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Quellenangabe:
Sesselmeere fürs Bleiben - eine Dokumentation (vom 26.01.2009),
URL: http://no-racism.net/article/2793/, besucht am 19.04.2024

[26. Jan 2009]

Sesselmeere fürs Bleiben - eine Dokumentation

Am 10. Oktober 2008, dem dezentralen Aktionstag für die Freiheit der Bewegung, fanden an zahlreichen Orten in Österreich sogenannte Sesselmeere für ein Bleiberecht statt. Dokumentation eines Artikels von at.indymedia.org.

Zum Aktionstag


In Oberösterreich haben sich in den vergangen zwei Jahren zahlreiche Bürger_inneninitiativen gebildet, die von Abschiebung bedrohte Menschen in ihrem :: Kampf um ein Bleiberecht unterstützen. Die Idee zu einem Aktionstag im Oktober entstand deshalb nicht zufällig auf einer bundesweiten :: Bleiberechtskonferenz im April 2008 in Linz. Diese Idee wurde bei zwei Folgekongressen in Wien konkretisiert. Kritisiert (siehe :: offener Brief der Plattform Bleiberecht Innsbruck (pdf)) wurden die Initiator_innen des Sesselmeers vor allem wegen ihrer :: Forderungen, die mit den Anliegen vieler Aktivist_innen nicht vereinbar sind und als :: 'nicht akzeptabel' bezeichnet wurden. Für Diskussionen über die Inhalte fanden auf der :: Mobilisierungskonferenz Ende August keinen Raum. Bei den Aktionen am dezentralen Aktionstag spielten die problematisierten Forderungen kaum einen Rolle, in der Berichterstattung in den Medien wurde aber meist darauf Bezug genommen und andere Positionen fanden kaum einen Raum.

Als Ziel nannten die Organisator_innen der Sesselmeere, eine Diskussion über "eine faire und menschenwürdige Bleiberechtsregelung" auslösen zu wollen. Insgesamt nahmen mehrere 1000 Menschen an den Sesselmeeren in den 9 Landeshauptstädten und einigen weiteren Orten sowie weiteren dezentralen Aktionen teil.


Berichte aus den Städten


In Linz, der Landeshauptstadt Oberösterreichs, versammelten sich 500-600 Aktivist_innen am Hauptplatz und brachten ihre Meinung zur Abschiebepolitik in Österreich zum Ausdruck. Gesprächsthema in Linz war u.a. die Entscheidung der BH Vöcklabruck, die den Geschwistern von Arigona Zogaj keine Schüler_innenvisas verleihen will. (:: Fotos beim Jugendkulturverein Jump | :: auf flickr)


In der Innenstadt von Graz nahmen rund 250 Personen am Sesselmeer am Tummelplatz teil. (:: Kurzkommentar | :: Fotos | :: mehr Infos bei Zebra)


Auf Initiative der :: Plattform Bleiberecht versammelten sich in Innsbruck rund 140 Personen mit einem Sessel im Waltherpark. Darüber hinaus gab es auch eine Kundgebung mit Infotisch beim Schubhaftzentrum. (:: Fotos 1 | :: 2)

chilli.cc berichtet vom Sesselmeer in Innsbruck unter dem Titel "Mein linker, linker Platz ist leer". Zusätzlich gibt es Fotos aus Innsbruck und Wien mit den Titeln: "Bleiberecht und böse Wölfe" sowie "Sesselrücken in Tirol".

Mit der Aktion "Sesselmeer" forderten Aktivisten das Bleiberecht für alle. Samt inkludierter Sitzgelegenheit. Erwachsenentag auf dem Spielplatz beim Innsbrucker Waltherpark. Und auf dem Wiener Ballhausplatz. Etwas skurril? Es kommt noch besser. In immer kürzeren Abständen strömt Jung und Alt herbei, den Sessel geschultert und rottet sich zu einer kleinen Gruppe zusammen. Mit dem Anspruch: "Wir sind heute gekommen, um ein Zeichen zu setzen", wird die erste Rede des Tages eröffnet und langsam kehrt etwas Ruhe in den wirren Haufen. Am 10. Oktober, dem Tag des Bleiberechts, fanden sich bundesweit Menschen unter der Aktion "Sesselmeer" zusammen....

