Quellenangabe:
Pressekonferenz der African Community (vom 18.05.2000),
URL: http://no-racism.net/article/260/,
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[18. May 2000]
Bericht zur Pressekonferenz der African Community am Do, 18.05., 09:30, Caf"© Nil) zum Tod des Inhaftierten Richard W.
Als RepräsentantInnen der A.C. waren anwesend: Dr. Akinyemi (Politologe, Uni-Wien), Dr. Isima (GynÀkologe), Mag. Achaleke (Soziologin, fungierte als Moderatorin), DI Iman (Jus-Studentin), Dr. Bukasa (völkerrechtsexperte), weiters der Rechtsanwalt der Hinterbliebenen, Dr. Prader.
Dr. Prader wies in seinem Eingangsstatement darauf hin, dass die staatlichen Behörden (in diesem Fall Exekutive und Justiz) für das Leben einer von ihnen in Gewahrsam genommenen Person Sorge zu tragen hätten, und dass diese "positive Schutzpflicht" (abzuleiten aus Artikel 2 EMRK) im Fall von Richard W. aufs GrÃŒbste verletzt wurde. Folgende Fehler seien begangen worden: (1) Man habe Richard W. - obwohl dringender Verdacht auf das Verschlucken von sog. "bodypacks" bestanden habe - nicht unter permanente überwachung gestellt, (2) man habe Richard W. nicht über die mit der Einnahme von RauschgiftkÃŒgelchen verbundenen Risiken aufgeklärt, (3) bei der überstellung des Inhaftierten in den Jugendgerichtshof sei es verabsäumt worden, die dortige Justizwache auf den Verdacht der Einnahme von Drogen hinzuweisen und (4) die zuständigen Beamten des Jugendgerichtshof hätten den Strafakt des Inhaftierten vermutlich gar nicht durchgesehen, da Richard W. aufgrund seiner Volljährigkeit nur den Status eines "Durchläufers" hatte. All dies belege eindeutig die Mitverantwortung der Behörde. Die Angehörigen von Richard W. werden deshalb eine Beschwerde beim unabhängigen Verwaltungssenat wegen Verletzung des Artikel 2 EMRK einbringen. Weiters stellte Dr. Prader die Forderung an den Österreichischen Gesetzgeber, dass Inhaftierten, welche "bodypacks" verschluckt haben, die Möglichkeit geboten wird, diese unter ärztlicher Aufsicht auszuscheiden, ohne dass den Beschuldigten daraus rechtliche Nachteile erwachsen (Unschuldsvermutung). Der Anwalt sprach sich in diesem Zusammenhang auch für "Zwangsrüntgen" aus, welche ebenfalls ausschliesslich medizinische Zwecken dienen dürften. Das Recht auf Leben und die Unschuldsvermutung müssten hier über die Beweissicherstellung gestellt werden. Dr. Prader gab ausserdem seiner Verärgerung über das "Katz und Maus-Spiel" der Gerichtsmedizin (Dr. Riesser, Dr. Bauer) Ausdruck, er laufe dem Obduktionsbericht nun schon ziemlich lange hinterher. Auf die Frage, welche Abteilung die Verhaftung vorgenommen habe, konnte oder wollte Dr. Prader keine Antwort geben, der zuständige Richter sei Dr. Engelberger.
Danach erteilte Mag. Achaleke dem GynÀkologen Dr. Isima das Wort. Dr. Isima fasste kurz die Vorfälle rassistischer Übergriffe der Österreichischen Polizei und Justiz der letzten Jahre zusammen und wies darauf hin, dass die Behörden aus dem Tod von Marcus Omofuma offensichtlich nichts gelernt hätten. Der Arzt betonte weiters, dass der Fall Omofuma nur deshalb publik geworden sei, da dieser im Ausland gestorben ist. Er machte darauf aufmerksam, dass das Gerichtsverfahren gegen die verantwortlichen Beamten nach wie vor ausständig ist, und die beiden lediglich vom Dienst suspendiert wurden. In seinem weiteren Kommentar ging Dr. Isima auf die Zusammenhänge zwischen der derzeitigen politischen Lage in Österreich und zunehmender Xenophobie, Rassismus und Fremdenhass ein. Seine Frage an die PolitikerInnen lautete: "Wollen Sie in Österreich keine Afrikaner haben?" Er zog eine Parallele zum NS-Regime der 30er Jahre und verglich die Situation von Juden und Jödinnen damals mit der von AfrikanerInnen heute. Dr. Isima schloss sein Statement mit dem Appell an den Österreichischen Bundespräsidenten, den Bundeskanzler und die Kirchen, rassistischen Übergriffen entschieden zu begegnen.
