Quellenangabe:
Prozessbericht vom Do, 07. März 2002 (vom 06.03.2002),
URL: http://no-racism.net/article/269/,
besucht am 22.11.2024
[06. Mar 2002]
Teil 3: Vernehmung der Crew der Balkan Air und des Piloten
Die Anwesenden:
Richter Fiala, Zweitrichter, 2 SchÌffen, 2 ErsatzschÌffInnen, Staatsanwalt, Rechtanwalt Zanger als Vertreter der Kinder und der Verlassenschaft von Marcus Omofuma, die RechtsanwÀlte der Angeklagten Rifaat und Ofner, die Angeklagten B., R., und K. sowie wenig Presse und Publikum mit ZÀhlkarten.
Prozessbeginn 9:15
An diesem 3. Verhandlungstag waren insgesamt 7 ZeugInnen der Crew der Balkan-Air Maschine, mit der Marcus Omofuma am 1.5.1999 nach Sofia abgeschoben werden sollte, vorgeladen.
Die 4 ZeugInnen, die vormittags erscheinen sollten, kamen nicht. Darunter die Chefstewardess, die in ihren Aussagen in Sofia, unmittelbar nach den Ereignissen, die zum Tod Marcus Omofumas geführt hatten, die detailliertesten Angaben gemacht hatte. Sie begründete ihre Nichtanwesenheit mit "finanziellen, beruflichen, gesundheitlichen und persönlichen Gründen."
Die Verhandlung wurde daraufhin, nachdem die AnwÀlte der Angeklagten Ofner und Rifaat das Verlesen der Aussageprotokolle abgelehnt hatten, auf 13 Uhr 15 verschoben.
Am Nachmittag waren dann doch 3 ZeugInnen da: 1 Stewardess, 1 Steward und der Bordingenieur der Balkan-Air Maschine.
Richter Fiala bemerkte vor der Einvernahme der ZeugInnen noch, dass er ein Schreiben von Professor Radanov aus Bulgarien erhalten hatte, in dem dieser sage, dass er nicht zur Verhandlung kommen werde. Er werde auch keine VertreterInnen schicken. Professor Radanov hatte nach dem Tod von Marcus Omofuma das erste medizinische Gutachten angefertigt, in dem er Tod durch Ersticken diagnostizierte.
Rechtsanwalt Ofner bemerkte zur Absage Radanovs: "ein Gericht hat in diesen Staaten nicht so ein Gewicht wie bei uns".
Zu den Aussagen der ZeugInnen
Alle 3 gaben an, damals bei der Protokollierung durch die bulgarische Polizei die Wahrheit gesagt zu haben, sich aber jetzt nach 3 Jahren nicht mehr wirklich erinnern zu können. Alle drei gaben übereinstimmend an damals von einem Balkan-Air-Angestellten in Wien (vom Station Manager) und der Chefstewardess über die bevorstehende Abschiebung informiert worden zu sein. Alle drei meinten, Abschiebungen gehörten zur Normalität des Berufslebens und man/frau vertraue auf die Obacht der Sicherheitsbeamten. außerdem stünden sie meist unter Zeitdruck, da der Flug von Sofia über Wien nach Amsterdam und zurück zeitlich genau geplant wäre. Verzügerungen würden nur zusätzliche Kosten für die Fluglinie bringen.
Die Stewardess
Die erste Zeugin dieses Tages, eine Stewardess, machte noch die detailliertesten Angaben, allerdings war sie nicht dabei als Omofuma an Bord gebracht wurde. Die Chefstewardess habe ihr mitgeteilt, dass der Mann tobe und kräftig sei, dass es Schwierigkeiten gab, ihn ins Flugzeug zu bringen. Das erste mal habe sie Omofuma bei der Gurtenkontrolle oder eher beim Getränkeverteilen gesehen. Etwa nach 35 min. wurde sie auf ihn aufmerksam. Er wäre in der vorletzten Reihe am Fenster gesessen, neben ihm einer der drei Beamten, die anderen beiden hinter ihm. Der ganze körper war verklebt, auch der Mund, die Arme waren an den körper geklebt. Sie wollte ihm "nicht ins Gesicht schauen", weil das provokant sei, bzw. meinte sie nach zweiter Nachfrage "Der Anblick war nicht sehr schön". An die Farbe des Klebebandes konnte sie sich nicht erinnern. Auf die Frage, ob sie Qualen bemerkt habe, meinte sie, dass alle in der Crew darüber danach einig waren, dass man angenommen hätte er würde sich befreien wollen. Auf die Frage ob sie ihm Getränke oder etwas zu essen geben wollte meinte sie "Schwarzafrikaner werden als gefährlich eingestuft und bekommen oft nichts zu essen", das wäre nicht üblich. Richter: "Wer sagt das? "- Zeugin: "Es gibt keine Regeln, aber die Experten, die Abschieben haben Erfahrung und ich auch." Bulgaren beispielsweise, die aus Deutschland abgeschoben werden, bekÀmen