Achtung! Anzumerken ist, dass auf der Startseite von chilli.cc ein Interview mit einem rassistischen Jungpolitiker aus Wien zu finden ist, der ein "Ausläderproblem" herbeihalluziniert und im Nazislang meint, Punks und Skins seien "Asoziale". Ein weiterer Artikel auf der Seite lautet "Erinnerungen an Haider". Ist also alles in allem problematisch. Deshalb die Anmerkung - und hier der Link: chilli.cc/?id=84-1-20


In Salzburg demonstrierten 80-90 Personen vom Hauptbahnhof zum Alten Markt. Dort wurde von 15-18 Uhr ein "Sesselkreis" gebildet, es gab Redebeiträge und Infotische. (:: Kurzbericht :: Fotos auf flickr)


In Klagenfurt "waren laut :: bleiberecht.at 300-400 Leute bei der Aktion und viele waren sehr gerührt vom regen Zulauf während der Veranstaltung. Eine Schauspielerin, stellte eine Abschiebeszene dar, es gab Livemusik und dazwischen Berichte zur Lage von den teilnehmenden Organisationen. Die Schwestern aus dem Kloster Werberg haben sich als Sängerinnen versucht und das Lied "Kummts lei eina in die Stubn" vorgesungen." In mehreren Redebeiträge wurde insbesondere die :: systematische Ausgrenzungspolitik von Jörg Haider (der in der darauf folgenden Nacht in den Tod raste) und des BZÖ kritisiert. (:: Fotos auf flickr | :: Fotos und Hintergrundinfos bei kärnöl | :: Aktionskomitee Kärnten).


In Wien fanden sich rund 500 Personen beim Sesselmeer am Ballhausplatz ein. Auch wenn die von zahlreichen Aktivist_innen kritisierten, auf ein Bleiberecht für so gen. "integrierte", schon länger in Österreich lebende, Personen konzentrierten, Forderungen von großen Organisationen als quasi offizielle präsentiert wurden, waren die weiter gehenden Anliegen, allen Menschen Bewegungsfreiheit und offene Grenzen zu garantieren, auf Infotischen von unabhängigen Initiativen präsent. Vermutlich haben sich an dem Sesselmeer mehr als die gezählten 500 Personen beteiligt, wenn wir die Fluktation der Teilnehmer_innen berücksichtigen. (:: Bericht auf bleiberecht.at | :: auf nochrichten.net | :: Fotos auf Indymedia | :: Fotos auf Flickr | :: Audios | Videos auf Youtube (ZIB Beiträge): :: 1 | :: 2 | :: 3)


Von 9-14 Uhr wurde am Riemerplatz in St. Pölten "für ein "Bleiberecht" für integrierte Migranten demonstriert", wie es in einem :: Bericht auf bleiberecht.at heißt, und weiter:

"Ein Komitee aus Caritas, Diakonie, Volkshilfe, Verein Wohnen, Emmaus, AI, Jugendzentrum Steppenwolf, Betriebsseelsorge, Südwind forderten "Rechtsstaat statt Gnadenakt", "Menschenwürde und Fairness", sowie einen Kurswechsel in der österreichischen Fremdenpolitik. (...) Aufgelockert wurde die Aktion mit einem großen 'Sesselmeer', welches auf die freien Plätze für die bereits integrierten, aber rechtslosen Migranten hinwiese, sowie mit Pantomimeeinlagen von Gerhard H(...) mit einer Tänzerin. Zum Teil heftige Diskussion löste die Veranstaltung bei den zahlreichen BesucherInnen aus, aber auch Verständnis für menschliche Regelungen bei unmenschlichen Fremdenrechtsparagraphen."

In der Folge wird auf die Unterstützung der kath. und evangelischen Kirche hingewiesen und die Abwesenheit der Politiker_innen beklagt. Der Bericht endet mit dem Hinweis, dass "die baldige Zukunft ein Handeln eben dieser PolitikerInnen für ein menschenrechtskonformes Bleiberecht" fordert.


