Quellenangabe:
Eine Anmerkung zum Strasbourger NoBorder-Camp (vom 23.08.2002),
URL: http://no-racism.net/article/28/,
besucht am 24.11.2024
[23. Aug 2002]
Eine Anmerkung zum Strasbourger NoBorder-Camp
"ihr Denken und Handeln so einzurichten, dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts ähnliches geschehe" [adorno]
das strasbourger noborder-camp ging am 28. juli zu ende. es war das erste camp das vom gesamten netzwerk organisiert wurde und an dessen aufbau personen aus 15 verschiedenen ländern beteiligt waren. für viele war das camp ein laboratorium für kreativen widerstand, der versuch über die grenzen zu mobilisieren und die zentralen forderungen "freedom of movement" und schliessung des schengen informationssystems (SIS) in eine praxis münden zu lassen. die volXtheaterkarawane war mit ihrem projekt noborderZONE in der strasbourger innenstadt fünf tage lang ein satellit des camps, und hat so einen teil zur öffentlichen sichtbarkeit der Aktivitäten beitragen.
für viele der beteiligten personen war das camp ein erfolg, viele waren aber auch enttäuscht von der unbeweglichkeit und starrheit des camps und seiner organisation, was unter anderem natürlich durch die grösse des camp bedingt war. Insgesamt können wir sagen, dass das camp in strasbourg ein wertvoller versuch war einen raum zu schaffen, damit eine derartig grosse menge von unterschiedlichen menschen und gruppen innerhalb von 10 tagen in diskurs treten und öffentliche aktionen unternehmen kann.
da auch wir an der vorbereitung des camps beteiligt waren werden wir in unserer gruppe und gemeinsam mit den gruppen des noborder-netzwerks die aufgekommenen probleme diskutieren und hinterfragen. Es besteht grosser bedarf an diskussion und nachbearbeitung. wir möchten hier aber einen punkt aus der diskussion vorgreifen und uns zu den vorfällen bei der demonstration am mittwoch dem 24. august äussern.
an diesem tag fand eine demonstration gegen ein abschiebegefängnis in strasbourg statt. dabei wurden immer wieder überwachungskameras ihrer funktion entzogen und diverse stadtverschönerungen vorgenommen.
sprachlos in strasbourg?
die demonstration am mittwoch zog auch an der synagoge von strasbourg vorbei. dabei kam es zu einem angriff auf die kameras der synagoge und den versuch das gebetshaus zu besprühen. es stellten sich sofort einige personen aus der demonstration in den weg und versuchten diejenigen, die es auf die kameras abgesehen hatten, davon abzuhalten gerade diese zu beschädigen. einige liessen es nach aufklärung, dass dieses Gebäude eine synagoge sei, sofort bleiben. einige personen wurden aber handgreiflich und wollten offensichtlich das Gebäude trotz der tatsache das es sich um eine synagoge handelt angreifen. mindestens eine der kameras wurde dabei zerstört.
wir möchten uns von diesem vorfall klar und deutlich distanzieren. jegliche diskussion die nun versucht einen angriff auf eine synagoge mit den politischen verhältnissen in israel und palästina zu legitimieren lehnen wir ab. ein angriff auf eine synagoge kann nur als antisemitisch motiviert verstanden werden. es spielt letztlich auch keine rolle welcher identität die personen waren die tatsächlich das Gebäude beschädigen wollten. es ist eine politische artikulation die deutlicher nicht gemacht werden kann und sie steht in einer linie mit dem jahrhunderte alten hass auf alles jüdische dem die synagogen immer zum opfer gefallen sind.
viele von uns haben von dem vorfall erst nach ihrer Rückkehr nach wien erfahren. auf dem camp selbst war es er nur ein randthema. Vielleicht auch durch die schwerfällige struktur des camps bedingt.
es ist uns klar, dass antisemitismus in linken zusammenhängen permanent vorhanden ist. bei 2000 - 3000 menschen die zu diesem camp gekommen sind, hätte es über sensible themen wie diesem eine wesentlich offensivere diskussion bereits im vorfeld geben müssen. es muss uns möglich sein, inhalte und praxen so zu artikulieren, dass für antisemitInnen kein raum ist.
zur strasbourger jüdischen community
in der strasbourger geschichte kam es immer wieder zu vertreibungen der jüdischen Bevölkerung. bereits um 1350 kam es durch die pest zu wüsten verschwörungen und letztlich zur ermordung der strasbourger jüdischen gemeinde. später in der geschichte war die jüdische gemeinde von strasbourg immer wieder eine anlaufstelle für vertriebene menschen. 1940 wurde die ursprüngliche grosse synagoge von der hitlerjugend niedergebrannt. 1958 wurde die synagoge an der Avenue de la Paix eröffnet. aber auch dieses Gebäude war bereits mehrmals das ziel von rechtsextremen und antisemitischen angriffen.
bei der jüdischen Bevölkerung strasbourgs möchten wir uns dafür entschuldigen, dass ein solcher übergriff während des noborder-camps möglich war.
stellungnahme der volXhteaterkarawane