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Quellenangabe:
Fremdenrechtsnovelle. Alles für unsere Sicherheit (vom 31.12.2009),
URL: http://no-racism.net/article/3209/, besucht am 20.04.2024

[31. Dec 2009]

Fremdenrechtsnovelle. Alles für unsere Sicherheit

Der folgende Artikel aus "asyl aktuell" gibt einen Einblick in die Änderungen im Asylverfahren und Auswirkungen auf Flüchtlinge durch die Fremdenrechtsnovelle 2009, in Kraft ab 1. Jänner 2010.


Die zahlreiche Änderungen im Asylgesetz werden ab Jänner 2010 vor allem all jene Flüchtlinge treffen, die sich in irgendeiner Form fehlverhalten haben. Sei dies schwerwiegender und mit einer gerichtlichen Verurteilung verbunden oder banal, etwa die mißachtete Gebietsbeschränkung. Dublinfälle oder Zweitantragssteller werden wieder systematisch in Schubhaft landen.

"Kriminelle Asylwerber sofort abschieben" ist nicht nur politisches Programm der FPÖ und des BZÖ, auch die Landeshauptleute haben diese Forderung erhoben. Die aktuelle Fremdenrechtsnovelle kommt dieser Forderung weitgehend nach: Eine gerichtliche Verurteilung wird sich künftig in mehreren Bereichen auswirken.

Bei bereits anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten wird nunmehr zum gesetzlichen Auftrag, was bisher nur fallweise praktiziert wurde. Jede Verurteilung ist den Asylbehörden umgehend mitzuteilen und diese haben ein Aberkennungsverfahren des Asyl- oder subsidiären Status einzuleiten. Hat sich seit der Flucht die Situation im Herkunftsland soweit geändert, dass eine Rückkehr gefahrlos möglich erscheint, können die Betroffenen nur noch auf die "Integrationskarte" und ein Bleiberecht setzen. Die Verurteilung wird dabei aber negativ ins Gewicht fallen.

Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, die nach wie vor im Herkunftsland gefährdet sind, werden wegen gerichtlicher Verurteilungen ihren Status und damit ihre Rechte einbüßen. Sie werden allerdings in Österreich "geduldet", was auch durch eine spezielle Karte dokumentiert werden kann. Dieser Status wird auch mit der Möglichkeit verbunden sein, eine Beschäftigungsbewilligung zu bekommen.

Nach der Genfer Flüchtlingskonvention und der bisherigen Rechtssprechung führt nur ein besonders schweres Verbrechen zu einer Aberkennung des Flüchtlingsstatus, z.B. Raub oder Mord, wenn eine Gefahr für die Allgemeinheit oder die Sicherheit Österreichs vorliegt.

So lange ein Aberkennungsverfahren läuft, ist der Familiennachzug nicht möglich. Die verpflichtende Einleitung des Verfahrens blockiert den Familiennachzug oder verhindert ihn gänzlich, wenn dem Flüchtling nur noch eine Duldung zusteht.


Beschleunige Verfahren bei Straffälligkeit


"Straffälligkeit" wird nun im Asylgesetz definiert. Neben einer Verurteilung durch ein Landesgericht fallen unter Straffälligkeit auch mehrmalige Verurteilungen durch ein Bezirksgericht wegen eines Offizialdelikts. Wird also einE AsylwerberIn straffällig oder erhebt die Staatsanwaltschaft gegen ihn/sie Anklage, ist das Asylverfahren wegen des besonderen öffentlichen Interesses binnen drei Monaten zu erledigen. Auch wenn einE AsylwerberIn bei einem Verbrechen auf frischer Tat ertappt oder Untersuchungshaft verhängt wurde, soll das Asylverfahren beschleunigt werden.

Die ursprünglich geplante Möglichkeit, nach der erstinstanzlichen Entscheidung auch gleich die Abschiebung durchführen zu können, wurde wieder gestrichen. Jedenfalls wird aber ein Ausweisungsverfahren eingeleitet, womit das vorläufige Aufenthaltsrecht erlischt und ein Anlass für die Verhängung von Schubhaft vorliegt([1). Für straffällig eingestufte AsylwerberInnen, die nicht bereits aufgrund einer Anklage oder Verurteilung im Gefängnis sitzen, bietet die Gesetzesänderung nun die Verhängung der Schubhaft. Ob nur einer Tat verdächtigt oder bereits verurteilt, solche AsylwerberInnen sollen künftig nicht in Freiheit leben.

