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Quellenangabe:
Katzhütte: Emanzipatorische Flüchtlinge (vom 08.03.2008),
URL: http://no-racism.net/article/2469/, besucht am 19.04.2024

[08. Mar 2008]

Katzhütte: Emanzipatorische Flüchtlinge

Katzhütte ist eine kleine idyllische Gemeinde am Rande des Thüringer Waldes. Doch der Schein scheint zu trügen. Vor 1 ½ Wochen veröffentlichten die BewohnerInnen der Gemeinschaftsunterkunft Katzhütte eine Erklärung über die bestehenden Bedingungen in ihrem Heim.

Neben Schimmel und begrenztem Zugang zu warmem Wasser und Kochmöglichkeiten müssten sie nach eigenem Schildern herabwürdigende Behandlungen ertragen. Außerdem hätten sie kaum Geld zur Verfügung, nicht einmal um mit ihren Kindern zum Arzt zu fahren, weil ihnen die Sozialhilfe ausschließlich in Essensgutscheinen ausgezahlt würde. Ein aktueller Situationsbericht:


Unterstützung durch die Organisation "The Voice"


Mit Unterstützung des Flüchtlingsforums "The Voice" hatten die BewohnerInnen :: einen Text veröffentlicht, der ihre Lebenssituation beschreibt: Die Flüchtlinge beklagen die völlige Isolation, in der sie leben. Die Verkehrsanbindung zum nächst größeren Ort sei schlecht.

Außerdem sei die Behandlung seitens der BetreiberInnen menschenunwürdig: So stellten ihnen die HeimleiterInnen als Kollektivstrafe schon mal das Wasser in der Küche ab. Weder ausreichend Seife noch Toilettenpapier sei den Menschen zur Verfügung gestellt worden. Nicht länger wollen sie in den verwahrlosten und verschimmelten Hütten leben. Ihre zentrale Forderung: die Schließung der Unterkunft. Weiter heißt es in der Erklärung: "Wir, das sind um die 35-40 Einzelpersonen (jung und alt) und mehrere Familien aus aller Welt, die völlig isoliert, ohne jeglichen Kontakt zur deutschen Gesellschaft in einer Gemeinschaftsunterkunft in Katzhütte leben. Katzhütte ist ein kleines Dorf im Thüringer Wald, 1h30 Minuten mit dem Zug entfernt von Saalfeld. Wir und unsere Kinder werden hier wie Kriminelle behandelt, obwohl wir keine sind. Wir leben wie in einem Gefängnis weggesperrt, nur weil wir Asylbewerber sind. Von 17.00 bis 8.00 stellt die Heimleitung uns das warme Wasser für die Dusche ab und nach 16.00 Uhr dürfen wir die Gemeinschaftsküche nicht mehr benutzen. Wir bekommen von der Heimleitung weder Seife noch Toilettenpapier, obwohl sie verpflichtet wären uns selbiges auszuhändigen. Unsere Schlafräume befinden sich in einem sehr schlechten Zustand."


