no-racism.net Druckversion

Quellenangabe:
Brief eines Gefangenen (vom 10.03.2000),
URL: http://no-racism.net/article/310/, besucht am 22.11.2024

[10. Mar 2000]

Brief eines Gefangenen

Liebe FreundInnen und Freunde!

Wir haben hier im Knast leider keinen Kontakt zueinander, aber ich denke, daß dieser Brief auch die Meinung des anderen Gefangenen ist. Ihr wißt alle, was mit uns geschehen ist. Ihr wißt auch, was das Ziel der Staatsgewalt war: uns im Knast zu brechen und euch draussen einzuschÃŒchtern. Aber die Schweine haben ihr Ziel diesmal nicht erreicht.

Wir haben immer gewußt, daß wir hier im Knast nicht alleine sind. Gewußt, daß es draussen solidarität gibt, daß draussen Menschen sind, die uns nicht im stich lassen. Dieses Wissen reicht aus, um sich nicht brechen zu lassen. Es reicht, aber du mußt es dir immer wieder in den Kopf hämmern. Immer wieder "nicht aufgeben!" "es gibt solidarität!" "du bist nicht allein!" denken. Doch je länger du in einer Zelle bist, dich nicht bewegen kannst, keinen Kontakt nach draussen hast, desto schwerer fällt es dir.

Aber wenn du nicht nur von solidarität weisst, sondern sie spÃŒrst, wenn du in deiner Zelle plötzlich Lautsprecher, Pfeifen und Parolen hörst, wird dieses Wissen zu einem Gefühl. Einem Gefühl der solidarität, der Einheit und der Stärke.

Einem Gefühl, das die Gitter und Mauern, die dir langsam ins Gehirn wachsen, sprengt. Einem Gefühl, das dein Herz und deine Gedanken wieder fliegen läßt. Einem Gefühl, das stärker ist als jede Repression und jeder Staatsterror.

Drinnen und draussen: eine Bewegung! Einheit im Kampf um befreites Leben!

Wir zwei sitzen hier wegen einer Demo. Aber wir sind nicht die einzigen. Mit uns sitzen in diesem Knast noch über 70 Gefangene des Staatsrassismus. Mehr als 70 Menschen, deren einziges "Verbrechen" die "falsche" Hautfarbe ist. Auch sie wurden wegen Demos hier eingesperrt. Wegen den Demos nach der Ermordung von Ahmed und von Marcus Omofuma. Wir wissen nicht, wann wir freigelassen werden. Wir wissen aber, daß einige dieser Gefangenen des Staatsrassismus bereits zu jahrelangem Knast verurteilt wurden. Denkt bitte immer daran: Auch sie brauchen solidarität, wahrscheinlich sogar noch dringender als wir.

Gegen den Staatsrassismus - Freiheit für die Gefangenen!
Drinnen und draussen eine Bewegung, Einheit im Kampf um befreites Leben!
Hoch die internationale solidarität!