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Quellenangabe:
Ukraine: Flüchtlingsabwehr im Osten (vom 29.05.2009),
URL: http://no-racism.net/article/2958/, besucht am 22.12.2024

[29. May 2009]

Ukraine: Flüchtlingsabwehr im Osten

Die Ukraine: zweitgrößter Flächenstaat Europas, über 1.000 Kilometer Schengenaußengrenze, Hauptmigrationsroute in die EU - ein Schwerpunkt europäischer Abschottungspolitik.

Die Ukraine ist der zentrale Nachbarstaat, der Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten auf ihrem Weg in die Europäische Union aufhalten soll. Die Verantwortung für Grenzschutz und Flüchtlingsaufnahme wird im Tausch gegen erleichterte Visabedingungen für ukrainische Staatsangehörige in die Ukraine verlagert - ein Zusammenspiel aus Zuckerbrot und Peitsche. Das NachbarInnenland, das sich seit dem Zerfall der Sowjetunion noch immer in einer politischen Umbruchphase und inmitten eines langsam voranschreitenden Demokratisierungsprozesses befindet, ist jedoch mit der immer weiter steigenden Zahl an Asylsuchenden überfordert. Die Folgen: Menschenrechtsverletzungen und Inhaftierung von Flüchtlingen.


Flüchtlingsrechte nur auf dem Papier


Auf dem Papier hat sich die Ukraine der Genfer Flüchtlinskonvention verpflichtet, Fürsorge, Unterkunft und medizinische Versorgung für Asylsuchende zugesichert.

Die Realität sieht anders aus. Flüchtlinge sind auf sich alleine gestellt, denn sie erhalten de facto keine staatliche Unterstützung, keine Sozialleistungen, keine Unterbringung und keine medizinische Versorgung. Eine minimale Versorgung, von der aber nicht alle Flüchtlinge profitieren können, wird durch UNHCR und dessen PartnerInnenorganisationen sichergestellt. Die Anerkennungsquote liegt jährlich im Schnitt bei nur 3%, obwohl viele Asylantragsteller/innen aus Pakistan, Russland, Afghanistan und dem Irak kommen. Ein faires Asylverfahren ist nicht sichergestellt. Anhörungen werden oft ohne DolmetscherIn durchgeführt und ein Großteil der Asylantragsablehnungen erfolgt ohne die geforderte schriftliche Begründung. Das Beschreiten des Klagewegs wird auf diese Weise verhindert.

Willkürliche, unverhältnismäßige Inhaftierungen sind an der Tagesordnung. Die Lebensbedingungen in der Haft sind katastrophal: Überbelegung, ungenügende medizinische Versorgung, unhygienische Sanitäranlagen, keine ausreichenden Nahrungsmittel noch Trinkwasser. Flüchtlinge klagen zudem über Misshandlungen und Bestrafungen wie Isolationshaft.


Neue Lager - europäisch finanziert


Das Lager Pawschino, das wegen seines katastrophalen Zustands jahrelang in der Kritik stand, wurde im Dezember 2008 geschlossen. Eine Abkehr von der Praxis, Flüchtlinge zu inhaftieren, ist indes nicht zu erkennen. Vielmehr ging die Schließung mit dem Bau von neuen Haftanstalten in den Regionen Chernihiv und Volyn einher. Mit dem vollen Inkrafttreten des europäisch-ukrainischen Rückübernahmeabkommens 2010 und im Hinblick auf das Bestreben der EU, die Ukraine zukünftig als einen vermeintlich »sicheren Drittstaat« einstufen zu können, sind Zurückschiebungen von Asylsuchenden aus der EU zu befürchten. Eine Zusage der EU über 30 Millionen Euro für die Umsetzung des Rückübernahmeabkommens, mit der unter anderem der Bau von fünf neuen Haftanstalten finanziert werden soll, lässt nichts Gutes erahnen.

Wirtschaftskrise, Gasstreit mit Russland, die erneute Auflösung des Parlaments - der Transformationsstaat Ukraine kommt nicht zur Ruhe. Eine Verbesserung der Situation der Flüchtlinge ist damit nicht in Sicht. Auch geplante Nachbesserungen des Asylsystems, wie die gesetzliche Verankerung des subsidiären Schutzes, sind in weiter Ferne.

Trotzdem hält die EU an ihrer Vorverlagerung der Abschottung in die Ukraine fest und macht sich so mitverantwortlich für Menschenrechtsverletzungen jenseits des »Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts«.

Artikel von Femke van Praagh, zuerst veröffentlicht am 12. Mai 2009 auf :: proasyl.de.