Quellenangabe:
Prozessbericht vom Mi, 13. März 2002 (vom 13.03.2002),
URL: http://no-racism.net/article/284/,
besucht am 21.11.2024
[13. Mar 2002]
Teil 5: Vernehmung von Polizeibeamten, den Vorgesetzten in der Fremdenpolizei und des ehemaligen Innenministers Löschnak
Die Anwesenden:
Richter Fiala, Zweitrichter, 2 Schöffen, 3 ErsatzschöffInnen, Staatsanwalt, Rechtsanwalt Zanger und sein Konzipient, Rechtsanwalt Rifaat, Rechtsanwalt Ofner, die Angeklagten B., R. und K.
Beginn: 9:15
Der vom Richter beantragte Akt des Innenministeriums zu der parlamentarischen Anfrage von Terezija Stoisits aus dem Jahr 1993 liegt dem Gericht seit 12.03.2002 vor.
1. Zeuge: Siegfried K. (Sicherheitswachebeamter)
Er gibt an, bei den Einvernahmen am 4. 5. 1999 in Schwechat (Flughafen Kripo), am 5. 5. 1999 im Sicherheitsbüro Wien und am 10. 5. 1999 vor der U-Richterin in Korneuburg die Wahrheit gesagt zu haben, kann sich aber an die erste Vernehmung am Flughafen nicht mehr erinnern.
Marcus Omofuma habe er erstmals im Bus beim Gate am Flughafen gesehen. Die Einheit Kranich, der er angehörte, sei - wie immer bei Abschiebungen - zur Unterstützung herangezogen worden, und er selbst habe neben dem Bus, dessen Tür offen war, gestanden.
Marcus Omofuma habe begonnen, mit dem Kopf gegen die Scheibe zu schlagen, offensichtlich, um sich selbst zu verletzen und so der Abschiebung zu entgehen. Von der Herren, die er kaum mehr kennt da es schon lange her ist (zeigt auf die Angeklagten), sei versucht worden, Marcus Omofuma ruhigzustellen, er hätte das aber nicht so genau gesehen.
Sehr schnell fällt ihm nichts mehr ein und der Richter fragt ihn, ob es ihm lieber sei, konkrete Fragen zu stellen - obwohl es schon besser wäre, wenn der Zeuge den Tathergang selbst wiedergeben könnte. Der Zeuge antwortet: Ich bin kein Geschichtenerzähler, und: es ist schon drei Jahre her, da kann man sich doch nicht mehr so genau erinnern
Der Richter fragt, wie versucht worden sein, Marcus Omofuma ruhig zu stellen. Er selbst habe versucht, Marcus Omofuma am Fuß festzuhalten, da dieser, wie dies bei Abschiebungen üblich sei, um sich trat, wobei der Zeuge auch verletzt wurde.
Man habe Marcus Omofumas Hände und Beine mit Klebeband geschlossen, damit er die Polizisten nicht verletzen konnte. Der Zeuge kann sich nicht erinnern, dass jemand gebissen wurde und ebenso kann er sich nicht daran erinnern, dass wer geblutet hat. Weiters fügt er von sich aus hinzu, dass es nicht das erste mal sei, dass ein Beamter gebissen wird, weiss aber von keinem konkreten Fall.
Da Marcus Omofuma schrie, habe man ihm den Mund "ein bisserl abgedeckt", oder doch "verklebt" worden ist, wie er auf Nachfrage des Richters, wie denn ein Mund abgedeckt sein könne, ergänzt.
Das habe er aber nicht gut sehen können, da sich in dem engen VW-Transporter 6 Personen befanden.
Der Richter hält dem Zeugen vor, er habe am 5. 5. 1999 ausgesagt gesehen zu haben, wie Kollegen versuchten, den Mund mit rosarotem Leukoplast zuzukleben, das Marcus Omofuma dann durchgebissen habe, worauf sein Mund mit einem braunen Kunststoffklebeband verklebt wurde; die Nase sei aber auf jeden Fall frei gewesen. Er bestätigt dies und der Richter fragt, wie und wo das Klebeband angebracht worden sei. Der Zeuge lacht ganz kurz und sagt dann: um den Mund drüber. Wenn man Nase und Mund verklabt, kriegt man ja keine Luft. Man habe es jedenfalls gemacht, um Marcus Omofuma am Schreien und Beißen zu hindern. Genaue Angaben zum Fall kann er nicht machen, da es nicht so ein besonderer Fall gewesen sei: Es war ein ganz normaler Fall.
Ein Vertreter der Balkan Air, der verlangte, der Bus solle wegfahren, habe vermutlich nicht in den Bus geschaut um den verklebten Marcus Omofuma zu sehen. Marcus Omofuma sei dann - vom Zeugen und einem Kollegen - in das Flugzeug getragen, in die vorletzte Reihe gesetzt und mit einem Band am Sitz befestigt worden, damit er sich nicht nach vorne bewegen kann (um dies zu veranschaulichen, wippt der Zeuge kurz mit dem Oberkörper nach vor). Mit welchem Band und wie genau, weiss der Zeuge nicht mehr. Jedenfalls habe man auch die Arme festgeklebt, damit er sich nicht am Kopf verletzen könne. Der Oberkörper sei mit einem braunen Klebeband, nicht mit einem Gummiseil, Leinengurt oder Gürtel am Sitz befestigt worden.
Der Richter fragt weiter, ob Omofuma Abwehrhandlungen gesetzt habe, als er in den Sitz gesetzt wurde. Nach kurzem Nachdenken antwortet er, dass könne man nicht so sagen, vielleicht hätte er sich bewegt, aber nicht randaliert. Dass Omofuma vor dem Verkleben und Festbinden am Sitz auf den Vordersitz geschlagen hätte, glaubt der Zeuge eher nicht. Marcus Omofuma sei durch die vordere Türe ins Flugzeug gebracht worden, da die hintere Türe verschlossen war. So hätten sie das gesamte Flugzeug durchqueren müssen. Es hätte Öfters Personen gegeben, die über die hintere Treppe hinaufgetragen wurden. Mit der Crew habe er nicht mehr gesprochen.
Auf Vorhalt des Richters, er habe bei einer früheren Einvernahme ausgesagt, Marcus Omofuma habe frei atmen können und hätte keine gesundheitlichen Probleme gehabt, alles sei ganz normal gewesen, meint der Zeuge, für ihn sei das eine normale Abschiebung gewesen. Auch das Mundverkleben sei ganz normal gewesen, es sei erst dann (nach dem Tod Marcus Omofumas) publik geworden, vorher habe es noch keine Regelungen gegeben.
Er habe während seiner 5jährigen tätigkeit 2 bis 3 mal gesehen, dass der Mund verklebt wurde. Die einzige Vorschreibung sei gewesen, dass die Abschiebungen durchgeführt werden müssten, wobei aber niemand verletzt werden dürfe, weder Polizisten noch Abzuschiebende. Er vergleicht Abschiebungen mit der Arbeit eines Dachdeckers und sagt: Wir müssen das machen. Damals war es so: der soll abgeschoben werden und der ist abgeschoben worden.
