Quellenangabe:
Aktionen gegen Lager und Zäune (vom 31.10.2008),
URL: http://no-racism.net/article/2711/,
besucht am 10.12.2024
[31. Oct 2008]
Überall in Europa wehren sich MigrantInnen und AntirassistInnen gegen die Kasernierung in Lagern, gegen Zäune und Grenzen. Einige Beispiele aus den letzten Tagen aus Liège/Belgien, Sandholm/Dänemark, Berlin/Deutschland, Melilla/Marokko/Spanien
Am Samstag, 25. Oktober blockierten 60-70 AktivistInnen das Abschiebelager Vottem bei Liège/Belgien. Um sieben Uhr morgens sprangen sie über die Absperrungen, wo einige von ihnen sich an die Türen ketteten. Bis drei Uhr nachmittags waren mehrere Türen versperrt. Die Polizei konnte nicht handeln, da die Türen versperrt waren und zu viele Menschen im Lager waren, so gab es auch nach der Beendigung der Blockade keine Verhaftungen. Alle Abschiebungen, die für diesen Tag geplant waren, mussten abgesagt werden. Dies, das große Medienecho und die Tatsache, dass es möglich war, während der Blockade mit den MigrantInnen ins Gespräch zukommen führt dazu, dass die Aktion als großer Erfolg gesehen wird. (Quelle und mehr Bilder: http://www.cemab.be/news/2008/10/5939.php)
In Sandholm/Dänemark haben ebenfalls am Samstag 1000 bis 1500 Menschen gegen die dortige Asylpolitik und das Lager Sandholm demonstriert. In einer angekündigten Aktion (siehe http://de.indymedia.org/2008/10/230347.shtml) versuchten einige Menschen, den Zaun um das Flüchtlingslager Sandholm aufzuschneiden und wegzureißen, was an vereinzelten Stellen gelang. Die Polizei nahm daraufhin 43 Menschen fest. Einige Festgenommene kamen am Samstagabend wieder frei, ein Teil bleibt jedoch weiter in Haft.
Eine Baracke für 500 Menschen
Sandholm ist eine frühere Militärbaracke, ca. 20 km nördlich von Kopenhagen. Vom Roten Kreuz betrieben beherbergt sie 500 Immigranten. Die Organisatoren erklärten, Lager wie dieses isolierten die Flüchtlinge von der Bevölkerung und zeigten den „brutalen und konkreten Rassismus”. Ein Sprecher sagte, die Polizei habe 300 Mann und einen Hubschrauber eingesetzt, um die Demonstranten am Betreten des Geländes zu hindern. Es gab bei den Auseinandersetzungen auch einige verletzte DemonstrantInnen, die genaue Zahl ist bis jetzt jedoch unbekannt. Eine Asylanfrage dauert in Dänemark normalerweise 6 Monate, aber abgelehnte Asylbewerber, die jedoch ablehnen auszureisen, bleiben oft für Jahre in den Unterkünften. Ungefähr 2000 Immigranten leben in Dänemark in Zentren wie diesen. (Quelle u.a.: http://de.indymedia.org/2008/10/230510.shtml. Dort gibt es mehr Fotos und links zu Videos, weitere Links: https://at.indymedia.org/node/11760)
Bereits am Freitag, 24. Oktober fand in Berlin/Deutschland ein antirassistischer Fahrradkorso mit 120 TeilnehmerInnen statt, bei dem die Verantwortlichen und Profiteure des Berliner Ausreiselagers in der Spandauer Motardstraße besucht wurden. Neben der Sozialverwaltung in der Kreuzberger Oranienstraße, dem Sitz von Sozial- und Integrationssenatorin Knake-Werner, waren das der Landesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in der Blücherstraße und das Dussmann-Kaufhaus. Dort wurden die KaufhausbesucherInnen darauf hingewiesen, daß der Dussman-Konzern neben seinem “Kulturkaufhaus” auch an der Schikane von MigrantInnen verdient, indem er ihnen widerliche und undefinierbare Essenspakete vorsetzt. Jede Station wurde auf diese Art mit kleinen Theaterstücken oder Performances bedacht. Bei der Zwischenkundgebung vor dem Dussmann-Kaufhaus in der Friedrichstraße kam es zu vier Festnahmen und massiver Polizeigewalt. Die Demo wurde daraufhin abgebrochen. (Quelle: http://de.indymedia.org/2008/10/230445.shtml)
Versteckt, in einem Industriegebiet gelegen, befindet sich das Lager Motardstraße 101a. Es besteht aus Container-Wohnblöcken in fragwürdigem Zustand. Das Gelände wurde 1989 von der AWO gepachtet, die zeitgleich mit dem Berliner Senat einen Nutzungsvertrag über die Unterbringung von sogenannten Spätaussiedlern abschloss. 1995 wurden die letzten “Spätaussiedler” aus Haus 5 verlegt - dieser Containertrakt war baufällig geworden. Anschließend begann die Nutzung des Lagers zur Unterbringung von Asylsuchenden und Bürgerkriegsflüchtlingen und MigrantInnen, denen lediglich eine “Duldung” zugestanden wird.