Angeschimmelte Wände, heruntergekommene Hütten


Es seien alte heruntergekommene Hütten, gebaut aus Karton und Faserplatten, heißt es weiter in der Erklärung. In den Hütten rieche es muffig, weil die Wände angeschimmelt seien. Die Flüchtlinge haben Angst, dass sich das auf ihre Gesundheit auswirkt. In Katzhütte gibt es den Flüchtlingen nach keine Möglichkeit einen Deutschkurs zu besuchen bzw. anderweitig die deutsche Sprache zu erlernen. Deshalb sprechen die meisten von ihnen kein Wort deutsch. So bräuchten sie immer irgendjemanden, der die Briefe von der Ausländerbehörde oder dem Doktor übersetzt. Seit Januar 2008 bekämen sie ihre Sozialhilfe nur noch in Form von Gutscheinen ausgehändigt. "Wir bekommen gar kein Bargeld mehr und die monatliche Summe wird nicht auf einmal ausgezahlt. Mit den Gutscheinen können wir nur in einem bestimmten Supermarkt Lebensmittel einkaufen." Dieser Supermarkt gehört der Tegut Kette an und ist einer der teuersten Supermärkte von Deutschland, so dass die Sozialhilfe meist nur für eine Woche reicht. Um sich aus Katzhütte weg zu bewegen, müssten die BewohnerInnen einen Urlaubsschein bei der AusländerInnenbehörde in Saalfeld beantragen. Das Zugticket, um nach Saalfeld zu fahren aber selber bezahlen. "Da wir aber für die Gutscheine ausschließlich Lebensmittel bekommen, haben wir kein Geld für ein Zugticket. Das ist vor allem für die Familien mit Kindern ein Problem, die mit den Kindern öfter zu einem Arzt nach Saalfeld fahren müssen." Um sich zu duschen, müssten sie ca. 300 Meter durch die Kälte laufen, so dass viele Kinder und alte Menschen kontinuierlich krank seien. (Katzhütte befindet sich in den Bergen, der Winter ist lang, die Temperaturen sind oft unter null Grad mit Schnee.) "Wir leiden außerdem unter der Art und Weise, wie wir von der Heimleiterin behandelt werden. Sie schreit uns oft an und bestraft uns kollektiv, indem sie das Wasser in der Küche abstellt, den Kühlschrank oder den Elektroheizer konfisziert oder die Gemeinschaftsküche abschließt."


Verwunderung bei der zuständigen Behörde


Auf die Erklärung der Flüchtlinge hin gab sich die zuständige Behörde im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt zunächst überrascht. Erst vor vier Wochen habe der zuständige Fachbereichsleiter die Unterkunft besucht, ohne dass Kritik seitens der BewohnerInnen vorgebracht worden sei. Nach einem Ortstermin am Dienstag sagte Landrätin Marion Philipp (SPD) jedoch kurzfristige Verbesserungen des baulichen Zustandes des Heimes zu. Die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) Thüringen als Eigentümerin der Liegenschaft habe sofort 3000 Euro zur Verfügung gestellt, um die Wärmedämmung an den Bungalows zu verbessern. Eine Schließung des Heims steht für den Landkreis nicht zur Debatte, erklärte die Landrätin. Doch die BewohnerInnen wollen weiter an die Öffentlichkeit gehen. Für den 11. März 2008, 11.30 Uhr, ist bereits der Ortsbürgermeister und regionale Pressevertreter :: eingeladen worden. Die Heimleitung arbeite mit allen Kräften daran, PressevertreterInnen den Zutritt zu den Unterkünften zu verweigern, sagt ein Flüchtling. So sei ein Team des MDR diese Woche nicht in die Räumlichkeiten gelassen worden.


Landrätin sind "die Hände gebunden"


Landrätin Frau Philipp erklärte einer Zeitung ausführlich, wie sehr den Gemeinden durch die gesetzlichen Regelungen die Hände gebunden seien. Die Sachlage sei komplizierter als zur Zeit von den Bericht erstattenden Medien dargestellt: Der Landkreis sei für die Ausschreibung eines Betreibers verantwortlich. Dieser werde für seine Arbeit vom Land bezahlt. Wie er die Gemeinschaftsunterkunft dann führe, liege nicht im Verantwortungsbereich des Landkreises, Kontrolle sei nicht vorgesehen. Die Betreiberfirma K+S Sottrum wollte sich zu ihrer Arbeit in Katzhütte nicht äußern. Zur Zeit befinden sich in ihrem Landkreis 230 ausländische Flüchtlinge. Zwei Drittel von ihnen lebten in Privatwohnungen; vor allem Familien mit Kindern. Von dem einen Drittel, das in der Gemeinschaftsunterkunft hausen muss, haben nur noch die wenigsten eine Aussicht auf eine Zukunft in Deutschland, sagt die Behörde weiterhin. Mittlerweile hat sich auch die Horst-AG Hamburg (kein mensch ist illegal + :: Flüchtlingsrat Hamburg) solidarisch mit den BewohnerInnen in Katzhütte erklärt.


Weitere Informationen: http://thevoiceforum.org

Dieser Bericht von "Freedom of Movement" wurde zuerst am 05. Mar 2008 auf :: de.indymedia.org veröffentlicht.