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Quellenangabe:
Pabneukirchen - Zentrum des neuen Widerstands (vom 10.12.2007),
URL: http://no-racism.net/article/2383/, besucht am 20.04.2024

[10. Dec 2007]

Pabneukirchen - Zentrum des neuen Widerstands

Wie einem Dorf im Mühlviertel der Kragen platzte. Die PabneukirchnerInnen machen klar: Wir lassen unsere AsylwerberInnen nicht abschieben. Eine Geschichte vom Land.

Nein, das macht echt keinen Spaß mehr. Ich hätte wirklich etwas Besseres zu tun, als mich mit der Politik zu streiten!" Robert Zinterhof, Hauptschullehrer und Mitarbeiter des Regionalblattes Mühlviertler Rundschau, weist jeden Verdacht, dass Widerstand gegen die herrschende Ausländerpolitik auch einen "Fun-Faktor" hätte, brüsk zurück.
Um dann noch nachzusetzen: "Ich habe ohnehin schon einen zu hohen Blutdruck." Robert Zinterhof gehört einer jener Gruppen an, die sich für den Verbleib integrierter AsylwerberInnen in ihren Orten einsetzen.

Seit geraumer Zeit machen diese Gruppen es Politik und Behörden fast unmöglich, die restriktiven Asylgesetze mit der beabsichtigten Härte zu vollziehen. Gerade in Oberösterreich gibt es eine Vielzahl solcher BürgerInneninitiativen, die sich meist um eine von der Abschiebung bedrohte Familie scharen und alles versuchen, um für "ihre AsylwerberInnen" eine dauernde Aufenthaltsberechtigung zu erwirken. Aber die Gruppe, der Zinterhof angehört, sticht aus dieser Vielzahl von Gruppen heraus.

Ihr Aktivitätslevel ist un-vergleichlich höher und auch die Beherztheit ihrer Aktionen sucht ihresgleichen. Somit ist die Gruppe aus dem 1726-Seelenmarkt Pabneukirchen auch zum Vorbild ähnlicher Gruppen geworden, oder, wie es SPÖ-Landtagsabgeordnete Gerti Jahn ausdrückt: "Pabneukirchen ist das Zentrum des Widerstands gegen die Asylpolitik der Bundesregierung." Grund genug um nachzufragen, weshalb gerade in dieser Ecke des Mühlviertels gelingt, was andernorts so oft zu scheitern scheint: dass sich ein ganzer Ort hinter "seine" AsylwerberInnen stellt, und drauf und dran ist, Politik und Verwaltung in die Knie zu zwingen.

Zur Vorgeschichte Xhafer Malokaj floh 2002 aus dem Kosovo. Seine Existenzgrundlage war durch den Krieg zerstört, Familienmitglieder getötet. In Pabneukirchen fand der gelernte Fleischer Arbeit in der ortsansässigen Fleischhauerei und bald darauf konnte auch die Frau mit den drei Kindern nachkommen. Nun wandte sich das Glück wieder der vor Krieg und Verfolgung geflohenen Familie zu. Alle drei Kinder wurden der Reihe nach in der Volksschule eingeschult, was letztere vor der Schließung einer Klasse bewahrte; der Vater machte eine bescheidene Karriere in der Fleischhauerei und stieg zum Vorarbeiter auf; die Mutter lernte Deutsch und fand Anschluss in der kleinen Gemeinde.

Kurz: Die Integration der Familie schritt voran und ihr Asylantrag ging von Instanz zu Instanz. Doch im Juli 2006 waren alle Rechtsmittel ausgeschöpft, und die Bezirkshauptmannschaft Perg wurde mit der Abschiebung der Familie in den Kosovo beauftragt. Nachdem alle Interventionen im Innenministerium und auf politischer Ebene nichts gefruchtet hatten, entschlossen sich einige Freunde der Familie dazu, die Öffentlichkeit zu informieren. Robert Zinterhof veröffentlichte in der Mühlviertler Rundschau einen Arztbericht, in dem nachzulesen ist, dass die Mutter Antigone Malokaj selbstmordgefährdet ist.

Die traumatisierte Frau will auf keinen Fall dahin zurück, wo Bekannte und ihre Mutter ermordet worden waren. Frau Malokaj wurde Opfer jener Bestimmung, die es AsylwerberInnen nicht erlaubt, ihre Aussage, die sie in der ersten Instanz tätigten, zu ergänzen. Da sie vor der Erstinstanz den Tod von Familienangehörigen nicht zu Protokoll gegeben hatte und ihre Traumatisierung nicht erkannt worden war, waren diese Umstände im weiteren Verfahren nicht existent. Der Bericht erschien vor dem erwarteten Abschiebungstermin.