"Straffälligkeit" verhindert nicht nur den Nachzug von EhegattInnen und Kindern, auch eine Erstreckung der Duldung ist nicht vorgesehen. Ist ein Flüchtling aufgrund eines schwerwiegenden Verbrechens in Österreich nur geduldet, aber vor Abschiebung geschützt, bleiben Familienangehörige ohne eigene Fluchtgründe auf der Strecke.

Bei die Wahrung der Familieneinheit von Flüchtlingen bietet die Novelle auch sonst einige Veränderungen. So kann der Anspruch auf den selben Schutz künftig nur noch direkt abgeleitet werden, also beispielsweise erhalten die Kinder den Status vom Vater, die Gattin, die ein Flüchtling nach der Flucht geheiratet hat, kann den Status aber nicht mehr von einem gemeinsamen Kind ableiten, obwohl die Mutter aufgrund des menschenrechtlich geschützten Familienlebens nicht abgeschoben werden darf. Die Mutter müsste in diesem Fall über den Umweg des Niederlassungsrechts ein Aufenthaltsrecht erhalten.

Das Verfahren zur Familienzusammenführung bei der Botschaft ist nun ein Antrag auf ein Einreisevisum, der Asylantrag wird nicht wie bisher bei der Botschaft, sondern erst nach der Ankunft ist Österreich gestellt.


Schubhaft - Abschiebungsschiene


Zu den bisher bestehenden Gründen für die Schubhaft bei AsylwerberInnen treten nun fünf weitere, teilweise kommt es dadurch zur Verdoppelung, eine Abgleichung mit den bisherigen Schubhaftgründen wurde nicht vorgenommen. Die ursprünglich vom Innenministerium geplante Verpflichtung zur Inhaftierung wurde wieder etwas abgeschwächt: Jetzt muss die Notwendigkeit der Schubhaft begründet werden. Bei AsylwerberInnen im Dublin-Verfahren wird die Haft entweder bei Verdacht auf Unzuständigkeit Österreichs oder nach Einleitung des Ausweisungsverfahrens wie bisher oder nach der neuen Regelung gleichzeitig mit der Aushändigung des Ausweisungsbescheides erfolgen.

Zu den neuen Haftgründen zählen die Verletzung der Gebietsbeschränkung (bei geplanter negativer Entscheidung im Zulassungsverfahren), mehrmalige Versäumnis der Meldeverpflichtung im Zulassungsverfahren oder nach einem eingeleiteten Ausweisungsverfahren (trotz Zulassung zum Verfahren). Neu ist auch die Schubhaftverhängung, wenn ein Folgeantrag gestellt wird und diesem kein faktischer Abschiebungsschutz zukommt.


Gebietsbeschränkung im Zulassungsverfahren


Die Gebietsbeschränkung, die den Aufenthalt nur im Bezirk der Erstaufnahmestelle erlaubt, gilt nun nicht mehr maximal 20 Tage, sondern so lange, bis das Bundesasylamt eine Entscheidung im Zulassungsverfahren trifft. Diese Einschränkung der Bewegungsfreiheit zielt besonders auf AsylwerberInnen in Dublin-Verfahren und mit Folgeantrag ab. Völlig absurd ist das etwa bei Dublin-Fällen, wo eine Überstellung zur Familienzusammenführung oder aus humanitären Gründen erfolgen soll, weil wohl nicht angenommen werden kann, dass diese AsylwerberInnen untertauchen werden. Für AsylwerberInnen, bei denen die Überstellung in einen anderen EU-Staat nicht in Frage kommt, gilt weiterhin, dass das Asylverfahren nach 20 Tagen zugelassen ist und somit die Gebietsbeschränkung entfällt.


