Quellenangabe:
Antirasstistischer Protest in Slowenien (vom 10.04.2008),
URL: http://no-racism.net/article/2507/,
besucht am 21.11.2024
[10. Apr 2008]
Den in Slowenien asylsuchenden Menschen reicht´s! Ausgehend von den BewohnerInnen des Asylheims Vič und unterstützt durch ein neu gegründetes antirasstistisches Netzwerk wird es am 19.4.2008 in Ljubljana Protestkundgebungen geben.
Zwischen 2006 und 2007 wurde in Slowenien gezählten drei Personen Asyl gewährt. Dahinter verbergen sich jedoch hunderte Asylsuchende, deren Gesuche abgelehnt werden und die in Asylheimen und Abschiebelagern festgehalten werden. Dort sind sie Opfer brutaler Polizeigewalt - Unterernährung, Misshandlungen und Abschiebungen behören zum Alltag.
Seit einigen Wochen haben sich Asylsuchende Menschen in sloweniens Hauptstadt Ljubljana zu einem antirassistischen Netzwerk zusammengeschlossen, dessen Forderung nach unbedingter Bewegungsfreiheit nun auch vermehrt in die Öffentlichkeit getragen wird. Für 19.4.2008 sind Proteste auf den Strassen Ljubljanas angekündigt.
"Als mich der Sicherheitsmann anbrüllte, dass ich zu laut mit meinem Zimmergenossen rede, drohte er mir "mich anzuzünden". Er schlug mich und meinen Mitbewohner, der daraufhin aus der Nase blutete. Nach 10-15 Minuten kam ein Polizist ins Zimmer und schrie: "Wisst ihr was ich mit euch mache, ihr Fotzen!?" Er packte mich am Hals, schlug mich in den Bauch und zusammen mit dem Sicherheitsmann legte er mir Handschellen an. Mein Mitbewohner bat darum, mich freizulassen, worauf sich der Polizist mit den Worten "Jetzt bist du an der Reihe!" auf ihn stürzte. Mein Mitbewohner fiel auf das Stahlbett und erlitt Schnittwunden am Brustkorb. Der Polizist schlug weiter auf ihn ein und fragte ihn noch "Na, wer hat dich geschlagen?".
Noch ein Polizist kam ins Zimmer, beide beschimpften uns: "Ich mach dich fertig, du schwules Albanerschwein!"
In diesem Augenblick kamen noch 10 bis 15 Polizisten rein, jeder von ihnen versetzte mir noch einen Schlag."
Gekürzte Schilderung eines Vorfalles, der sich am 15.3. im AsylwerberInnenheim Vic in Ljubljana ereignete.
Die Vollständige Version auf Slowenisch gibt es hier nachzulesen: http://www.njetwork.org/spip.php?article65
Vorfälle wie der oben beschriebene sind im Schengen-"Musterland" Slowenien Alltag. In den letzten Wochen stand besonders das Asylheim im Ljubljanaer Stadtteil Vič im Fokus des medialen Interesses. Mehrmals beklagten sich die InsassInnen über Misshandlungen und fehlende medizinische Versorgung. Jedoch schaffen es vergleichsweise wenige Beschwerden über das Heimregime überhaupt nach draussen. Jenen, die ihren Protest äussern, drohen Repressalien, bis hin zur Einweisung in die geschlossene Abteilung des Asylheims. Dies bedeutet, dass ihnen jeglicher Ausgang verwehrt wird und sie Freiwild für wildgewordene Sicherheitsmänner und PolizistInnen sind.
Der Alltag ist ählich bedrückend und unmenschlich. Regelmässig kommt es zu Zimmerdurchsuchungen, es gibt kaum Möglichkeiten zum Wäschewaschen, bei Bildungsmöglichkeiten sieht es noch düsterer aus. Beim Betreten des Heimes müssen die InsassInnen erniedrigende Untersuchungen über sich ergehen lassen, wobei auch vor Kindern nicht halt gemacht wird. Persönliche Dokumente verschwinden auf wundersame Weise, Kinderbetreuung fehlt gänzlich. Das Gesetz verbietet den InsassInnen darüber hinaus, sich eine eigene Bleibe zu suchen - sie müssen im Heim Vic bleiben.