Die Einweisung in die Motardstraße bedeutet, dass ihnen jede Chance auf eine menschenrechtsgemäße Teilhabe am Leben verwehrt ist. Sie bekommen zu wenig und abgepacktes Essen. Sie haben ein Bett zum Schlafen, in einem kleinen Raum mit Mehrbettzimmer. Einen abschließbaren Schrank oder Ort für persönliche Dinge gibt es nicht. Die Toiletten sind nicht abschließbar und funktionieren teilweise nicht. Es wimmelt in der Küche von kleinen Tieren. Sie dürfen zwar das Lager verlassen, aber es liegt in einem Industriegebiet, wo außer ihnen niemand wohnt. Fahrkarten, um woanders hinzugelangen, und sei es zur Behörde oder zum Anwalt, können sie sich ohne Geld nicht kaufen. Wer dennoch wie ein Mensch leben möchte, muss kriminell werden: Ohne Fahrschein fahren, irregulär arbeiten, in die Illegalität abtauchen. Wer dabei erwischt wird, verliert jede Chance auf einen legalen Aufenthalt. :: Mehr Infos
Derweil erhalten MigrantInnen in Melilla/Spanien Hilfe von ganz anderer Seite: Regen hat den meterhohen Zaun um die spanische Exklave an einigen Stellen so zerstört, dass er unbrauchbar geworden ist.
Die Ordnungskräfte haben die Sicherheit dort, wo der Zaun umgefallen ist, erhöht. Aber etwa 30 ImmigrantInnen haben es geschafft, in die spanische Zone zu gelangen. Die Ordnungskräfte sind dabei, sie zu suchen um sie zur Polizeistation und ins Lager mitzunehmen.Ihr einziges Verbrechen: ihre Sehnsucht nach einem Leben in Würde. (Quelle: http://melillafronterasur.blogspot.com. Dort gibt es weitere Bilder und ein Video von den Zerstörungen)
Die vom Regen verursachte Lücke im Zaun seit dem Wochenende motiviert trotz verstärkter Bewachung weiter Dutzende von afrikanischen MigrantInnen, zu versuchen, auf die andere Seite zu kommen. Etwa 60 Personen haben sich montagmorgen auf den Zaun gestürzt, wurden aber von der Polizei zurückgedrängt und in Richtung eines Bachbetts geworfen, das normalerweise ca. 50cm tief ist, aber einige Stunden später fast vier Meter, dessen Zugang normalerweise durch ein Stauwerk blockiert ist, das die Polizei aber gezwungen war zu öffnen wegen des Regens.
Ungefähr 30 Leute haben dann Melilla erreicht, die höchste Zahl seit Sommer 2005, wie die spanischen Medien berichten. 13 begaben sich zur lokalen Polizei und wurden in ein Auffanglager gebracht.
Etwa 20 haben am Dienstag morgen nochmal ihr Glück versucht, einen Grenzposten zu überrennen während eines Regengusses, aber vergeblich. Mittwoch morgen haben etwa 10 Leute versucht, hinüberzukommen, indem sie sich in einen Wasserlauf warfen, der die beiden Territorien trennt. Zwei der Grenzwächter, die ihnen den Weg blockierten, wurden leicht verletzt.
Text übernommen von :: buerengruppe.wordpress.com