Dr. Bukasa teilte den JournalistInnen mit, dass die angekündigte Expertin für Drogen ihre Teilnahme an der Pressekonferenz zurückgezogen habe, als sie erfuhr, dass die für die Obduktion der Leiche von Richard W. zuständigen Pathologen Dr. Riesser und Dr. Bauer seien. Offensichtlich wollte sie diese nicht öffentlich kritisieren. Dennoch habe sie ihm mitgeteilt, dass ihrer Meinung nach der Tod schon hätte viel früher (nach sechs Stunden) eintreten und Richard W. im Falle eines Drogentodes schlimme Qualen hätte erleiden müssen. Dr. Bukasa las danach einige Zitate aus einem von ihm geführten Interview mit Dr. Riesser vor, aus denen hervorging, dass der Pathologe nur zu sehr vagen Aussagen bezüglich der Todesursache imstande ist. Anzeichen körperlicher Gewaltanwendung habe er keine gefunden obwohl Richard W. laut Zeugenberichten bei seiner Verhaftung misshandelt wurde. Weiters sei der Obduktionsbericht deshalb noch nicht schriftlich erfolgt, da wichtige Untersuchungen noch nicht abgeschlossen seien. In diesem Zusammenhang kritisierte Dr. Bukasa entschieden die Vorgangsweise der Wiener Polizei, welche bei ihrer Pressekonferenz von Tod durch Opiate gesprochen hatte, obwohl auch ihr noch kein endgültiger Autopsiebericht vorliegt. Polizei und Justiz könnten nach ihrem derzeitigen Wissensstand keine klare Angabe über die Tatbestand der Todesursache machen. Weiters kritisierte er Aussagen des Polizeipräsidenten Stiedl. wonach für weitere Untersuchungen des Todesfalles "ein selbständiges tätigwerden der Wiener Bundespolizeidirektion nicht erfolgt". Dr. Bukasa sprach danach von der Angst der Zeugen der Verhaftung und des ehemaligen Zellengenossen von Richard W., ihre Aussagen zu machen, da ihnen sonst selbst die Festnahme drohe. Er forderte deshalb die Zusicherung von Schutzmassnahmen für diese Zeugen. Dem Zellengenossen sei von Seiten der Justiz "konspiratives, freies Geleit" zugesichert worden, sollte er nicht über die von ihm beobachteten Vorfälle berichten. Dr. Bukasa bezeichnete die Vorgangsweise seitens der Behörden als inakzeptabel und forderte die genaue AufKlärung der Ereignisse im Zusammenhang mit dem Tod von Richard W.
Der Politologe Dr. Akinyemi hob nochmals die politische Verantwortung von Seiten der Österreichischen Regierung hervor. Der "politische Zustand dieses Landes" lasse solche rassistischen Übergriffe zu. Wobei er betonte, dass auch die vorhergehende Regierung rassistisch war, indem sie z.B. die Kriminalisierung von AfrikanerInnen vorantrieb (siehe die Diffamierung von Omofuma als Drogenboss). Dr. Akinyemi verlangte politische Konsequenzen der EntscheidungsträgerInnen in diesem Land und forderte gleichzeitig die Zivilgesellschaft dazu auf, Rassismus in Österreich nicht zuzulassen. Angesprochen auf die Rolle der anderen Europäischen länder bezeichnete Dr. Akinyemi die Sanktionen der EU-14 als "symbolisch", Rassismus gebe es überall in Europa. Dennoch gebe es in manchen EU-ländern (z.B. England und Frankreich) wenigstens Antidiskriminierungsgesetze, in Österreich sei leider keinerlei politischer Wille zur Bekämpfung von Rassismus vorhanden.
Dr. Bukasa wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Österreichische Staat gegenwärtig dabei sei, sich innerhalb der EU zu rehabilitieren und daher gerade jetzt besonders großes Interesse daran habe, den Fall Richard W. zu vertuschen.
Last but not least erzählte DI Iman von ihren persönlichen Erlebnissen mit der Österreichischen Exekutive und Justiz, von drastischen Misshandlungen bei ihrer Verhaftung und einer 2monatige Untersuchungshaft, während welcher ihr keinerlei Kontakt zur Aussenwelt gestattet wurde. Sie habe deshalb bereits Anzeige erstattet.
In der anschliessenden Diskussion waren sich alle darüber einig, dass eine stärkere Politisierung der AfrikanerInnen und die Vernetzung mit anderen Gruppen für die Bekämpfung des Rassismus in Österreich unerlässlich sind.
Abschliessend möchte ich noch bemerken, dass die Pressekonferenz sehr gut besucht war, und dass auch JournalistInnen der ausländischen Presse anwesend waren und sich sehr interessiert am Tod von Richard W. und an den rassistischen Vorgängen in Österreich zeigten.
Miriam Lehner