Bezirkshauptmann Heinz Steinkellner setzte, alarmiert von der Selbstmordgefahr Antigone Malokajs, die Abschiebung auf unbestimmte Zeit aus, und Frau Malokaj wurde für eine Woche in das psychiatrische Krankenhaus Wagner- Jauregg in Linz eingewiesen. Bezirkshauptmann Steinkellner versprach der Familie, dass sie solange nicht abgeschoben werde, solange der Vater eine Arbeitsgenehmigung besitze. (Diese läuft im Übrigen im Dezember 2007 aus.) Briefe ans Christkind Die dadurch gewonnene Zeit nützen nun die PabneukirchnerInnen, um sich verstärkt für den Verbleib der Familie einzusetzen.

Der Gemeinderat beschließt einstimmig eine Resolution an das Innenministerium, in der er sich für ein Bleiberecht ausspricht. In einer Pressekonferenz bezeichnet ÖVP-Bürgermeister Johann Buchberger seinen Parteifreund Innenminister Günther Platter als Sturschädel. Die Volks- und Hauptschüler wenden sich an über tausend Briefen an das "Christkind", mit dem Wunsch, dass die Familie Malokaj in Österreich bleiben darf. Auf den Kuverts dieser Briefe steht als Bestimmungsort aber nicht "Himmel", sondern die Adresse des Bundespräsidenten, des Bundeskanzlers, des Vizekanzlers und zahlreicher anderer PolitikerInnen.

Bundeskanzler Alfred Gusenbauer genießt die besondere Aufmerksamkeit der Pabneukirchner Bürgerinnen und Bürger. 100 Tage hindurch bekommt er jeden Tag ein Mail oder einen Brief in der "Sache Malokaj". Weihnachtskarten, die einen abgebrannten Christbaum zeigen, mit dem Text: "So sieht es in meinem Herzen aus, wenn die Familie Malokaj abgeschoben wird." werden verschickt. Insgesamt verlassen in dieser Causa innerhalb eines Jahres etwa 8000 Briefe und Mails Pabneukirchen, und die BürgerInneninitiative lässt sich immer etwas Neues einfallen, um die mediale Öffentlichkeit und die verantwortlichen PolitikerInnen und BeamtInnen nicht zur Ruhe kommen zu lassen.

Am Ende: ernstgenommen Die Aktion mit den Weihnachtskarten hatte für Robert Zinterhof auch ein berufliches Nachspiel. Die Schulbehörde "überprüfte“, ob er zu Brandstiftung und "Schülerselbstmord“ aufgerufen habe. Das konnte Zinterhof abschmettern. Er berief sich auf den Lehrplan, dem gemäß die SchülerInnen mit der literarischen Form des Inneren Monologs vertraut gemacht werden sollen. Die Postkarten seien so ein Innerer Monolog gewesen. Der Lehrer sieht hier einen jener Versuche, die BürgerInneninitiative einzuschüchtern.

Der Umgang der Politik mit der Initiative verlief in drei Phasen: Zuerst wurde den PabneukirchnerInnen versprochen, eine individuelle Lösung für die Familie zu finden. Vorbedingung sei aber, dass sich alle ruhig verhielten und nicht an die Öffentlichkeit gingen. In der zweiten Phase wurde über mancherlei Kanäle Druck ausgeübt, und nun sei man in der dritten Phase angelangt: Die AktivistInnen werden von der Politik ernst genommen. Damit ist die Zeit standardisierter Antworten vorbei, auf Briefe und Mails wird inhaltsbezogen geantwortet und gewünschte Kontakte (auch zu Mitgliedern der Bundesregierung) werden hergestellt.

"Eine Ausnahme“ so wendet Zinterhof einschränkend ein, "bildet das Büro von Innenminister Platter. Hier wird immer noch gemauert.“ Hinter den Kulissen wurde auch schon an einer Einzellösung für die Familie Malokaj gearbeitet. Dem Vater, Fleischhauer- Vorarbeiter, sollte irgendwie der Status als "Schlüsselarbeitskraft“ zuerkannt werden. Ein Unterfangen, das allerdings an dem dafür vorgeschriebenen Mindestgehalt von 2.400 Euro scheiterte.

Ziel der BürgerInneninitiative ist aber mittlerweile nicht nur der Verbleib der Familie Malokaj, sondern sie will eine Art Präzedenzfall schaffen, auf den sich andere integrierte AsylwerberInnen berufen können.

Dieser Bericht von Andi Wahl wurde zuerst in :: Moment #09 veröffentlicht. Andi Wahl, Bauarbeiter und Kulturaktivist, ist Sprecher des Integrationskreises Niederneukirchen in Oberösterreich. Foto von Robert Zinterhof.