Auf die Frage des Richters, ob er Vorgesetzte gefragt habe, was man bei Problemabschiebungen mit Kratzen, Beißen und Spucken tun solle, antwortet der Zeuge, die hätten "wahrscheinlich eh gewusst, was da passiert".
Nun stellt Rechtsanwalt Zanger seine Fragen. Der Zeuge berichtet, Marcus Omofuma habe im Bus randaliert, nach dem Verkleben sei er ruhiger geworden und sei nicht mehr so auffÀllig gewesen. Er habe schon Öfter gesehen, dass Abzuschiebende ins Flugzeug getragen wurden, habe es selbst aber sonst nicht gemacht.
Der Zeuge wird nun zu seinem Kollegen G. befragt, der nach seinen früheren Aussagen zum Abreißen der Bordkarten allein zum Balkan Air Gebäude gegangen und allein zurückgekommen sei und die Vorfälle im Bus beobachtet hätte.
Der Zeuge gibt an, damals die Wahrheit gesagt zu haben. Der Station Manager der Balkan Air sei erst später gekommen um zu sagen, der Bus solle wegfahren. Auf die Fragen von Rechtsanwalt Zanger antwortet der Zeuge, er sei bei dem Gerangel im Bus an den Füßen verletzt worden; wo der Kopf Marcus Omofumas gewesen sei und wie das Pflaster ausgesehen habe, wisse er nicht mehr genau. Ob er versucht habe, die Kollegen zu beißen, könne er nicht sagen, da er außerhalb des Busses stand.
Rechtsanwalt Rifaat fragt nun, ob der Zeuge Oberstleutnant R. unterstellt gewesen sei; der Zeuge verneint. Er wisse auch nicht, ob Oberstleutnant R. Kenntnis habe, wie Abschiebungen vor sich gingen. Er selbst habe während der 5 Jahre, die er am Flughafen tätig war, 2-3 mal Verklebungen gesehen.
Beim Kaffee habe man oft über die sehr unangenehme tätigkeit der Abschiebungen gesprochen. Als Rechtsanwalt Rifaat fragt: "Wie oft hörten Sie von Verklebungen - 20, 30 mal?", kommt es zu einem Wortwechsel mit Rechtsanwalt Zanger, der gegen diese Fragestellung protestiert; Dr. Zanger erhält vom Richter die 1. Ermahnung wegen Unterbrechung und wird darauf hingewiesen, das er bei 3maliger Ermahnung ausgeschlossen werde.
Der Zeuge gibt an, 1993 mit der Schule fertig geworden zu sein, erst in Graz, dann in Schwechat seinen Dienst versehen zu haben und in Schwechat in 4,5 Jahren Öfter als 10mal von Verklebungen gehört zu haben. Normalerweise seien Schubhäftlinge immer von 2 oder mehr Beamten begleitet worden. Von Gesundheitsbeeinträchtigungen durch Verklebungen habe er nie gehört.
RA Ofner beginnt sein Statement mit der AusFührung, dass er den Zeugen nichts fragen wolle, was dieser bei den Vernehmungen 1999 erklärt habe, fragt aber noch einmal, ob diese richtig waren. Die Antwort ist ja. Dann führt Ofner aus, was durch das Verkleben alles verhindert werden solle. Bei einem Menschen, bei dem man nicht weiss, ob er gesund ist und "was er einem antun kann", müssten entsprechende Massnahmen ergriffen werden. Er führt die bereits erÃŒrterten "Risiken" wie Beißen und Schreien noch einmal an.
Der Zeuge gibt an, durch Verkleben habe man Beißen, Schreien und Spucken verhindern wollen. Ofner zum Spucken: "O.K. das genügt mir, das ist ja auch schon was...". Auf die Frage, wieviele Beamte anwesend waren, um Marcus Omofuma zu "bändigen" gibt S. an, es seien 5 Leute nötig gewesen, Marcus Omofuma zu bändigen, der im Bus enormen Widerstand geleistet hätte. Auf die Frage Ofners, ob die Vorgesetzten angenommen hätten, die Untergebenen wÃŒssten, was zu tun sei, und ob es neben der Vorgabe, jemanden außer Landes zu schaffen, Vorschriften gegeben hätte, antwortet der Zeuge, er wisse das nicht. Er wisse auch nicht, ob der Station Manager mit den Kriminalbeamten aus Wien oder Schwechat gesprochen habe; zu ihm hätte er nur gesagt, man solle vom Gate wegfahren und die Tür freimachen.
Rechtsanwalt Zanger will, dass seine Beschwerde gegen die Ermahnung ins Protokoll aufgenommen wird. Der Richter belehrt ihn, dass kein Rechtsmittel zulässig ist. Dr. Zanger bleibt trotzdem bei seiner Beschwerde.
Dr. Zanger fragt den Zeugen abschließend, ob sich Marcus Omofuma, als die 5 Beamten versucht hatten, ihn zu bändigen, sich stark gewehrt und angestrengt habe, und der Zeuge bejaht.
2. Zeuge: Christian Z. (Polizeibeamter)
Der Zeuge gibt an, bei seiner Einvernahme am 31. 5. 1999 die Wahrheit gesagt zu haben.
Er arbeite seit 1992 bei der Fremdenpolizei. Mundverklebungen seien in Ausnahmefällen vorgenommen worden, um Bissverletzungen hintanzuhalten, auch er habe es einige Male gemacht. Das Leukoplast gehörte nicht zur dienstlichen AusrÃŒstung, die Kollegen hätten es selbst gekauft und bezahlt. Er selbst sei einmal bei einer Festnahme gebissen worden und habe dann regelmäßig im AKH Aids-Tests machen lassen müssen.
Am Anfang seiner tätigkeit (1993, 1994 oder 1995) habe er in einem Abschiebebericht eine Verklebung wegen Notwehr vermerkt; daraufhin kam der Bericht mit einem kleinen selbstklebenden Zettel versehen an ihn zurück. Auf dem Zettel stand, er solle den Bericht noch einmal schreiben, die Verklebung aber nicht mehr erwähnen. Ob es eine Unterschrift auf dem Zettel gab, weiss der Zeuge nicht mehr. Jedenfalls verfasste er einen neuen Bericht. Er habe sich nichts dabei gedacht, die Sache sei ja vorbeigewesen und der Abgeschobene in Afrika; es würde keine Schwierigkeiten geben, ob nun über die Verklebung geschrieben worden wäre oder nicht. Niemand würde nachfragen.
außerden sei er noch jung und neu in der Dienstelle gewesen und habe nicht unangenehm auffallen wollen. Den kleinen gelben Zettel habe er als Ersuchen, nicht als Weisung aufgefasst. Schubberichte gingen immer an den Leitenden, an das Hauptreferat und den Referenten.
