Quellenangabe:
Internationaler Hurentag 2009 in Linz und Wien (vom 07.06.2009),
URL: http://no-racism.net/article/2971/,
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[07. Jun 2009]
Am 2. Juni 2009 kam es weltweit zu Protesten für die Rechte von Sexarbeiter _innen. Im folgenden Informationen zu Hintergründen, aktuellen Entwicklungen, neuen und alten Gesetzen sowie :: Fotos aus Linz und Wien.
Die Aktionen zum Internationalen Hurentag in Linz und Wien standen im Zeichen zunehmender Repressionen gegenüber Sexarbeiter_innen: willkürliche Anzeigen, unverhältnismäßige Pauschalbesteuerungen, Abschiebungen und Freierbestrafungen verstärkten die prekären Arbeits- und Lebensbedingungen von Sexarbeiter_innen und verdeutlichten die ständige Abwertung, mit der ihnen und ihrer Arbeit begegnet wird.
Mehrere Organisationen, darunter maiz, kritisieren die geplanten Änderungen des Prostitutionsgesetzes in Oberösterreich. Ihnen zufolge wird dieses Gewerbe weiterhin immer noch kriminalisiert. Sie fordern: "Das neue OÖ. Prostitutionsgesetzt muss das ändern." In diesem Sinne wurde am 2. Juni im Rahmen einer Protestaktion mit Infomittagstisch in der Linzer Altstadt die Frage gestellt: 'Altes Neues oder neues Altes' Prostitutionsgesetz in OÖ.
In einem Bericht in Die Standard wird die geplante Gesetzesänderung in Oberösterreich als "negatives Beispiel" genannt, "wo zum ersten Mal ein Prostitutionsgesetz die bisherigen Regelungen im Polizeistrafgesetz ersetzen wird: Der vorliegende Entwurf übt sich einmal mehr in Beschränkung und Kontrolle. "Anstatt zu entstigmatisieren und klare positive Orientierungspunkte anzubieten, ergeht sich das Gesetz in unübersichtlichen Verbotsbestimmungen, die den Behörden, Gemeinden und sogar BordellbetreiberInnen einen zu weiten Interpretationsspielraum eröffnen", meint maiz und fordert einen sachlichen Umgang mit dem Thema: "Der Gesetzgeber muss hier seine Verantwortung wahrnehmen. Es ist an der Zeit, Sexarbeit zu entstigmatisieren und zu entkriminalisieren sowie die Beschäftigten in der Sexarbeit als DienstleisterInnen anzuerkennen, um gegen die extreme Prekarisierung und Diskriminierung in diesem Bereich vorzugehen."
Die Organisationen betonen anlässlich des Hurentags ihre langjährigen Forderungen, von der Entkoppelung des Regelungsbereichs der Prostitution aus den Sitten- bzw. Anstandsnormen bis zur Legalisierung der Sexarbeit als Erwerbstätigkeit und entsprechenden fremdenrechtlichen Änderungen."
Im Rahmen des Infomittagstisches in Linz wurden Informationsmaterialien verteilt und Gespräche mit Passant_innen geführt. Eine zentrale Botschaft war: "Alle haben das Recht, Rechte zu haben!"
Eines der wichtigsten Themen bei den Protesten für die Rechte von Sexarbeiter_innen in Österreich sind die Abschaffung der gesetzliche festgelegte "Sittenwidrigkeit" sowie die Abschaffung der Zwangsuntersuchungen. Zahlreichen Organisationen kämpfen seit Jahren für eine Streichung der entsprechenden Paragraphen aus den :: Prostitutionsgesetzen - die in Österreich auf Landesebene geregelt werden. Im AIDS-Gesetz und Geschlechtskrankheitengesetz sind amtsärztliche Untersuchungen für Sexarbeiter_innen vorgeschrieben: Sie müssen sich wöchentlich einer Gesundenuntersuchung unterziehen und mindestens alle drei Monate einen Aidstest machen. In Wien erfolgt diese Untersuchung durch das :: STD-Ambulatorium (MA 15).
Die Ausübung von Sexarbeit ist jedoch nicht nur mir einer entwürdigenden zwangsweisen Untersuchung verbunden. Die :: Prostitutionsgesetze, die in Österreich auf Landesebene geregelt werden, schreiben zahlreiche Restriktionen vor. Darüber hinaus kämpfen zahlreichen Organisationen seit Jahren für eine Abschaffung der "Sittenwidrigkeit". Vor einem Jahr wurde von Politiker_innen und Parteien so getan, als seien sie bereit, entsprechendes zu veranlassen. Im Juni 2008 wurde ein Bericht des "ExpertInnenkreis 'Prostitution' im Rahmen der Task Force Menschenhandel" veröffentlicht, in dem zu lesen ist:
"Im Zivilrecht gibt es keine ausdrücklich die Prostitution betreffende Regelung. Die Aussagen der Rechtsprechung ergeben sich vielmehr aus allgemein gehaltenen Regelungen. In seiner zu Entgeltforderungen von Prostituierten und des Betreibers eines "Etablissefments" ergangenen Entscheidung 3 Ob 516/89 hat der Oberste Gerichtshof (OGH) Verträge, die sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt zum Inhalt haben, als sittenwidrig qualifiziert." Diese Judikatur kann "als Entwürdigung der Sexdienstleisterin verstanden werden und blendet die Rolle des Kunden als "Nachfrager" dieser Dienstleistungen und dessen Verantwortung aus."
