Quellenangabe:
Gedenken nach Tod im Flughafengefängnis (vom 29.05.2008),
URL: http://no-racism.net/article/2579/,
besucht am 21.11.2024
[29. May 2008]
Am 23. März 2008 starb Abdi (Abdul) Daud nach mehreren Monaten Ausschaffungs- Haft Kloten II am Flughafen Zürich. Nach langer verweigerter ärztlicher Behandlung starb er unter ungeklärten Umständen in einem Zürcher Spital. Im April wurde er stillschweigend begraben. Am 27. Mai 2008 fand eine Trauer-Kundgebung am Friedhof statt.
Im folgenden dokumentieren wir den Aufruf zur Trauerfeier am Friedhof Sihlfeld und einen Redebeitrag von augenauf Zürich.
Der somalische Flüchtling Abdi (Abdul) Daud (1968-2008) starb diesen Frühling, nachdem er sich über Monate hinweg über die bekanntermassen unzureichende ärztliche Behandlung beklagt hatte. Auf dem Sihlfriedhof, wo er beerdigt ist, findet am Di 27.5.2008 eine Trauer-PROTEST-Kundgebung statt.
Abdi Daud starb nach monatelanger Krankheit am 23. März 2008 unter ungeklärten Umständen in einem Zürcher Spital.
Abdul Daud verbrachte die letzten 10 Monate seines Lebens im Ausschaffungsgefängnis Kloten II. Er litt an einer schweren, chronischen Krankheit und beklagte sich, wie seine Mitgefangenen erzählen, über Monate hinweg über unzureichende Behandlung und ärztliche Betreuung.
Die medizinische Betreuung von Menschen in Ausschaffungshaft und von abgewiesenen Flüchtlingen wurde in den letzten Monaten und Jahren systematisch reduziert. Abdi Daud hat dies nicht überlebt.
Gruppe augenauf und somalische Flüchtlinge in der Schweiz
Weiterer Aufruf zur Trauerfeier
am Dienstag 27. Mai um 15.30 Uhr
findet auf dem Friedhof Sihlfeld (Feld 8)
die Trauerfeier für Abdi Daud statt.
Abdi Daud ist im März unter ungeklärten Umständen im Unispital gestorben, nachdem er im Ausschaffungsknast nicht genügende medizinische Versorgung erhalten hat. Er ist, ohne dass irgendjemand benachrichtigt wurde im April, beerdigt worden.
Wir organisieren die Trauerfeier zusammen mit der Somalischen Community und laden auch die Presse ein. Zum einen wollen wir Abschied nehmen von Abdi Daud, zum andern wollen wir auch auf die menschenverachtende Weise aufmerksam machen, wie im Ausschaffungsknast (und überhaupt in der Schweiz) mit Flüchtlingen umgegangen wird, und dass wir nicht bereit sind, dies einfach so hinzunehmen.
ES WÄRE SCHÖN, WENN VIELE VON EUCH KOMMEN WÜRDEN!
Wir haben uns hier auf dem Friedhof Sihlfeld versammelt, weil wir um Daud Abdi Xusen trauern (27kan Bisha May waa Maalintii Rasmiga ah ee Duugtii iyo Aasidii Daud Abdi Xusen).
In der Schweiz ist es üblich, bei einer Beerdigung vom Leben des Toten zu erzählen. Was aber soll ich über das Leben und Sterben von Abdi Daud erzählen? Was weiss ich - ein verhältnismässig wohlhabender und behüteter Schweizer - schon vom Leben in Somalia? Ich bin noch nie vor einem Bürgerkrieg übers Meer in ein völlig fremdes Land geflohen. Ich kenne den Schrecken und die Einsamkeit nicht, Flüchtling in einem Land zu sein, das mich offensichtlich nicht will. Das mir nicht mal meinen Namen glaubt und in dem man sich sicher ist, ich sei nur gekommen, um frech und gierig und schwarz etwas vom Wohlstand der Bürger an mich zu reissen.
Aber halt: Ich erinnere mich an Somalia. Im Sommer vor 12 Jahren liess ein Mann namens Mohammed Aidid zwei Zürcher Kantonspolizisten in Mogadischu verhaften. Sie hatten einen Flüchtling mit Gewalt nach Somalia ausgeschafft und Aidid, von dem man hier nur der schlechteste lesen konnte, kritisierte die unmenschlichen Umstände der Ausschaffung des Flüchtlings. Die Schweiz bezahlte dann Lösegeld für die Polizisten, die ihr Opfer wieder in die Schweiz bringen mussten. Man liess den Flüchtling dann nicht etwa, beeindruckt von den Verhältnissen in Somalia, frei, sondern steckte ihn wieder ins Gefängnis.
Es ist verrückt: Wir stehen hier am Grab eines Mannes, von dessen Leben wir fast nichts wissen. Wir wissen, dass er Flüchtling war, dass sein Gesuch abgelehnt wurde (heute mit den neuen Blocher-Gesetzen würde man es nicht mal mehr behandeln), dass er im Gefängnis war und dass er danach in Ausschaffungshaft gesteckt wurde. Wir wissen auch, dass Abdi Daud schwer krank war. Er hatte “Rheuma” sagen Kameraden aus dem Flughafengefängnis und er bekam Kortison.
Abdi Daud sass Monate für Monate im Ausschaffungsgefängnis obwohl es klar war, dass er nicht nach Somalia geschafft werden kann. Es gibt dort keinen Staat mehr, der Pässe ausstellt und Zürcher Kantonspolizisten getrauten sich auch nicht mehr dorthin. Er war krank, er hatte Schmerzen und niemand wollte ihm helfen. Oder wie sonst sollen wir es uns erklären, dass Abdi sich eine Blutvergiftung zuzog und offenbar zu spät ins Spital gebracht wurde, wo er starb? Wie sollen wir es uns erklären, dass man erst nach seinem Tod Tuberkulose feststellte?
Nun - einen Teil von Abdis traurigen Ende können wir erklären. Seit über einem Jahr bekommen die Kantone weniger Geld für abgewiesene Flüchtlinge. Der Kanton Zürich hat deshalb die Krankenkassen für Menschen, die eigentlich ausreisen sollten - auch Abdi gehörte dazu - gekündigt. Wer zum Arzt muss, braucht erst eine Erlaubnis. Die Leute, die die Erlaubnis erteilen, sparen. Und der Arzt spart. Wie die Menschen im Flughafengefängnis erzählen, kennt der Arzt, der seine Patienten nicht mal anschaut, nur drei Behandlungen: Nichts, Schmerzmittel oder Schlafmittel.
Liebe Freundinnen und Freunde:
Es ist traurig, hier am Grab von Abdi Daud nichts zu seinem Leben, seinen Wünschen und Träumen, seinem Land und seiner Familie sagen zu können. Dafür kann ich Euch etwas darüber sagen, woran er gestorben ist: Er ist an der Herzlosigkeit der Schweizer Behörden gestorben. An der Unmenschlichkeit dieser Asylpolitik und an einem Gefängnissystem, dass lieber den Tod eines Menschen riskiert, als ein paar Franken auszugeben, in diesem vor Geld stinkenden Land. Ein paar Franken für die Behandlung von jemandem, von dem die Behörden glauben, er habe kein Recht hier zu sein.
Wir trauern um ein Opfer der Schweizer Asylpolitik und des europäischen Rassismus. Lasst uns dagegen ankämpfen.
Artikel zuerst veröffentlicht am 25. Mai 2008 auf :: ch.indymedia.org.