Von Gesprächen mit Vorgesetzten über das Verhalten bei renitenten Abzuschiebenden habe er nichts gehört, auch nichts nichts von einer Dienstbesprechung, bei der sein Vorgesetzter H. gesagt haben will, dass Mundverkleben untunlich sei. Gespräche seien nur in kleinem Kreis geführt worden; er habe angenommen, Mundverkleben sei rechtens, es habe auch weder mündliche noch schriftliche Vorschriften gegeben.
Nun stellt Rifaat seine Fragen. Zu dem Foto mit einem verklebten Kopf, das ein Minister gesehen haben soll, meinte der Zeuge, es habe so ein Foto gegeben, das Kollegen von einem Schwarzafrikaner in einem Flugzeug gemacht hätten. Wie groß es gewesen sei, wisse er nicht. Er wisse auch nicht, warum das Foto gemacht worden war und wie lange es in dem Zimmer hing, vielleicht ein halbes oder ein Jahr. Warum es nach dem 1.5.1999 weg war, danach habe er nicht gefragt.
Auch er habe Mundverklebungen vorgenommen. Er erinnert sich an die Abschiebung - wahrscheinlich in den afrikanischen Raum -, die er in dem oben erwähnten Bericht erwähnt hatte, sowie an eine Abschiebung Ende 1998 oder Beginn 1999 nach Lagos. Einmal konnte die Verklebung während des Fluges entfernt werden, beim anderen Mal nicht, da der Abzuschiebende fast bis zur Zwischenlandung renitent war. Bei dieser Abschiebung musste man beim Zwischenstopp die ÃŒrtliche Polizei zu Hilfe holen, der Abzuschiebende wurde dann in einem eigenen Raum untergebracht, wo die Verklebung entfernt wurde. Beim Weiterflug wurde dann nochmals verklebt. Man habe auf ihn eingeredet; seine Lage sei aussichtslos, er solle den Widerstand aufgeben, dann würde man die Fesseln lockern. Es habe nichts genützt.
Wie bei allen sehr aggressiven Abzuschiebenden seien immer 3 Beamte mitgefahren. außer Mundverklebungen seien auch Hände und Füße geschlossen worden, man habe die Person am Sitz mit Stoffbändern und Klebestreifen fixiert - wie genau, weiss der Zeuge nicht konkret. Da der Mann mit den Schultern gestoßen und mit den Füßen gezerrt habe, habe man die Verklebung nicht lösen können. Er habe auch nicht die Toilette aufsuchen können, denn man habe befürchtet, er könnte zum Piloten gehen. Er habe die Abschiebung aber nicht abgebrochen, denn er brach nie von sich aus eine Abschiebung ab.
Ob er den Anordnungen des KapitÀns unterstellt gewesen sei, wisse er nicht. Bei dieser Abschiebung habe man keine Atemnot, keine SchwÀchung und keine Gesundheitsbeeinträchtigung bemerkt.
Rechtsanwalt Ofner fragt zuerst nach dem oben erwähnte Foto. Der Zeuge erzählt, Minister Einem sei durch alle Zimmer gegangen; was er zu dem Bild gesagt hätte, wisse er nicht, da er nicht dabei gewesen sei. Von der von seinem Vorgesetzten erwähnten Dienstbesprechung wisse er nichts. Beim Rapport sei nicht gesagt worden, man dürfe nicht verkleben. Vor dem Tod Marcus Omofumas gab es keinerlei Vorschriften, seither gäbe es diese "packelweise".
Ofner fragt nochmals nach der vorhin beschriebenen Problemabschiebung. Der Zeuge berichtet, man habe die Fesseln vor der Landung in Lagos entfernt. Viele afrikanische Abzuschiebende hätten die Polizisten vor der Landung um Geld gebeten. Abzuschiebende könnten immer vor dem Flugantritt auf die Toilette. War ein Häftling renitent, könnten weder er noch der begleitende Polizist die Toilette aufsuchen.
Rechtsanwalt Zanger fragt nun, warum damals vor dem Sinkflug die Verklebung entfernt worden sei. Der Zeuge meint, dies sei geschehen, da der Häftling sein Verhalten eingestellt hatte. Man habe ihm gesagt, er solle ruhig sein, da die Polizei in Lagos auf ihn warten und ihn sonst auch einsperren würde. Die Verklebung sei jedenfalls nur abgenommen worden, wenn die Sicherheit gewährleistet gewesen sei.
Auf die Frage Rifaats, warum neuerlich verklebt geworden sei, meinte der Zeuge, dass eine neuerliche Sicherung vorgenommen werden musste, da der Abzuschiebende gebissen und Widerstand geleistet hätte.
3. Zeuge: Herbert K. (Kriminalbeamter, Wasagasse)
Er ist seit 1.2.2002 in Pension.
Bei der Einvernahme am 8.6.1999 durch die U-Richterin habe er die Wahrheit gesagt.
Er war seit 1976 bei der Fremdenpolizei tätig und damals Stellvertreter des Leiters der Fremdenpolizei. Der Zeuge gab an, dass 1995 zum ersten mal in einem Bericht aufgeschienen sei, dass bei Abschiebungen Klebebänder - auch zum Verkleben des Mundes - verwendet wurden. Er wisse dies, weil er auf Auftrag des Gerichts alle einschlÀgigen Berichte ausgehoben hätte.
Der Richter fragt nun nach dem oben erwähnten Schubbericht, der mit einem gelben Zettel versehen an den Beamten zurückkam und ohne die Erwähnung der Verklebung neu verfasst werden sollte. Der Zeuge antwortet, er sei damals (1994/95) in leitender Funktion tätig gewesen und habe alle Schubberichte gesehen. Akten seien immer zu ihm und zum Referenten gekommen. Von einem gelben Zettel wisse er nichts. Auch von einer internen Weisung wisse er nichts. Wenn verklebt wurde, stand es in der Meldung.
Der Zeuge wusste auch, dass die Beamten wie die deutschen Kollegen Klebebänder besorgten und bei aggressivem Verhalten Verklebungen vornahmen. für Herbert K. ist Mundverkleben von Schubhäftlingen das gelindeste Mittel, ohne das ein Kontakt nicht möglich gewesen wäre. Man habe sie höflich von ihrer Abschiebung unterrichtet, daraufhin hätten sie sich schon im Polizeigefängnis zu Boden geworfen. Die Beamten hätten aber ihre Aufgabe durchführen müssen.
Im Jahr 1996 sei ein Schreiben vom UVS gekommen, zu dem der Vorgesetzte H. eine Stellungnahme geschrieben hätte, die an Dr St. und den Leiter der Abteilung 4 weitergeleitet worden sei. Daraufhin sei nichts geschehen.
Wenn ein Häftling sich beruhigt hätte, hätten die Beamten automatisch das Band abgenommen. Meist sei dies beim Abflug geschehen, die Abzuschiebenden hätten dann auch essen und trinken können. Es habe weder mündliche noch schriftliche Anweisungen von oben gegeben. Er wisse auch nichts von einer Dienstbesprechung oder von der ÃuÃerung, man solle das Verkleben unterlassen. Auch in der Stellungnahme des Vorgesetzten H. an den UVS 1996 sei nichts davon gestanden.
