Quellenangabe:
Zorniger Protest gegen die Unpolitik (vom 28.01.2008),
URL: http://no-racism.net/article/2431/,
besucht am 25.11.2024
[28. Jan 2008]
Ein Bericht von den antifaschistischen Protesten gegen den Ball des WKR in der Wiener Hofburg.
Der rassistische Alltag einer österreichischen Politik der Diskriminierung, Ausgrenzung, Deportation und Mord brachten heute Nacht (26.01.2008) den antifaschistischen Protest zum kochen. Bei Aktionen gegen die jährliche Feier der rechtsextremen Burschenschaften wurde versucht diese zu stürmen. Nach dem die Polizei mit Gewalt den direkten Protest verhinderte, brach eine Spontandemo auf, Barrikaden wurden aufgebaut, Feuer gelegt, Banken und Konzerne entglast, ein Polizeirevier angegriffen.
Zur Vorgeschichte wäre an dieser Stelle einiges zu sagen, um den Kontext zu verstehen, welches das Entstehen dieses - für Wien ungewöhnlichen - Ausbruchs eines derart zornigen Protests verständlich machte. Die Politik in Österreich, wie auch in der EU allgemein fährt schon seit längerem eine tödliche Schiene des Rassismus, bei gleichzeitiger Kolonialisierung vom Rest der Welt, was sich auch Globalisierung bzw. "Festung Europa" nennen mag. Es sei an dieser Stelle auf einen Artikel verwiesen, welcher kürzlich auf at.indymedia erschien und die Entwicklung sowie Tendenz der Unpolitik übersichtlich dokumentiert: www.at.indymedia.org/node/9196
Hunderte AktivistInnen sammelten sich gegen Mitternacht Nähe Burgring, um zur Hofburg zu gelangen, wo sich die rechtsextreme Ideologie zu ihrer jährlichen Feier der deutschnationalen Burschenschaften befand. Es gab bereits im Vorfeld eine intensive Informierung über die Bedeutung und Gefahr dieser Zusammenrottung vom äußerst rechten Rand, über die FPÖ bis hin zum bodenständigen Bürgertum. So eilten jene Hunderte von Menschen durch den Park vor die Hofburg, die ihre politische Verantwortung des Antifaschismus ernst nehmen mussten. Vor Ort angekommen, flogen Feuerwerkskörper, Steine und Flaschen in Richtung der rechtsextremen Weihe. Nach mehreren Versuchen die Polizeisperrung zu durchbrechen, um in die Hofburg zu gelangen, wurde dieser jedes Mal mit Polizeiknüppeln zurück geschlagen und unmöglich
gemacht.
Es lag jedoch in der Luft, dass man so nicht nachhause gehen konnte. Viel zu viel war in den letzten Jahren an Unpolitik passiert.
Spontan bildete sich eine Demonstration und blockierte zunächst den Ring, die ersten Barrikaden wurden aufgebaut und angezündet. Die Clown-Armee, welche mittlerweile durch ihre kreativen Aktionsformen ein Name ist, begann den verwirrten Auto-Verkehr zu regeln.
Ab dann ging es flott weiter; die erste "Bank Austria" wurde an der Ecke Getreidemarkt demoliert (Bank Austria schien die ganze Zeit das beliebteste Ziel zu sein, wohl wegen dem bezeichnenden Namen und des akkumulierten Kapitals). Die Demo zog durch die Einkaufsmeile Mariahilfer, wo sie sich kurz in zwei Demos aufteilte und sich später teilweise wiederfand. Wiederholt wurden Strassen verbarrikadiert, Feuer gelegt. Ein Stein, der seine Richtung verfehlte, schlug in die Fenster eines chinesischen Restaurants ein, woraufhin AktivistInnen hineingingen, um sich zu entschuldigen. Ansonsten waren es durchgängig Gebäude von Banken und Konzernen, mit Vorliebe österreichische, die attackiert wurden. Auf der Gumpendorferstrasse wurde das Polizeirevier angegriffen und dessen Scheiben mit Parolen wie "Antirassismus wird Praxis werden, Feuer und Flamme den Abschiebehörden" zertrümmert. In dieser Stimmung ging es durch die Strassen Wiens. Die Demo nahm immer wieder Abkürzungen und blieb stets in Bewegung, sodass es für die Polizei unmöglich war, diese zu verfolgen oder gar einzukesseln. Das Ziel, zum Burschenschaftsgebäude "Olympia" zu gelangen, konnte nicht erreicht werden, weil davor bereits etliche Polizeieinheiten der Demo auflauerten. So musste sich diese auflösen. Festnahmen sind bis dato keine bekannt.
Sobald das Ausmaß vom Schaden bekannt wird, werden spätestens übermorgen die ersten Zeitungen die "Chaotengewalt" zelebrieren. Die bürgerliche Rechte wird die Frage der "Gewalt von Links" stellen, um so die Brutalität des herrschenden Rassismus zu relativieren. Diese Propaganda wird sich über Umwege bis in den antirassistischen,
antifaschistischen Diskurs selbst hineintragen, man wird sich die Frage stellen, ob der Protest nicht übertrieben war. So funktioniert jedenfalls das Spiel dessen, was heute Nacht bekämpft wurde.
Die Metapher, welche in Wien nun keine mehr ist, lautet: "Wenn Scheiben klirren dann schreit ihr, wenn Menschen sterben dann schweigt ihr!" Es ist der Zynismus der herrschenden Unpolitik, welche auf der einen Seite die Gewalt par excellence repräsentiert, eine ökonomische, rassistische, sexistische Klassengesellschaft errichtet, tagtäglich den Ungenießbaren Ekel propagiert und produziert, Menschen in Schubhaft steckt, abschiebt, tötet und sich dann noch das Recht nimmt, die Legitimität des Antifaschismus, welche angesichts dieser Situation mit allen berechtigten Mitteln handeln muss , sarkastisch die Gewaltfrage zu stellen. Genau diese Bewegung, welche heute Nacht auftauchte, zeigte mit ihrem vielfältigen und entschlossenen Protest überhaupt erst die Möglichkeit einer gewaltfreien Gesellschaft auf, indem sie das paradoxiert, was das Fundament der Gewalt bedeutet: den Staat, das Kapital und seine Rechtextreme.
Noch eines war der Stimmung zu entnehmen: Der Protest gegen das Unerträgliche unserer Gegenwart und der Versuch eines Besseren werden sich fortsetzen, auf dass ein anderes, solidarisches und freundliches Miteinander sich ermögliche.
Dieser Bericht (inkl. Kommentar) wurde uns mit der Bitte um Veröffentlichung zugeschickt.