Quellenangabe:
Bericht & Fotos: Proteste in Dessau (vom 12.12.2008),
URL: http://no-racism.net/article/2743/,
besucht am 21.11.2024
[12. Dec 2008]
Nach 59. Prozesstagen endete am 08. Dezember 2008 der Prozess gegen zwei Polizisten der Dessauer Polizei vor dem Landgericht Dessau-Roßlau mit Freisprüchen.
Am 7. Januar 2005 starb der Asylbewerber Oury Jalloh in einer Zelle im Dessauer Polizeirevier. Oury Jalloh floh im Jahre 2000 vor dem Bürgerkrieg aus Sierra Leone nach Deutschland. Fünf Jahre später verbrannte er auf einer feuerfeste Kunstledermatratze in deutschen Polizeigewahrsam. Mit angelegten Fesseln die an Eisenringe in Wand und Boden gezogen waren.
Fotos von den Protesten am letzten Prozesstag beim :: Umbruch Bildarchiv und von Björn Kietzmann auf :: flickr.
"(..)Die Gewahrsamszelle ist durch eine Sprechanlage mit den Räumen der diensthabenden Beamten, Andreas S. und Beate H., im ersten Obergeschoss verbunden. In die Zelle ist ein sehr sensibles Mikrofon eingebaut, durch die auch normales Sprechen gut hörbar ist. Doch als gegen 12.00 Uhr ein Feuer ausbricht und Jalloh mit aller Kraft um sein Leben gebrüllt haben muss, hören die diensthabenden Beamten offenbar nichts. Der Dienstgruppenleiter Polizeihauptkommissar Andreas S. soll die Gegensprechanlage leise gedreht haben, weil er sich beim Telefonieren belästigt fühlte. Die Beamtin Beate H., die dies bemerkt haben soll, soll den Ton wieder lauter gestellt haben.
Kurz nach zwölf wollen Andreas S. und Beate H. ein Plätschern aus der Zelle gehört haben, in der Jalloh gefesselt liegt. Als der Rauchmelder anschlägt, soll Andreas S. den Alarm abgestellt haben. Der Melder habe öfter Fehlalarm angezeigt, wurde später zu Protokoll gegeben. Die Anlage wurde jedoch im September 2004 repariert. Fehlalarme soll es nach der Reparatur nicht mehr gegeben haben
Dann sollen Andreas S. und Beate H. Rufe von Jalloh gehört haben und ein, wie es heißt, lautes Plätschern. Der Rauchmelder schlägt erneut Alarm. Andreas S. soll wieder den Aus-Knopf gedrückt haben. Die Kollegin Beate H. löst Alarm aus. Auch der Rauchmelder aus dem Lüftungsschacht schlägt nun an. Als ein Beamter um 12.11 Uhr zur Zelle im inzwischen völlig verqualmten Keller vordringt, vernimmt er kein Lebenszeichen von Jalloh mehr. Die Feuerwehr dringt um 12.35 Uhr zur brennenden Leiche vor." (Zitat-Quelle :: Chronologie der Ereignisse auf ouryjalloh.wordpress.com)
Am letzten Prozesstag fand vor dem Gerichtsgebäude eine Kundgebung statt. Im Laufe des Tages wurde auch eine Demonstration durch die sachsen-anhaltinische Kleinstadt durchgeführt. An der Stelle wo am 11. Juni 2000 Nazis Alberto Adriano ermordeten, wurde eine Gedenkminute abgehalten.
Viele Sympathie-Bekundungen erhielt die Demonstration in der Stadt welche damit wirbt "Raum für Miteinander" zu bieten nicht. Stattdessen flog bereits nach wenigen Metern Demostrecke ein Ei auf die Protestierenden. Immer wieder kam es zu verbalen Anfeindungen von Autofahrern, Radfahren oder Passanten.
Die Demonstration über den Weihnachtsmarkt laufen zu lassen wurde im Vorfeld verboten, stattdessen fand die Zwischenkundgebung nun an einem unbelebteren Platz statt. Hier wurde erneut eine Schweigeminute abgehalten. Diesmal für Oury Jalloh und für Mario Bichtmann. Der Obdachlose Mario Bichtmann, verstarb im Jahr 2002 in Zelle 5 vom Dessauer Polizeirevier. Also in der selben Zelle in der Oury später verbrannte. Bichtmann verstarb an einem Schädelbruch, der verantwortliche Dienstgruppenleiter, war wie bei Oury Jalloh der am 08.12.2008 freigesprochene Andreas S.
Die permanenten Aufforderung seitens der DemonstrationanmelderInnen die massiv Vorort präsenten Polizeikräfte im Hintergrund zu halten, bzw. diese abzuziehen, stießen auf taube Ohren. Als der Protestzug das Dessauer Polizeirevier erreichte, kamen circa zwei Dutzend PolizistInnen in Einsatzuniformen aus dem Gebäude gerannt. Sie bildeten eine dichte Kette vor der Polizeiwache und begannen damit die inzwischen auf der Treppe stehenden DemonstrationsteilnehmerInnen zu bedrängen. Auch von den anderen Seiten kamen nun zum Teil behelmte Polizeikräfte auf die Demonstration zu und kesselten diese vollständig ein. Es folgte ein Angriff mit einer versuchten Ingewahrsamnahme - wegen Nichtbeachtung eines Platzverweises. Dies wurde von der Demo allerdings verhindert. "Ihr müsst uns umbringen damit wir hier weggehen" - rief ein Versammlungsteilnehmer in Richtung der PolizistInnen.
Nach einiger Zeit wurde die Demonstration sehr entschlossen zum Gericht fortgesetzt, die Polizeiketten wichen. Auf dem Weg zum Gericht kam es an einigen Stellen zu wiederholten Provokationen seitens der Polizei. Am Gerichtsgebäude folgte ein erneuter Angriff auf die Demonstration - eine Person wurde festgenommen. Eine zweite Festnahme findet im Gerichtssaal statt. Die beiden Gefangenen wurden noch vor dem Ende der Kundgebung freigelassen.
Eine Auskunft darüber wie viele BeamtInnen die Polizei am 08.12.2008 einsetzte, wurde auf Anfrage verweigert: "Dazu äußern wir uns grundsätzlich nicht", so der zuständige Einsatzleiter auf Anfrage. Das Großaufgebot diene allerdings vor allem dem Schutz der VersammlungsteilnehmerInnen vor möglichen Übergriffen auf die Protestierenden, versicherte der Beamte.
Quelle :: de.indymedia.org vom 09.12.2008