Damals wollten außer Balkan Air und Aeroflot keine Fluglinien Schubhäftlinge mitnehmen, denn diese traten oft Sitze heraus. Mit Aeroflot dauerte ein Flug in den Sudan 15 Stunden. Häftlinge und Polizisten konnten oft nicht das WC aufsuchen. Einmal habe man auch aus Rom zurückfliegen müssen.
Der Richter stellt nun die Frage, warum Problemabschiebungen nicht abgebrochen und die Schubhäftlinge wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt angezeigt worden Wären, oder warum man nicht Chartermaschinen eingesetzt hätte. Der Zeuge meint, Abschiebungen mit Charterflugzeugen würden 650 000S kosten, andere nur 60 000 S. Wie oft es nach dem 1.5.1999 zu Abschiebungen per Chartermaschine gab, wisse er nicht.
Er erwähnt dann noch, man sei entgegenkommend gewesen und habe den Abgeschobenen in Lagos Geld gegeben. Er meinte: "Wir können nichts dafür. Ich habe 42 Dienstjahre." Bei der Durchsicht der Berichte habe er von 5 - 6 Verklebungen gelesen.
Auf die Frage des Richters, warum Beamte ein eigenes Equipment gehabt hätten, wenn Verklebungen so extrem selten vorkamen, weiss der Zeuge keine Antwort. Das Ministerium habe aber angeordnet, dass 3 Beamte die Abschiebung durchführen sollten, wenn Schubhäftlinge schon bei ihrer Einvernahme Widerstand angekündigt hätten. Wer im Ministerium bzw. welche Stelle die Anordnung gab, dass bei der Abschiebung Marcus Omofumas 3 Beamte mitfliegen sollten, weiss der Zeuge nicht mehr. Jedenfalls sei das Ministerium von einem Referenten informiert worden, wenn jemand Widerstand ankündigte.
Der Zweitrichter will wissen, warum das Equipment privat gekauft worden und nicht von der Dienstbehörde ersetzt worden sei. Der Zeuge meint nur, es sei nichts geschrieben worden. Die Untergebenen hätten auch nie um Rat gefragt.
Dr. Zanger fragt, ob der Zeuge von der Entscheidung des UVS, Verkleben sei menschenrechtswidrig, gewusst habe; der Zeuge verneint.
Dem Zeugen waren aus Berichten oder Erzählungen Gesundheitsbeeinträchtigungen nach Verklebungen nicht bekannt. Das Bild, das bis zum 1.5.1999 in einem Zimmer der Fremdenpolizei hing, kannte der Zeuge. Es zeigte ein Foto von einem Häftling und ein Flugticket. Ob der Mund des Häftlings verklebt war, wisse er nicht mehr.
In der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage von Terezija Stoisits heißt es, ein Biss könne nach dem herrschenden Wissensstand Krankheiten hervorrufen, deshalb solle man unter Schonung der Person konsequent vorgehen. Der Richter fragt nun, was "konsequent" bedeute. Der Zeuge weiss es nicht.
Auf die Frage Ofners antwortet der Zeuge, Beamte hätten sich schon nach Problemabschiebungen an ihn gewendet und berichtet, sie hätten psychologisch auf die Abzuschiebenden einwirken können, worauf sich diese beruhigt hätten. Aufträge oder Befehle habe es keine gegeben, man sei auf sich allein gestellt gewesen. Die Kollegen seien alle höflich und an einer ruhigen Abschiebung interessiert gewesen, Fremden gegenüber seien sie gefühlvoll eingeschritten.
Sie seien alle "Kriminalministranten". Einmal habe Minister Einem sich bei ihnen bedankt, da sie einem Schwarzafrikaner geholfen hatten. Dabei seien die Beamten in Lagos nicht gut behandelt worden. Der Zeuge sei 5 - 6mal in Lagos gewesen, wo ihm im VIP-Raum ohne Gegenleistung Geld abgenommen worden wäre (2 mal 5 Dollar).
Die Gesundheit der Beamten habe Priorität gehabt; man sei jedoch gebissen worden.
Ofner fragt sich nun, welch Folgen es gehabt hätte, wenn man infolge von Widerstand immer wieder Abschiebungen abgebrochen hätte; das hätte sich herumgesprochen und hätte letztlich nach einigen erfolglosen Abschiebungsversuchen und dem Ablauf der Schubhaft, die ja zeitlich begrenzt ist, zur Entlassung der Schubhäftlinge geführt.
Ofner erkundigt sich nach einer "Frage von oben" (von einem Juristen des Innenministeriums) nach der politischen Richtung der Angeklagten nach dem 1.5.1999. Der Zeuge antwortet, die politische Einstellung seiner Untergebenen habe ihn nie interessiert. Die Angeklagten seien nur durch Ausfällen eines Formulars einer Partei aus der Gewerkschaft ausgetreten.
Er erwähnt auch noch, dass die 3 Angeklagten am 10.5.1999 bei Michael Sika, dem damaligen Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, waren, und auch dieser habe nichts von der oben erwähnten Entscheidung des UVS gewusst.
4. Zeuge: Karl H. (leitender Kriminalbeamter)
Der Zeuge gibt an, zu seiner Aussage vor der U-Richterin am 5.6.2002, die im großen und ganzen richtig sei, noch etwas hinzufügen zu wollen, das ihm zum damaligen Zeitpunkt nicht bewusst gewesen sei.
Zuerst geht er auf das oben erwähnte Bild ein. 1995 habe ihm der Angeklagte Bezirksinspektor B. vor einem Besuch des damaligen Innenministers Einem Fotos vorgelegt, die er dem Minister zeigen wollte. Es handelte sich dabei um Bilder von Abschiebungen, eines zeigte einen Menschen mit verklebtem Mund. Als der Minister kam, habe man ihm die Bilder gezeigt. Ob er das Bild mit der Verklebung sah, kann der Zeuge nicht angeben, da er nicht dabei war.
Der Zeuge war vom 25.1.1995 bis zum 4.6.1999 bei der Fremdenpolizei tätig, erst als provisorischer, dann als bestellter Leiter.
Anfang Juni 1999 schied er aus persönlichen Gründen aus der Fremdenpolizei aus.
Er war der unmittelbare Vorgesetzte der drei Angeklagten.
1995 sah er das Foto mit der Verklebung, er registrierte die Sache aber nur am Rande und vergaà sie bald. Von der parlamentarischen Anfrage der Abgeordneten Stoisits aus dem Jahr 1993 wusste er nichts.
1996 anlässlich der Beschwerdeerledigung für den UVS wurde ihm erstmals die Thematik Problemabschiebung bewusst und es kamen ihm Bedenken, dass etwas passieren könnte, sollte eine Verklebung zu lange dauern. Er beantwortete und begründete die Beschwerde mit einer Notwehrsituation, bei der sich die Beamten vor Bissen von Schubhäftlingen nur mit Leukoplast schützen konnten. Er legte die Beschwerde Dr. Stortecky vor, und sie ging dann den dienstlichen Weg. Der Zeuge hoffte auf eine Durchleuchtung der Sache und ein eindeutiges UVS Erkenntnis.