etwas zu essen. Sie gab an schon Öfters bei Abschiebungen dabei gewesen zu sein und manchmal, je nach Fall, Wären Menschen auch gefesselt, das Mundzukleben hatte sie allerdings vorher noch nicht gesehen. Sie war vor allem bei Abschiebungen aus Deutschland dabei, weniger aus Österreich, aber auch von Sofia nach Lagos. Weiters sagte sie, dass sie vorher noch nie einen Abzuschiebenden, der auch an den Flugzeugsessel gebunden und geklebt war, gesehen hatte. Sie habe das aber auch für besser gehalten, denn seine Schreie hätten ja den Passagieren - die Maschine war fast voll besetzt mit 150 Menschen - Angst gemacht; und die Kinderchorgruppe aus Amsterdam wurde sicherheitshalber nach vor verlegt. Omofuma hätte sich auf seinem Sessel bewegt, sie konnte sich nicht erinnern ob sie ihn auch schreien hörte, das Flugzeug war eine zweimotorige Tupolev und sehr laut. Die Verantwortung habe sie auf die Polizisten übertragen, wenn sie Captain der Maschine gewesen wäre, hätte sie Omofuma wahrscheinlich nicht mitgenommen, denn die Passagiere Wären schon schockiert gewesen als er in die Maschine getragen wurde. Weiters hatte ihr die Chefstewardess gesagt, dass Fesselung von abzuschiebenden Personen gängige Praxis war. Nach den Landung in Sofia, als alle Passagiere schon ausgestiegen waren, sah sie, dass die Beamten noch im Flugzeug waren, zu diesem Zeitpunkt sah sie auch den toten Marcus Omofuma. Allgemein sagte sie noch, dass sie den Widerstand Omofumas eher für Aggression oder Befreiungsversuch hielt als für einen Todeskampf. Nach dem Start hatte er sich ruhig verhalten, sie nahm an, dass er sich seinem Schicksal fügte. Ein Seil in Händen der Fremdenpolizisten hatte sie nicht gesehen. Die drei Beamten bei Omofuma waren für sie ein Signal, dass er kräftig sei und tobe. Frage von Rechtsanwalt Ofner: "darf ich ihre Antwort so versehen, dass der Mann als gefährlich betrachtet wurde?" - Antwort: "Ja." Zwei Passagiere, die zu Beginn des Fluges noch in der Reihe vor Omofuma saßen wurde versetzt da sie sich beschwert hatten. Zwei Bedienstete der Balkan-Air außer dienst wurden dorthin gesetzt. Einer dieser beiden versetzte Omofuma auch einen Schlag auf den Kopf. Rechtsanwalt Zanger fragte: "Haben sie die Information gehabt, dass er ein Verbrecher sei?". Darauf sagte die Stewardess, sie interessiere sich nicht was er gemacht hatte, die Beamten werden wissen was sie tun.
Der Steward
Der 2. Zeuge, ein Steward meinte, er hätte gesehen, wie einige Personen Omofuma aus dem Polizeiauto und die Treppe zum Flugzeug hinauftrugen, ein Schuh habe ihm gefehlt. Dass er getragen wurde, war etwas besonderes, so etwas passiere nicht oft. Er war bei diesem Flug für den vorderen Teil zuständig und sah nur kurz aus Neugierde in den hinteren Teil der Maschine. Auch er meinte Omofuma wäre am ganzen körper verklebt gewesen und ihm fiel auf, dass der Beamte neben ihm das Ende des Klebebandes, das um den Kopf herum gewickelt war, hielt und auch die Beamten dahinter hielten jeweils ein Ende eines Seils bzw. Klebebandes, das Omofuma von hinten fixierte. Er nahm an, dass er sich befreien wollte. Gesehen hätte er ihn danach nicht wieder, erst in Sofia. Einen derart verklebten Menschen hatte er vorher noch nicht gesehen. Die Nase sei frei gewesen. Zu Abschiebungen allgemein sagte der Stewart, dass er viele gesehen hatte, ca. einmal oder zweimal wöchentlich. In der Regel begleiteten unterschiedlich viele Beamte abzuschiebende Personen. Manchmal 10 Beamte eine Person oder ein Beamter 10 Personen.
Der Bordingenieur
Der 3. Zeuge, der Bordingenieur konnte sich eigentlich nur mehr daran erinnern, dass er, nachdem man ihm mitgeteilt hatte, dass jemand abgeschoben wird, nach hinten gegangen sei und kontrolliert habe, ob dieser nicht vor einer NotausgangsTür sitze. Besonderes wäre ihm nicht aufgefallen "wir mischen uns nicht in Regelungen von Beamten ein, auch wenn jemand festgebunden ist." Erst am nächsten Tag in Sofia erfuhr er, dass der Mann tot war.
Ende des Prozesstages ca. 16 Uhr 30