Erweiterte Mitwirkungspflichten


Neu ist auch die Verpflichtung, den Behörden eine Adressänderung bzw. den neuen Aufenthaltsort zeitgleich mitzuteilen. Wenn AsylwerberInnen nicht in einer Betreuungsstelle des Bundes untergebracht sind und ihnen die Ab- oder Zurückweisung des Asylantrags bereits angekündigt wurde, ordnet das Bundesasylamt auch Zeit und Polizeidienststelle an, bei der sich der/die AsylwerberIn regelmäßig zu melden hat. AsylwerberInnen in der Betreuungsstelle des Bundes erfüllen diese Meldeverpflichtung, wenn sie nicht länger als 48 Stunden abwesend sind. Empfindliche Verwaltungsstrafen sowie Schubhaft sind für die Verletzung dieses Kontrollinstruments vorgesehen.
Obdachlos gemeldete AsylwerberInnen im zugelassenen Verfahren müssen sich künftig alle 14 Tage bei der Polizei melden.

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, deren Minderjährigkeit bezweifelt wird, will das Innenministerium nun stärker zu einer radiologische Untersuchung verpflichten. Trotz ihrer Unzuverlässigkeit wird diese Methode neben anderen medizinischen Untersuchungen ausdrücklich genannt und der Begriff "multifaktorielle Untersuchungsmethodik" geprägt, wohl zur Abgrenzung vom multidisziplinären Ansatz, den KinderrechtsexpertInnen seit langem fordern.

Auch DNA-Analysen können verlangt werden, um ein Verwandtschaftsverhältnis nachzuweisen. Sollte sich herausstellen, dass die Zweifel nicht berechtigt waren, kann Kostenersatz beantragt werden. Für die Familienzusammenführung nach einer positiven Entscheidung sind solch kostspielige Untersuchungen ein weiterer finanzieller Stolperstein.

Eine asylrechtliche Ausweisung bleibt nun 18 Monate statt bisher 12 wirksam, eine legale Wiedereinreise ist erst nach diesen 1 ½ Jahren möglich, ein vor Ablauf dieser Frist gestellter Asylantrag gilt als Folgeantrag.


Kurzer Prozess bei Folgeantrag


Ein Hauptanliegen der neuen Gesetzesinitiative ist das Unterbinden von Folgeanträgen. Es gibt drei mögliche Konsequenzen, wenn nach einer rechtskräftig negativen Entscheidung ein weiterer Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird:

Falls noch kein Abschiebungstermin bekannt gegeben wurde, wird wie bisher geprüft, ob tatsächlich neue Gründe für den Asylantrag vorliegen und für die Beschwerde beim Asylgerichtshof die aufschiebende Wirkung gerechtfertigt ist. Ist für die Asylbehörde eine Gefährdung im Herkunftsstaat nicht erkennbar und wurde der Antrag innerhalb der aufrechten Ausweisung gestellt, kann bereits nach der erstinstanzlichen Entscheidung die Abschiebung durchgeführt werden. Sollte der Asylgerichtshof einer Beschwerde stattgeben, müsste die Wiedereinreise erlaubt werden.

AsylwerberInnen in Schubhaft, im Gelinderen Mittel oder Festnahme, die innerhalb von 18 Tagen vor dem Abschiebungstermin einen Antrag stellen, haben künftig keinen vorläufigen Abschiebungsschutz. Die aufschiebende Wirkung kann nur dann zugesprochen werden, wenn sich die Situation im Herkunftsland seit der letzten Entscheidung geändert hat. Individuelle Gründe können nur ausnahmsweise für den Abschiebungsschutz sprechen, wenn ein Asylantrag nicht früher möglich war. Aber viel werden AsylwerberInnen nicht vorbringen können, denn Befragung oder Einvernahme können auch unterbleiben, die Entscheidung ergeht mündlich als Mandatsbescheid und wird protokollarisch festgehalten. Der/die AsylwerberIn kann selbst keine Beschwerde an den Asylgerichtshof erheben, weil dieser amtswegig binnen drei Tagen zu prüfen hat, ob das Bundesasylamt den Abschiebungsschutz zu Recht aberkannt hat, so lange ist auch mit der Abschiebung zuzuwarten. Bei Folgeanträgen nach einer Dublin-Entscheidung besteht generell kein faktischer Abschiebungsschutz, wenn die Zuständigkeit eines anderen EU-Staates weiterhin aufrecht ist.

Um raschere Abschiebung geht es generell bei Dublin-Fällen und auch bei Folgeanträgen. Die Beschwerdefrist wird bei zurückweisenden Entscheidungen auf sieben Tage verkürzt.