Ohne ein solches Erkenntnis habe er den Beamten das Verkleben nicht verbieten können, da er sonst die Beamten, die ja ihren Auftrag durchführen mussten, in Stich gelassen hätte.
Als kein Erkenntnis eintraf, erkundigte er sich schließlich nach 1 - 2 Jahren und erfuhr, dass die Beschwerde aus formalen Gründen abgewiesen worden war. Da weder Dr. Stortecky noch das RechtsBüro für Organisation und Fachaufsicht reagierten und es weder zu einer Durchleuchtung noch zu einer Anweisung kam, dachte der Zeuge, das Verkleben sei rechtens.
1998 wurde wieder eine Verklebung bekannt. Wieder gab es keine Reaktion von UVS oder RechtsBüro. Der Zeuge fühlte sich in einer schwierigen Situation alleingelassen - er konnte den Beamten ja nichts verbieten, wenn vorgesetzte Stellen davon wussten und von ihrer Seite kein Verbot ausgesprochen wurde. Die Beamten seien in einer schwierigen Situation gewesen und hätten Mittel verwenden müssen. Er habe aber auf die einzelnen Beamten eingewirkt, wenn er von einer Verklebung erfuhr. Er habe gedacht, es passiere nur selten - wenn es unbedingt nötig sei, in besonderen Situationen oder bei gewalttätigen Häftlingen. Er redete aber mit den Beamten und sagte ihnen, sie sollten es nicht mehr tun, es könne jemand dabei sterben.
Er hielt auch im Herbst 1998 vor versammelter Mannschaft zwei Dienstbesprechungen über das Problem ab; das war nach dem Vorfall in Belgien, als eine Nigerianerin bei der Abschiebung mit einem Kissen erstickt wurde. Dies sei eine gute Gelegenheit gewesen, die Beamten auf die Problematik hinzuweisen. Bei einer längeren Verklebung hätte ja jemand sterben können. Er habe auch gesagt, sollte eine Abschiebung nur mit Verklebung möglich sein, sei es besser, die Abschiebung abzubrechen und ins Gefangenenhaus zurückzukehren.
Der Richter weist nun darauf hin, dass niemand sich an diese Dienstbesprechungen erinnern könne. möglicherweise spreche der Zeuge nur davon, um "seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen".
Der Zeuge erwidert, er habe ab 1996 den Kopf nicht in der Schlinge gehabt, da ja die zuständigen Stellen nicht reagierten. Der Richter meint, dass es aber auch eine Selbstverantwortung gebe.
Nun wird über die Verwendung von Klebebändern gesprochen. Der Zeuge hatte vorerst in einem Bericht nur gelesen, jemand sei am Sessel fixiert gewesen, er habe aber nicht gewusst, ob dies mit Klebebändern geschehen war oder nicht. Von der parlamentarischen Anfrage aus dem Jahr 1993, in der von Klebebändern und Plastik die Rede war, habe er nichts gewusst.
Ebenso wusste er nichts vom oben erwähnten Equipment der Beamten. Abschiebungen seien meist am Samstag erfolgt, an denen er keinen Dienst gehabt hätte.
Der Zweitrichter fragt nun, wer beim Besuch des Ministers die Bilder kommentiert habe; der Zeuge weiss es nicht. Er selbst habe mit dem Minister nicht über die Problematik gesprochen, da ihm erst nach 1996 Bedenken kamen. Als der Angeklagte B. ihm die Bilder zeigte, sah er keinen Handlungsbedarf, da er dachte, der Minister würde etwas unternehmen.
Von einem Bericht, der mit einem gelben Zettel versehen zurückkam, weiss er nichts.
Nun beantwortet der Zeuge die Fragen von Rechtsanwalt Zanger. Er wisse nicht, ob die Verklebung auf dem Foto durch Leukoplast erfolgt war. Er hätte die Abschiebung Marcus Omofumas unter den geschilderten Umständen abgebrochen. Beamte müssten immer die verhältnismäßigkeit einer Handlung überprüfen. Bei der Dienstbesprechung hätten sich manche Beamte aufgeregt, als er ihnen RatschlÀge gab, ungefähr mit den Worten "stimmt nicht, mir kann eh nix passieren." Niemand gab dem Zeugen Recht, dass es gefährlich sein könnte. Die Dienstbesprechung dauerte 1/4 bis 1/2 Stunde.
Der Richter fragt nun, warum er nicht an die vorgesetzte Dienstbehörde ein Schreiben mit einer Sachverhaltsdarstellung gerichtet und um eine Weisung ersucht hätte.
Der Zeuge rechtfertigt sich mit seiner extrem schwierigen Situation. Einerseits wurde von politischer Seite keine Möglichkeit geschaffen, EU-weit bzw. europaweit Abschiebungen mit Charterflugzeugen zu organisieren. Da Abschiebungen mit kleinen Maschinen sehr teuer waren, musste man in Passagierflugzeugen fliegen; dies ging aber nur, wenn der Schubhäftling ruhig war.
Der Zeuge bekleidete damals den Rang eines Majors. Einen Antrag mit der Bitte um eine Weisung habe er nicht gestellt, da die Vorgesetzten nicht auf das Mundverkleben und somit auf den Griff zu bedenklichen Mitteln reagierten und er deshalb annahm, sie wollten keinen Erlass treffen.
Er dachte, die Verantwortlichen wollten im Interesse des Staates kein Verhaltenskorsett anlegen; er wollte nicht in etwas eingreifen, das von den Vorgesetzten nicht gewollt wurde. Er habe auch gemeint, "wenn ich das schreibe, werde ich versetzt, weil ich bergauf bremse".
Der Richter hält ihm vor, er sei Offizier und müsse Rückgrat haben und nach seinem Gewissen handeln; er habe die Probleme an seine Untergebenen weitergegeben. Der Zeuge erwidert, er habe gedacht, es werde nichts geschehen, außerdem habe er bei der Dienstbesprechung mit seinen Beamten über die Sache gesprochen.
Nun folgt die Befragung durch Dr. Rifaat. Der Zeuge sah die oben erwähnten Fotos nur flüchtig, erinnert sich an ein Bild mit einem verklebten Mund. Er glaubt, mit Dr. Stortecky darüber gesprochen zu haben, dass verklebt wurde, als er ihm die Stellungnahme zu der UVS Beschwerde vorlegte. Er hatte ja seit 1996 Bedenken und hatte auch bei einem Juristen nachgefragt.
Dr. Rifaat erwähnt einen Schubbericht vom 28.4.1999 über eine Abschiebung am 24.4.1999. Hier wird davon berichtet, man habe dem Abzuschiebenden den Mund mit Leukoplast verkleben müssen, da er versucht hatte, die Beamten in den Finger zu beißen. Während des Fluges sei er erst ruhig gewesen, doch dann habe er die Passagiere davon überzeugen wollen, man habe ihn gekidnappt, und er habe zum FlugkapitÀn gewollt.