Sage und schreibe drei Menschen gewährte der slowenische Staat in den Jahren 2006 und 2007 Asyl. Dabei ist allein das Asylheim Vic Jahr für Jahr Durchgangsstation für über 500 Menschen. Nach Ablehnung ihres Asylgesuchs erwartet die meisten WerberInnen der Gang in das Abschiebelager nahe der Stadt Postojna. Dieses wurde vor einigen Jahren errichtet und trug massgelich zur "Schengen-Reife" des neuen EU-Mitglieds Slowenien bei. Und dies, obwohl der slowenische Verfassungsgerichtshof das Lager als Verfassungswidrig einstufte. Im Lager Postojna selber sind die Zustände noch schlimmer. Umgeben ist es von meterhohen Zäunen und Mauern, bewacht wird es von PolizistInnen. Auch hier klagen die InsassInnen über Misshandlungen, alle Krankheiten werden mit ein uns demselben Schmerzmittel "behandelt". Bis zu 12 Monate werden hier Menschen festgehalten und müssen auf ihre Abschiebung warten.
Widerstand gegen die rassistische slowenische Asylpolitik regt sich schon seit einigen Jahren. Im Juli 2006 fand im an der italienisch/slowenischen Grenze gelegenen Gorizia/Gorica ein No-Border-Camp statt, von wo aus einige antirassistische Aktionen ausgingen. Eine davon fand direkt beim Abschiebeknast Postojna statt. Etwa 150 AktivistInnen aus verschiedenen europäischen Ländern rissen den Zaun des Knastes auf einer Länge von 16 Metern ein und zerstörten die Freisprechanlage.
Was folgte war ein brutaler Polizeieinsatz, welcher mit der Verhaftung von 2 österreichischen und 5 italienischen Aktivisten endete, welche im März 2008 zu hohen Geld und Bewährungsstrafen verurteilt wurden.
"Our revolt against rights’ violation in the Asylum Home in Vič takes part in wider resistance and fight against precariousness, arbitrariness, detention and criminalization of asylum seekers. It is time to start a fight together with the antiracist activists and democratic public for our freedom and as well for freedom and equality in Europe and all over the world."
So steht es in einem Communique der BewohnerInnen des Asylheims Vič, welche sich in den letzten Wochen dazu entschlossen haben, staatlichen Rassismus nicht mehr ohne weiteres über sich ergehen zu lassen. (Auf englisch hier nachzulesen: http://www.njetwork.org/spip.php?article50)
So haben sie sich mit einigen antirassistischen Gruppen in Ljubljana zusammengeschlossen, vor allem mit AktivistInnen aus dem Squat "Rog" (www.tovarna.org). Zusammen mit anarchistischen Gruppen, der gegründeten antiautoritären MigrantInnen-Gewerkschaft "Invisible Workers of the World" und anderen Initiativen wurde das Netzwerk "Die Welt für Alle" gegründet. Dynamik in und Inhaltliche ausrichtung der Bewegung sind radikal. Es gibt keine "offiziellen" VertreterInnen, langfristig wird völlige Bewegungsfreiheit und unbedingtes Bleiberecht gefordert.
Auf kurze Sicht wird unter anderem die Möglichkeit zur migrantischen Selbstorganisation gefordert und die Verschärfung der Asylgesetzgebung abgelehnt.
In den letzten Wochen fanden einige öffentliche Diskussionsveranstaltungen statt. Sowohl in autonomen Kulturzentren als auch auf der Universität von Ljubljana wurde die Problematik des staatlichen Rassismus und der Zustände im Asylheim Vič diskutiert und Raum zur Schaffung widerständiger Ideen gegeben.
[h3]Auf die Strasse, auf die Strasse!! [h3]
Am Samstag, den 19.4. ist eine großangelegte antirassistische Demonstration in Ljubljana angekündigt. Den Anfang macht um 10.00 Uhr eine Kundgebung vor dem Asylheim Vič , welches sich an der Cesta v Gorice 15 befindet.
Um 13.00 Uhr findet dann die eigentliche Demonstration durch die Innenstadt Ljubljanas statt. Startpunkt ist der Kongresni Trg, also der große Park neben der Universität. Die Demonstration endet dann im Squat Rog.
Antirassistische AktivistInnen aus Slowenien hoffen auf möglichst breite Unterstützung von Leuten aus dem Ausland. Von Graz sind es ein wenig mehr als zwei Stunden, von Klagenfurt/Celovec eine knappe Stunde nach Ljubljana. Wir sehen uns auf den Barrikaden!