Das Innenministerium erhält mehr Kontrollbefugnis in Grundversorgungseinrichtungen und kann zwecks Kontrolle der tatsächlichen Grundversorgungsleistungen samt Fremdenpolizei und Abgabenbehörde in den Quartieren erscheinen. Auch den Ländern steht die Möglichkeit offen, sich der Unterstützung dieser Behörden zu bedienen.


Strafbestimmungen


AsylwerberInnen droht eine Strafe von 1.000 bis 5.000 Euro oder eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu drei Wochen, wenn sie sich außerhalb des Bezirks aufhalten, in dem ihr Aufenthalt geduldet ist oder wenn sie ihrer Meldepflicht nicht nachkommen. Da AsylwerberInnen in der Regel mittellos sind, werden sie zuerst mal ihre Ersatzfreiheitsstrafe absitzen, die dann nahtlos in Schubhaft übergehen kann.
Das Strafausmaß hat sich auch für Fremde erhöht, die rechtswidrig eingereist sind oder sich illegal aufhalten, nicht betroffen sind schutzbedürftige Personen.

Gerichtlich strafbar mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe wird die entgeltliche Beihilfe zur unbefugten Ein- oder Durchreise in einen EU-Staat. Wer den unbefugten Aufenthalt in einem EU-Staat gegen Bezahlung ermöglicht, muss mit bis zu 1 Jahr Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe rechnen. Neu hinzugekommen ist im Katalog der Strafbestimmungen die unrechtmäßige Inanspruchnahme sozialer Leistungen. Bis zu einem Wert von 3.000 Euro droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, darüber sogar bis zu drei Jahre.


Karten und Pässe


Für Subsidiär Schutzberechtigte ist die Ausstellung eines Fremdenpass nach wie vor an die Bedingung geknüpft, dass humanitäre Gründe die Anwesenheit in einem anderen Staat erfordern. Für Konventionsflüchtlinge, die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit keinen Konventionspass erhalten oder subsidiär Schutzberechtigte gibt es nun eine Identitätskarte, die jedoch nicht den Status dokumentiert, den können sie nur mit dem positiven Bescheid nachweisen.

Die Sackgasse subsidiärer Schutz wird zwar geöffnet, eine weitere Annäherung an den GFK-Flüchtlingsstatus erfolgte nicht. Personen, die fünf Jahre den Status als subsidiär Schutzberechtigte haben, sollen in das Niederlassungsregime wechseln können und nach weiteren 2 ½ Jahren eine Daueraufenthaltsbewilligung erhalten. Die übermäßig lange Wartefrist subsidiär Schutzberechtigter auf die Einbürgerung könnte sich verkürzen und die Mobilität in der EU sich erleichtern. Für jene, die genug verdienen, sicher ein gute Option, für Personen mit eingeschränkten Erwerbsmöglichkeiten oder mit größerer Familie aber unerreichbar, da die Voraussetzungen für die Niederlassungsbewilligung, wie ausreichendes Einkommen oder ortsübliche Wohnung vorliegen müssen.

Die zahlreichen Änderungen machen das Asylrecht noch komplizierter, als es ohnehin schon ist. Die vielen Spezialregelungen und zusätzlichen Aufgaben der Asylbehörden werden allgemein nicht zu rascheren Entscheidungen beitragen. Die Neuregelungen verfestigen zum Teil geübte Praxis, etwa bei Einleitung von Aberkennungsverfahren bei verurteilten Flüchtlingen oder dem Verlangen von DNA Analysen. Sie sondern AsylwerberInnen stärker als bisher aus regulären Verfahrensabläufen aus, wenn von Anfang an eine Zurückweisung ins Auge gefaßt wird. Dann werden Verfahrensrechte und auch das Recht auf Aufenthalt während des Asylverfahrens massiv eingeschränkt. Einen Beitrag zu qualitativ besseren und rascheren Asylverfahren leistet diese Novelle sicher nicht.


Anmerkung:
(1) Wenn allerdings die Gewährung von Asyl oder subsidiären Schutz wahrscheinlich ist, soll das Ausweisungsverfahren wieder eingestellt werden.

Artikel von Anny Knapp, zuerst erschienen in asyl aktuell 3/2009, der Zeitschrift der asylkoordination Österreich.

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