Der Zeuge gibt an, diesen Bericht erst nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub, also nach dem 2.5.1999 gelesen zu haben.
Der Zeuge geht nun auf Rechtsanwalt Ofners Fragen ein.
Er hatte zwar Bedenken, konnte den Beamten aber nicht verbieten, sich gegen Bisse zu schützen. Er hoffte auf eine Weisung von oben, doch niemand reagierte.
Wenn Verkleben unzulässig gewesen wäre, hätte er es untersagt. So aber hatte er keine Handhabe.
Ofner meint dazu, die Hierarchien hätten sich in Schweigen gehüllt.
Indem der Angeklagte B. dem Minister die Fotos zeigte, verstieß er eigentlich gegen den Dienstweg (Zeuge H., Dr. Stortecky, Hofrat Kovarnik, Polizeipräsident Stiedl, Minister). Der Zeuge gibt aber an, das Herzeigen der Fotos durch B. nicht als Hilfeschrei empfunden zu haben.
Ofner erwähnt nochmals die Dienstbesprechung, von der niemand weiss und fragt, warum der Zeuge niemals mitgeflogen sei, so habe er ja alles nur vom Schreibtisch aus gesehen.
Der Richter stellt nun die Frage, warum sich der Zeuge nicht bei Dr. Stortecky
oder dem RechtsBüro erkundigt hat, was Beamte konkret dürfen, wenn sie jemand beiÃt.
Der Zeuge antwortet, dass er damals - vor dem Tod Marcus Omofumas - das Risiko nicht für so hoch erachtet habe; er hatte ja nur erfahren, dass kurz verklebt wurde. Nach einer Katastrophe ändert sich ja auch oft die Meinung (er zieht den Vergleich zu Tschernobyl).
Der Staatsanwalt fragt nun den Angeklagten, wer das Bild, das dem Minister gezeigt wurde, kommentiert hat. B. antwortet: "Ein Vorgesetzter."
Er habe aber Angst, den Namen zu nennen. Kommentar des Richters dazu: "schöne verhältnisse haben wir da!"
Auf die Frage Dr. Zangers, ob er beim Herzeigen des Bildes an Gesundheitsprobleme gedacht hat, verneint der Angeklagte B. Beim Besuch des Ministers sei Hofrat Kovarnik anwesend gewesen.
Der Richter wundert sich, "dass es nicht belohnt wird, wenn sich jemand auf die
HinterfÃŒÃe stellt". Der Angeklagte kann sich nicht an eine Dienstbesprechung erinnern, bei der Gefahren beim Verkleben Thema waren. Der Zeuge bleibt dabei, dass es diese Dienstbesprechung gab, auch wenn sie von allen anderen bestritten wird.
Rechtsanwalt Zanger gibt nun eine Anregung: Er wünscht die Ladung neuer ZeugInnen (z.B. holländische PassagierInnen).
Diese ZeugInnen könnten aussagen, dass die Schutzbehauptung des Angeklagten B.
unrichtig sei, er habe zu Marcus Omofuma gesagt, wenn er ruhig wäre, würde die
Verklebung entfernt. So gebe es die Aussage, Marcus Omofumas Oberkörper sei
durch ein gummiähnliches Seil fixiert und somit eingeengt gewesen. Diese Beengung sei so stark gewesen, dass eine Geschwulst aus dem Hals quoll. Nach dem Abheben des Flugzeugs habe es keinen Widerstand und keine FußschlÀge mehr gegeben. Der Kopf sei zur Seite gelegen, Marcus Omofuma habe den Eindruck eines
Schlafenden gemacht. Dies alles würde B."s Aussage für unrichtig erklären und den Fall als vorsätzliches Quälen einstufen, das den Tod M. Omofumas zur Folge hatte. Die ZeugInnen würden auch aussagen, der Beamte hinter Marcus Omofuma
habe das Gummiseil zugezogen und dabei schadenfroh gelacht.
Diese Anregung wird zum Antrag erhoben.
Rechtsanwalt Ofner fragt, ob man dagegen Beschwerde einlegen kann.
Rechtsanwalt Rifaat meint: Voraussetzung, die Aussagen der ZeugInnen als taugliches Beweismittel zu betrachten, ist, dass sie beantworten oder beurteilen können, die Handlungen der 3 Angeklagten hätten den Tod M. Omofumas zur Folge gehabt; dies könne aber nicht durch die ZeugInnen, sondern nur durch die ausfÃŒhrliche ErÃŒrterung der 3 Gutachten geschehen. über die maßnahmen der Angeklagten im Flugzeug liegen deren Darstellungen sowie die Darstellungen der kontradiktorisch vernommenen ZeugInnen und der Crew vor.
Aus dem Beweisantrag ist nicht zu entnehmen, weshalb nunmehr nach drei Jahren
namentlich zur Kenntnis gebrachte ZeugInnen Wahrnehmungen gemacht haben sollen.
Die Beweisanträge stellen reine Erkundigungsbeweise dar, diese sind in der StPO
nicht vorgesehen.
Rechtsanwalt Ofner schließt sich an: Erkundigungsbeweise sind nicht zulässig.
Es soll nur Stimmung erzeugt werden. Nur dem Gericht steht zu, zu beurteilen, was eine Schutzbehauptung ist.
Der Staatsanwalt spricht jedoch von TatzeugInnen, die relevante Aussagen machen
können. Ihr Erscheinen könne wesentlich zur AufKlärung des Sachverhaltes beitragen.
Pause bis 13:15
5. Zeuge: Dr. Franz Löschnak (Pensionist, selbständig)
Er war Innenminister von Februar 1989 bis April 1995. Ihm unterstand die Fremdenpolizei.
Dass es bei Abschiebungen fallweise zu Mundverklebungen kam, hörte der Zeuge erstmals 1991/92, und zwar in Zusammenhang mit Abflügen in Schwechat, wo ihn der
leitende Kriminalbeamte R. zum Flugzeug begleitete.
Auf die Frage nach der allgemeinen Entwicklung wurde ihm mitgeteilt, dass am selben Tag der Abschub eines "renitenten" Menschen stattgefunden habe, wobei maßnahmen in Notwehr ergriffen worden seien.
Ein anderes Mal erfuhr er, dass es zu einem Wirbel im FlughafenGebäude gekommen und jemandem kurzfristig der Mund verklebt worden war.
Die Anfragebeantwortung der parlamentarischen Anfrage 1993 setzte sich mit einem Einzelfall auseinander. Die Stellungnahme war von Oberst R. vorbereitet worden. Es waren 11 Fragen zu beantworten.