Sexarbeiter_innen müssen sich einer regelmäßigen Zwangsuntersuchung unterziehen, ihre Arbeit ist aber :: nicht als Erwerbsarbeit mit den entsprechenden Rechten anerkannt. Der Abschluss von rechtswirksamen Verträgen über sexuelle Dienstleistungen mit Körperkontakt ist nicht zulässig und somit können keine Rechtsansprüche bei Entgang des vereinbarten Honorares gesetzt werden. In Österreich besteht keine Möglichkeit, als Sexarbeiter_in in einem freien Dienstverhältnis (als "freie_r Dienstnehmer_in") oder einem Angestelltenverhältnis zu arbeiten. Dies wird als "sittenwidrig" bzw. als "Zuhälterei" betrachtet, welche widerum strafbar ist. Sexarbeiter_innen gelten als "Neue Selbständige" und müssen dementsprechend :: Steuern bezahlen. Eine schikanöse Maßnahme der Behörden ist eine Pauschalbesteuerung, die mit dem realen Einkommen vieler Sexarbeiter_innen in keiner Relation steht. Die Situation von Sexarbeiter_innen ist gezeichnet von prekären Arbeitsbedingungen. Aufgrund der von einer Doppelmoral geprägten Regelungen verfügen viele Sexarbeiter_innen über keine entsprechende soziale und gesundheitliche Absicherung.
Der Minister_innenrat hat oben genannten Bericht, in dem eine Änderung der gesetzlichen Bestimmungen empfohlen wird, zwar im März 2009 angenommen, doch ist von einer baldigen Streichung der Sittenwidrigkeit keine Rede mehr. Stattdessen wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich bis 2011 mit dem Thema beschäftigen und neue Vorschläge erwarbeiten soll. Während die Politiker_innen die rechtliche Gleichstellung auf die lange Bank schieben, verschärfen die Behörden das Vorgehen gegen die als "unmoralisch" angesehene Tätigkeit.
Die KIAB (Kontrolle Illegaler Ausländer_innenbeschäftigung) führt regelmäßig Kontrollen in Zusammenarbeit mit der Polizei durch. Dabei werden Lokalbetreiber_innen - obwohl sie gar keine Sexarbeiter_innen beschäftigen dürfen - wegen Verstoßes gegen das Ausländer_innenbeschäftigungsgesetz angezeigt. Vor allem Angehörigen aus den neuen EU-Ländern wird unterstellt, es liege ein Angestelltenverhältnis vor. Hintergrund ist, dass in Österreich nach wie vor Staatsbürger_innen der "neuen EU-Länder" vom Zugang zum Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind die Behörden hier eine Möglichkeit gefunden haben, Sexarbeiter_innen zu schikanieren, obwohl diese ihre Tätigkeit den geltenden Gesetzen entsprechend ausüben. Denn die selbständige Tätigkeit ist von der rassistischen Ausgrenzung vom Zugang zum Arbeitsmarkt nicht betroffen.
In letzter Zeit werden auch zunehmend Freier kriminalisiert - was trotz einiger entgegengesetzter Entwicklungen wie in Deutschland - einem europaweiten Trend entspricht. So wurden im Zuge von Razzien im Stuwerviertel, die sich laut Polizeiangaben und Medienberichten meist "gegen illegale Prostitution" richten, schon mehrere Freier wegen "Anbahnung in Verbotszonen" angezeigt. Das :: Wiener Prostitutionsgesetz schreibt vor, dass Ausübung und Anbahnung von Sexarbeit in der Öffentlichkeit innerhalb eines mit 150 Metern festgelegten Umkreises von "besonders schützenswerten Personen" verboten sind. Lokale, die sich an einem "schützenswerten Ort" befinden, werden behördlich geschlossen.
An der Kundgebung in Wien beteiligten sich mehrere Organisationen. Neben LEFÖ und sexworker.at waren auch die Grünen mit einem Infotisch anwesend. Die Aktionen von LEFÖ zum internationalen Hurentag werden bereits seit sieben Jahren organisiert. Die ersten beiden Jahre fanden Kundgebungen beim Westbahnhof statt, seither am nicht weit davon entfernten Uraban Loritz Platz vor der städtischen Hauptbücherei.
Das Interesse der Pasant_innen für die Anliegen von Sexarbeiter_innen hat sich der Wahrnehmung einer der Beteiligten zufolge in diesem Jahr verringert. Trotzdem wurde die Aktion als gelungen bezeichnet. Die Botschaft kam bei den im Laufe des Nachmittages vorbeikommenden Personen an. Zahlreiche Flugblätter wurden verteilt und mehrere Passant_innen diskutierten mit Aktivist_innen. Außerdem gab es Redebeiträge und ein Live-Konzert von msCHRA & msMUTT*.
Am Abend wurde vom Stuwerkomitee ein Open Air Kino im Stuwerviertel organisiert. Gezeigt wurde der Dokumentarfilm "Frauen am Strich" (A 1980, Projektgruppe Videoschluchten).
Ebenfalls thematisiert wurde der internationale Hurentag von :: Radio Stimme, der Sendung der Initiative Minderheiten auf :: Radio Orange 94.0 mit dem Beitrag :: (K)ein Gewerbe wie jedes andere, der online nachzuhören ist.
Die Proteste in Linz und Wien waren nur einige von vielen Aktionen, die jedes Jahr am 2. Juni stattfinden. Mehr dazu im Bericht :: Internationaler Hurentag und Selbstorganisation von Migrant_innen.