zuweisung weiterer Verwaltungsmaterien und eine geringfügige Umdeutung des 'Antragsrechts' des Innenministeriums gänzlich unberührt.