Der Zeuge meint, dass durch Wende und offene Grenzen ab 1989/90 die Exekutive sehr beschäftigt war. Es gab neue Anforderungen, wie z.B. auch Problemabschiebungen. Die parlamentarische Anfrage hinterfragte eine Problemabschiebung. Der Richter meint nun, in Österreich sei alles irgendwo geregelt, für alles gebe es Vorschriften, und so fragt er nach Regeln für Beamte
an der Front, was bei Problemabschiebungen zu tun sei.
Der Zeuge kennt Vorregelungen nicht und sah nach dem Anlassfall keine Notwendigkeit zu einer Neuregelung. Nach der Erzählung von Oberst R. über einen Abzuschiebenden, der renitent war, biss und trotzte, schien es dem Minister ausreichend, dass die handelnden Beamten Notwehrmaßnahmen setzten.
Der Richter fragt nun, ob man so mit Beamten verkehre, dass diese nicht wagten, schriftlich um eine Weisung zu ersuchen, da sie Angst vor einer Versetzung hatten. Der Zeuge antwortet, dass bei 35.000 Mitarbeitern im Innenministerium
GerÃŒchte liefen. Er könne nicht ausschließen, dass irgendjemand hätte
Konsequenzen tragen müssen.
Da das Problem an den Minister herangetragen worden war, überlegte man gemeinsame Charterflüge mit Deutschland und der Schweiz, um die Kosten geringer zu halten. Es gab aber keine Debatte, ob man verkleben dürfe oder nicht, man hörte von Notwehrhandlungen, sah sich aber nicht veranlasst, maßnahmen zu treffen oder zu hinterfragen.
Auf die parlamentarische Anfrage Nr. 8 wurde geantwortet, dass nach allgemeinem Wissensstand Bisse Krankheiten hervorrufen könnten. Die Exekutive hatte Angst vor Aids. Abschiebungen waren für die MitarbeiterInnen unangenehm, besonders bei Widerstand. Sie mussten ihre Aufgabe aber erfüllen. Die Beamten seien angewiesen gewesen, schonend, aber konsequent vorzugehen. Konsequent bedeutete, dass die Amtshandlung erfüllt werden musste, ev. mit Notwehrmaßnahmen. Man wollte nicht, dass jemand, der sich wehrte, nicht abgeschoben werde dürfe.
Der Zeuge schildert nochmals die damalige durch Ostöffnung und Flüchtlinge veränderte Situation. Es gab keine Rechtsgrundlage für die Flüchtlingswelle, die nach Österreich kam. Neue Rechtsgrundlagen wurden erst ab 1992/93 geschaffen.
Auf Rifaats Bemerkung, bis zum Tod Marcus Omofumas herrschte "Schweigen im Walde", erst dann sei es zu einer Flut von Regelungen gekommen, meinte der Zeuge, der Wissensstand sei 1991 ein anderer gewesen als 2001.
Der Richter vermutet, dass ohne den Tod Marcus Omofumas bis heute nichts geschehen wäre.
Der Zweitrichter fragt nun, ob wegen des Fotos mit Mundverklebung, das lange im Büro hing und mit Stolz gezeigt wurde, irgendwelche EinWände kamen. Dem Zeugen war dies aber nicht bewusst gewesen, sonst hätte er veranlasst, das Bild wegzugeben. Bilder von Amtshandlungen sollten nicht fotografiert und aufgehängt werden, dies sei eine Frage der Moral.
Rifaat fragt, ob es Berichte von Spitzenbeamten über Abschiebungen mit Mundverklebung bzw. Diskussionen mit Spitzenbeamten gegeben hätte. Der Zeuge meint, dies sei Thema bei Aussprachen der Sektionsleiter gewesen, die wiederum nötig waren für die internationalen Gespräche über Abschiebungen. Die Frage des Mundverklebens sei aber nicht explizit an ihn herangetragen worden. Jeden Montag gab es Sektionsleiterbesprechungen, wobei 2-3 mal "Problemabschiebungen" besprochen wurden. Mundverkleben war nicht Gegenstand dieser Besprechungen, davon hörte der Zeuge nur durch Oberstleutnant R. Da er nur 1 - 2 Einzelfälle kannte, hatte er keine Bedenken.
Nun geht Rifaat näher auf die parlamentarische Anfrage ein. Frage 3 lautet: "Verwenden Beamte regelmäßig breite Klebebänder?" Daraufhin schildert der Zeuge folgenden Ablauf: Eine parlamentarische Anfrage wird dem Ministerium zugestellt und gelangt erst in die Präsidialsektion, dann in die Fachsektion und wird je nach Geschäftseinheit in Evidenz behandelt. für den Antwortentwurf wird z.B. die Behörde in Schwechat befragt, die eine Stellungnahme abgibt. Dann wird ein Formulierungsvorschlag vorbereitet. Dieser geht durch die Präsidialsektion und wird dem Kabinett des Ministers vorgelegt. Das alles geht unter Zeitdruck vor sich.
Pro Jahr gäbe es im Innenministerium 500 - 600 parlamentarische Anfragen, z. T.
mit 50-70 Unterfragen - d.h. der Unterzeichnende kann den Akt nicht studieren.
Der Zeuge las immer die Fragen und Antworten durch; schienen sie ihm plausibel,
stimmte er zu, sonst forderte er konkrete Details ein, und es wurden von Fach- oder Präsidialsektion Korrekturen vorgenommen.
Zu Punkt 7 der Anfrage:
In ersten Formulierungsvorschlag war von Klebebändern die Rede, die
nach Wegfall der Verletzungsgefahr und spätestens in der Maschine entfernt
wurden .
In der Korrektur wurde "Klebeband" durchgestrichen und durch "Sicherungsmittel" ersetzt.
Zu Frage 8: Es wurden keine Erlässe für Problemabschiebungen herausgegeben.
Auch Rechtsanwalt Ofner geht näher auf Frage 3 ein, in der danach gefragt wird,
ob regelmäßig Klebebänder verwendet wurden.
Man ersucht Oberstleutnant R. um seine Stellungnahme: "Er randalierte, es war keine Ausreise möglich. Da er um sich schlug, trat und biss, wurde er geschlossen. Da schon wiederholt Beamte gebissen wurden, wurde dem Abzuschiebenden der Mund verklebt; dies geschah zum Selbstschutz der Beamten.
Es geschah aber nicht regelmäßig, sondern nur in Ausnahmefällen, wenn jemand
gebissen wurde." Die endgültige Beantwortung lautete hingegen "nein".
Frage 8 besagt, dass Zeugen von einem "Gaudium" und "Neger beißen" berichteten. Der Vorschlag für die Anwort besagte, dass es kein Gaudium für die Beamten gewesen sei, da Aids durch Bisse übertragen werden kann und man auf die Ergebnisse der Bluttests lange warten musste, was eine schwere psychische Belastung darstellte.
Die endgültige Antwort meint nur, es sei kein Gaudium gewesen, da es oft zu
schweren Bissverletzungen kam und somit die Gefahr einer schweren Erkrankung
bestand.