In St. Andrä-Wördern (NÖ) fand am Tag des Bleiberechts zwischen 16.00 und 17.00 Uhr ein Sesselmeer am Kirchenplatz statt. Dem Aufruf waren zahlreiche Einwohner und Einwohnerinnen St. Andrä-Wörderns gefolgt. (...) Unterstützt wurde die Aktion von: * Grenzenlos St. Andrä-Wördern * Katholische und Evangelische Pfarre * Grünen St. Andrä-Wördern
:: ganzer Bericht mit Bildern auf bleiberecht.at | :: Bericht bei Grenzenlos St. Andrä-Wördern


Zum Sesselmeer in Bregenz und den ausgrenzenden Forderungen:

In Bregenz hatte u.a. die Caritas und Pax Christi :: zum Sesselmeer aufgerufen und bereits am Donnerstag eine Pressekonferenz organisiert. Am Freitag beteiligten sich 50 Personen am Sesselmeer in der Innenstadt. Als Kommentar zu den :: Fotos auf flickr wird festgehalten, dass es sich um ein "Sesselmeer für ein Bleiberecht für integrierte unbescholtene Asylwerber/innen mit langer Verfahrensdauer" handelte.

Derartige Aussagen bestätigen einmal mehr die Problematik der :: "offiziellen Forderungen", die von einigen größeren Organisationen und NGOs für ihren "Tag des Bleiberechts" aufgestellt wurden und mit denen sie Politiker_innen zum Handeln bewegen wollen. Wer denkt, dass es dabei um tatsächliche Rechte geht, liegt falsch. Denn gefordert wird lediglich "eine faire und menschenrechtskonforme Bleiberechtsregelung. Mit einem Antragsrecht für alle." Mit derartigen Positionen, die der staatlichen :: "Willkür" ein Ende setzen wollen, kann dem rassistischen Konsens in der Bevölkerung wohl kaum begegnet werden. Eher muss festgehalten werden, dass diese Forderungen selbst diesem rassistischen Konsens entspringen und lediglich als "Mitgefühl" gegenüber "armen Hascherln" verstanden werden können.

Damit liegt der Verdacht nahe, dass es den Organisator_innen der meisten Sesselmeere gar nicht um ein Recht zu bleiben, sondern viel mehr um einen Gnadenakt geht. Nahe gelegt sei ihnen deshalb, dass sie versuchen, ihre eigenen privilegierte Position zu hinterfragen. Wer gibt ihnen das "Recht", darüber zu entscheiden, wem grundlegende Rechte zustehen sollen. Diese Position differenziert zwischen Menschen und spricht über seine ausschließende Formulierung vielen ein "Bleiberecht" ab. Wer solche Forderungen formuliert, sollte sich damit auseinandersetzen, dass diese Position rassistisch und :: nicht akzeptabel ist.


Weitere Sesselmeere fanden am 10. Oktober 2008 in Eisenstadt und Steyr (:: Video bei youtube) statt.


In Vöcklabruck organisierte das :: Armutsnetzwerk ein Platzkonzert am Stadtplatz. In einem :: Bericht vom Armutsnetzwerk (.doc) heißt es dazu: Rund 300 Menschen finden sich im Laufe des Platzkonzertes für Bleiberecht ein, welches vom Vöcklabrucker Armutsnetzwerk anlässlich des österreichweiten Tages des Bleiberechts veranstaltet wurde. "Weil wir Platz haben für langjährig hier lebende, gut integrierte Asylwerber und Asylwerberinnen", so lautet die zentrale Botschaft. (...) Mit dieser stimmungsvollen Veranstaltung setzte das Vöcklabrucker Armutsnetzwerk ein deutliches Zeichen an die Politik, dass im Sinne von Menschlichkeit eine menschenrechtskonforme, dem Urteil des VfGH entsprechende Bleiberechtsregelung in Österreich längst überfällig ist. Ein kraftvolles Zeichen, dass viele Menschen eintreten für ein gastfreundliches, die Menschenwürde und die Menschenrechte respektierendes Österreich.


Weitere Informationen auf :: bleiberecht.at (:: Berichte aus den Bundesländern) und in der Rubrik :: 'bleiberecht für alle' auf no-racism.net, gesammelte Berichte vom Akionstag für Bewegungsfreiheit im :: Feature auf at.indymedia.org.

Quelle: Artikel von :: at.indymedia.org, bearbeitet von no-racism.net.