Quellenangabe:
Protokoll einer Abschiebung (vom 14.08.2008),
URL: http://no-racism.net/article/2648/,
besucht am 10.12.2024
[14. Aug 2008]
Du stehst im Zubringerbus auf dem Rollfeld vor der Linienflugmaschine, mit der in wenigen Minuten deine Reise nach Marokko beginnen wird. Ein Sixpack und ein ziviler Bulli des BGS stehen auch da und erwecken dein Misstrauen. Gleich darauf steigen Polizisten aus, öffnen die hintere Tür des Bullis und führen zwei Personen in das Flugzeug. Die Situation wird klar: eine Abschiebung.
Und was machst du jetzt? Genau diese Frage mussten wir uns vor zwei Wochen am Frankfurter Flughafen stellen. Das Flugzeug sollte uns nach Casablaca (Marokko) bringen. Die Airline: Royal Air Maroc.
Obwohl wir das Abführen ins Flugzeug beobachtet hatten, gelingt es uns nach dem Einsteigetrubel nicht, die beiden Personen wiederzufinden. Auch ist die Kommunikation innerhalb unserer Gruppe schwierig, da unsere Sitzplätze über das gesamte Flugzeug verteilt sind und unser Wissensstand im Bezug auf Abschiebungen recht unterschiedlich ist.
Einige von uns verifizieren durch hartnäckiges Nachfragen im Gespräch mit dem Flugpersonal, dass es sich um eine Abschiebung handelt. Die zwei Personen wurden in Finnland ohne gültige Aufenthaltserlaubnis aufgegriffen. Dem Flugpersonal wird daraufhin erklärt, dass einige von uns sich nicht hinsetzen und anschnallen werden und dadurch den Start der Maschiene verhindern wollen. Nach unserem Informationsstand hat ein solches Verhalten in der Vergangenheit schon Abschiebungen verhindert.
Die Ankündigung stößt sowohl beim Personal als auch bei einem großen Teil der Fluggäste auf Unverständnis, obwohl versucht wurde möglichst viele über die Gründe aufzuklären. Insgesamt wird die Situation angespannter und spitzt sich zu. Immer mehr Verantwortliche, unter anderem der Kapitän, schalten sich in die Diskussion ein. Wir fordern ein Gespräch mit den betroffenen Personen, um von diesen zu hören, wie sie die Situation sehen. Ein Polizist erklärt, dass wir gerne mit diesen sprechen könnten aber niemand ist bereit, uns zu zeigen, um wen es sich handelt.
Das Personal beginnt, extremen Druck aufzubauen. Argumentiert wird mit einem Startzeitfester, das in wenigen Minuten enden würde und mit Kosten von mehreren 100.000 Euro für die Zivilklagen angekündigt werden. Außerdem wird damit gedroht, Personen, die sich nicht hinsetzen, von der Polizei aus dem Flugzeug entfernen zu lassen. Juristisch können wir die Situation nicht einschätzen und es fehlt an Zeit und Ruhe für eine ordentliche Entscheidungsfindung in der Gruppe.
Im Endeffekt entscheiden sich diejenigen von uns, die angekündigt hatten stehenzubleiben, mehr einzeln als gemeinsam sich nun zu setzen. Das Flugzeug kann starten. Auch während des Fluges kommt es zu keiner Kommunikation mit den von der Abschiebung betroffenen Personen, da wir weiterhin nicht wissen um wen es sich handelt.
Die Reaktionen der übrigen Flugreisenden fielen unterschiedlich aus. Auf der einen Seite gab es Menschen die sagten, dass sie prinzipiell gegen Abschiebung sind, aber meinten dies sei der falsche Moment aktiv zu werden. Auf der anderen Seite gab es auch Mitreisende die uns gegenüber aggressiv reagierten. Sie wurden Handgreiflich taten so als ob sie Portraits von uns machten oder machten tatsächlich Bilder. Als wir sie später darauf ansprachen behaupteten sie keine gemacht zu haben.
Fazit: Eine Öffentlichkeit innerhalb des Flugzeuges konnte hergestellt werden. Sehr viele Fluggäste haben mitbekommen, worum es ging. Vermutlich ist das Flugzeug auch ca. 15 Minuten später als ursprünglich geplant gestartet. Die Frage bleibt, ob mehr möglich gewesen wäre.
Über Ergänzungen, die zu einer besseren Einschätzung solcher Situationen beitragen könnten währen wir sehr froh. Dürfen Polizisten Personen aus einem Flugzeug entfernen, die sich weigern, sich zu setzen? Und vor allem: Tun sie dies? Wie sieht es mit Zivilklagen der Fluggesellschaft aus?
Text übernommen von :: de.indymedia.org, dort mit Ergänzungen zu finden.