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Quellenangabe:
Zur den Serienbriefen des Krone-Ministeriums (vom 18.12.2000),
URL: http://no-racism.net/article/325/, besucht am 20.04.2024

[18. Dec 2000]

Zur den Serienbriefen des Krone-Ministeriums

Das Innenministerium hat soweit wir wissen sämtliche Protestmails bezüglich Anthony Onyeij mit Serienbriefen in bester Tradition der "Kronenzeitung" beantwortet.

1. Herr ONYEIJ ist bereits im Jahr 1996 illegal nach Österreich eingereist".
Auch wir sehen dieses Problem. Es liegt aber nicht an Anthony oder an den tausenden anderen "illegal eingereisten" Flüchtlingen sondern einzig und allein bei den Österreichischen Gesetzen. Das Wesen einer Flucht ist der Grenzübertritt. Erst nach dem Grenzübertritt kann ein Asylverfahren beginnen. Das Österreich schon die Bedingung für die Einleitung eines Asylverfahrens kriminalisiert ist bezeichnend für dieses Land. Eine "legale" Einreise von Flüchtlingen wird nur durch die restriktiven Visa- und Aufenthaltsbestimmungen verhindert. außerdem hat Anthony nach seiner Einreise einen Asylantrag gestellt. Damit ist jede Form der Einreise gerechtfertigt.

2. Laut Innenministerium wurde Anthony seit 1997 mehrmals wegen zum Teil schwerster krimineller Handlungen rechtskräftig verurteilt"...
Was ist unter "schwerste kriminelle Handlungen" zu verstehen? Hier verweisen wir auf die Abstufungen im Strafgesetzbuch, zusammengefasst im § 57 (Verjährung der Strafbarkeit): Die "schwersten" strafbaren Handlungen verjähren nicht (Abs. 1). Das Wären Delikte die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bedroht sind. (z.B. Mord). Etwas weniger schwer, aber eventuell auch noch unter "schwerst kriminell" fallend Wären Delikte, die nach 20 Jahren verjähren (Abs. 3): alles was mit mehr als 10-jähriger Freiheitsstrafe bedroht ist (Geiselnahme, schwerer Raub mit schweren Folgen, Sklavenhandel, Vergewaltigung mit Todesfolge,...) Praktisch für alle in diese Kategorie fallenden Delikte ist eine Mindeststrafe von fünf oder zehn Jahren vorgesehen...
NaTürlich könnte Anthony - rein theoretisch - zwischen 1997 und 1999 mehrmals derart schwerwiegende Delikte begangen haben, und auch dafür verurteilt worden sein. ABER: Wie ist es dann möglich, dass er lange vor seiner Verhaftung im September 1999 freigelassen wurde? Bringt uns das Innenministerium hiermit ein Wunder der Österreichischen Strafjustiz zur Kenntnis, oder sind für das Ministerium alle Handlungen von Nigerianern automatisch "schwerst kriminell"?

3. Im Hinblick auf das angestrengte Haftentschädigungsverfahren ist zunächst anzumerken, dass der Genannte in diesem Verfahren anwaltlich vertreten ist."
...für diese Feststellung wurde Anthony wenige Stunden vor seiner Abschiebung von der Staatspolizei verhört. Stimmt, Anthony war während seiner Untersuchungshaft anwaltlich vertreten. daß dieser Anwalt jedoch ein Pflichtverteidiger und als solches nur für das Strafverfahren zuständig war verschweigt das Ministerium. Es verschweigt auch, daß in der Vergangenheit ein beträchtlicher Teil der Haftentschädigungsansprüche erst durch Klagen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte durchgesetzt werden konnten. Und es verschweigt auch, daß keine dieser Klagen von Pflichtverteidigern durchgefochten wurde.

4. Insgesamt zeigt sich somit, dass die Durchsetzung der rechtskräftigen aufenthaltsbeendenden maßnahme mittels Abschiebung in keiner Weise eine Minderung der Wahrung der Rechte von Herrn ONYEIJ in Bezug auf das Haftentschädigungsverfahren bedeutet." Abgesehen von der skandalösen Auslegung der Bestimmungen des strarechtlichen Entschädigungsgesetzes ("im Zweifel" gegen die Angeklagten) und abgesehen von der humanistischen Komponente (über ein Jahr unschuldig in Haft, Abschiebung nach einem Freispruch) ist der Vorwurf, daß Anthony durch seine Abschiebung am Betreiben seiner Haftentschädigungsansprüche gehindert werden soll, keineswegs entkräftet. Fakt ist: - in Nigeria gibt es keine Europarechts-SpezialistInnen. - Anthony hätte in Nigeria praktisch keine Chance auf Verfahrenshilfe. - Selbst mit einem Spitzenjob im Nigeria könnte er das notwendige Geld für einen Österreichischen Anwalt und für ein Straßburg-Verfahren nicht rechtzeitig aufbringen. - Die Kommunikation mit AnwÀlten in Österreich wäre wesentlich erschwert und verteuert, wenn nicht sogar unmöglich. -
Und nicht zuletzt: Anthony hatte ganz sicher Gründe für seine Flucht aus Nigeria... Fazit: Anthony hat kaum Chancen, seine berechtigten Ansprüche in Österreich durchzusetzen. Er hat in Nigeria aber noch weniger Chancen dazu. Und genau das weiss - und verschweigt - das Innenministerium.

Gerechtigkeit für Anthony!
Freiheit für alle Gefangenen des Staatsrassismus!

Verein Gemeinsam gegen Rassismus

PS: Wo sind die Mörder von Marcus Omofuma?