Ofner beschäftigt sich nun mit dem Bericht des Menschenrechtsbeirates; dieser stellt fest, dass es eine Eigenverantwortung gibt, darüber hinaus fehlen aber Richtlinien und Schulungen. So seien also Kriminalbeamte und Sicherheitsbeamte nicht geschult worden. Der Zeuge antwortet, dass zusätzliche Schulungen nur aus Anlassfällen heraus stattfinden.
Rechtsanwalt Ofner hält dem Zeugen nun den Bericht des Anti-Folterkomitees des
Europarates (CPT) vor, in dem 1994 die Klebebandverwendung in Österreich bemÀngelt wird. Der Zeuge gibt an, dass er mit seinem heutigen Wissensstand ab 1990 Schulungen veranlasst hätte.
Ofner meint, nach dem Tod Marcus Omofumas ("oder wie er heißt") sei endlich erkannt worden, dass etwas geschehen müsse. Der Zeuge sagt dazu, das könne er nicht beurteilen.
Der Richter stellt nun die Frage, ob finanzielle überlegungen relevant gewesen Wären, da Abschiebungen sehr teuer seien. Der Zeuge weist auf die Gespräche mit Deutschland und der Schweiz hin. Der Richter stellt fest: Krieg kostet Geld - der Rechtsstaat kostet Geld.
Rechtsanwalt Zanger gibt zu bedenken, dass Notwehr nur kurz dauert.
Der Zeuge stellt fest, dass während des Beiseins der Öffentlichkeit Bisse und Schreie unterbunden werden müssten; im Flugzeug trete dann meist Ruhe ein, dann Wären keine maßnahmen mehr nötig. Sollte die Ruhe nicht eintreten, hätte man nach dem Wissenstand des Zeugen nach Rücksprache mit dem KapitÀn die Abschiebung abgebrochen.
Der Zeuge habe nicht weiteres angedacht, da er ja nur von 1 - 2 Problemfällen wusste, und er hatte angenommen, dass nur vor dem Flug, also nur kurze Zeit, gebissen, gespuckt und geschlagen worden sei.
Dr. Zangers Frage an den Angeklagten B., ob für ihn das Bild des Verklebten unmoralisch gewesen sei, wird nicht gestattet, da sie eine Bewertungsfrage darstellt.
6. Zeuge: Kurt K. (Polizeibeamter)
Der Zeuge gibt an, seine am 23.6.99 vor der U-Richterin gemachten Aussagen seien richtig. Er ist seit 1994 bei der Fremdenpolizei tätig.
Er war Öfter bei Abschiebungen dabei. Von Problemabschiebungen spricht man, wenn die Abzuschiebenden sich heftig wehren, widersetzen und Gewalt anwenden.
Anweisungen von Vorgesetzten dazu gab es nicht. Man handelte also nach der Dienstanweisung, sozusagen in Notwehr.
Abschiebungen gingen so vor sich: Man holte den Abzuschiebenden ab, erklärte ihm alles, fuhr mit dem Dienstkraftwagen zum Flughafen, checkte ein; uniformierte Kollegen aus Schwechat kamen dazu; bei Widerstand, der aber nicht an der Tagesordnung war, musste man die nötigen maßnahmen setzen - man schloss die Hände, verklebte den Mund mit Leukoplast, trug den Schubhäftling in das Flugzeug. Das Leukoplast war extra breit, damit es sich nicht lösen konnte. Man achtete aber immer darauf, dass die Nase frei blieb. Manchmal musste das Band 2mal um den Kopf gewickelt werden, aber nicht vertikal. Wie lange die Verklebung dauerte, ist schwer zu sagen. Auf ein Klopfzeichen hin wurde es gelöst. Die Hände waren am Rücken geschlossen, so konnten Signale gegeben werden. Beim Zeugen dauerten Verklebungen nie länger an.
Man verklebte den Mund, um sich vor Bissen zu schützen. Diese Praxis entwickelte sich während der Zeit, in der der Zeuge dort arbeitete. Hansaplast und Klettverschlüsse wurden von den Kollegen gekauft, nicht vom Dienstgeber, und wurden weitergegeben.
Der Richter meint, dass es aber schon 1993 eine parlamentarische Anfrage zu dem Thema gab! Die unmittelbaren Vorgesetzten waren damals der Gruppenführer, Chefinspektor K. und Oberstleutnant H.
Der Zeugen verneint, dass es eine Dienstbesprechung mit den Anweisungen, die Verklebungen zu unterlassen und die Abschiebung abzubrechen, niemals gab.
Der Zeuge hatte sich schon Gedanken gemacht, ob man bei einer Verklebung hätte ersticken können; ein Kollege fragte einen Arzt, und dieser sagte, wenn die Nase frei sei, sei es nicht gefährlich.
Diese Bemerkung reichte den BeamtInnen aus, denn sie machten es oft und es passierte nie etwas.
Der Zeuge gibt an, dass er es in seinen Abschiebeberichten immer vermerkte, wenn Verklebungen stattgefunden hatten. Er vertraute dann darauf, dass seine Vorgesetzten alles weiterleiteten.
Eine spezielle Ausbildung oder psychologische Schulung hatte er nicht.
Der Staatsanwalt fragt, ob Abschiebungen auch abgebrochen wurden.
Der Zeuge hatte es zweimal erlebt. Einmal musste ein Flug in Rom abgebrochen werden, da der Häftling weglief, einmal lehnte der KapitÀn die Abschiebung ab.
Informationen über den Gesundheitszustand der Abzuschiebenden gab es nicht.
Der Richter will wissen, ob es schriftliche Aufzeichnungen über Dienstbesprechungen gibt. Der Zeuge sagt aus, dass es diese bei wichtigen Dienstbesprechungen gibt; der Vorgesetzte schreibt sie selbst und lässt sie dann unterschreiben.
Auf Rechtsanwalt Zangers Fragen antwortet der Zeuge, er habe sich seit 1998
Gedanken über Gesundheitsprobleme der Abzuschiebenden gemacht. Diese wurden nur mit dem normalen Sicherheitsgurt befestigt, so dass der Brustkorb frei war. Die Hände wurden mit Klettverschluss nach hinten gebunden.
Von 1994 - 1999 war der Zeuge auch bei 7 - 8 Problemabschiebungen dabei. Der Mund wurde 5 - 6 mal verklebt. Von Atemproblemen berichtete niemand. Die Verklebung wurde immer abgenommen, wenn der Abzuschiebende sich beruhigt hatte.
Rechtsanwalt Ofner fragt, ob die Gefesselten mit den Füßen nach vorn getreten und den Kopf herumgeworfen hätten. Der Zeuge meint, dies sei nicht vorgekommen. Er habe sich auch nicht alleingelassen gefühlt.
Rifaat erwähnt einen Bericht vom 27.3.1995. Er besagt, dass schwarzafrikanische Passagiere drohend und aggressiv auf die Polizisten losgesTürmt sind. Daraufhin brach man die Abschiebung ab und kehrte mit dem Flüchtling nach Wien zurück. Rifaat äußert sich: "Bravo".
nächster Verhandlungstermin:
14.3.2002, 9:15.