Quellenangabe:
Knast: Sozialarbeiter, Nazis, Abschiebung... (vom 30.03.2010),
URL: http://no-racism.net/article/3305/,
besucht am 21.11.2024
[30. Mar 2010]
Laurynas, der wegen der Krawalle nach der Berliner Wir-Bleiben-Alle-Demo am 13. März 2009 verknackt und kürzlich in die JVA Charlottenburg verlegt wurde, hat dort einige bewegte Wochen mit Höhen und krassen Tiefschlägen erlebt.
Wir ("Korrespondenzbüro", Anm.) fassen Ausschnitte aus einigen seiner Mitteilungen an verschiedene Leute zusammen; es ist nicht nur interessant für Leute, die direkt Soli-Arbeit für Laurynas machen, sondern es gibt auch einen guten Einblick, wie es in Berliner Knästen zugeht und wie dort insbesondere mit ausländischen Gefangenen umgesprungen wird.
Hallo Leute!
Meine Sachen aus Moabit, also auch die Post mit den ganzen Adressen, habe ich inzwischen hier nach Charlottenburg bekommen. Fließend kann ich drei Sprachen, Polnisch, Litauisch und Russisch. Englisch und Deutsch verstehe ich ein bisschen. Andere Gefangene helfen mir mit Übersetzungen, aber ich habe noch niemand gefunden, dem ich voll und ganz vertraue.
Vielen Dank für die ganzen Sachen, die Ihr mir geschickt habt, ich habe eine Menge Poster und CDs bekommen, und es wurde mir alles problemlos ausgehändigt. Seit einem Jahr habe ich keine gute Musik mehr gehört! Abends um sieben habe ich meine Post bekommen und bin sofort auf die Zelle zurück, Brief lesen und CDs anhören. Das ist fantastisch! Nun, um zwei Uhr nachts sind die Bullen gekommen und sagten, ich solle diese "Bastard-Musik" leiser machen. Ich erklärte ihnen, dass es sich um "Punk-Rock" handelt. Sie drohten damit, mir den DVD-Player und den Fernseher für einen Monat wegzunehmen. Das ist alles -- in den Knast können sie mich nicht mehr stecken, da sitze ich ja schon.
Mit den anarchistischen Postern habe ich die Wände meiner Zelle tapeziert. Die anderen Knackis kommen zu mir, schauen es sich an wie ein Museum und staunen gemeinsam mit mir. Die meisten finden es genauso toll wie ich. Nur meinem Nachbarn passt das nicht, der ist nämlich Nazi. Wir haben gelegentlich Auseinandersetzungen.
Wie lange ich noch sitzen muss? Nun, es ist so: In erster Instanz bin ich ja zu 15 Monaten verurteilt worden. Dann bin ich in Revision gegangen, und sie haben mir drei Monate erlassen. Also waren es 12 Monate, und am 23. März wäre Endstrafe gewesen. Aber ich hatte von früher noch sechs Monate auf Bewährung offen. Jetzt kürzlich erst wurde entschieden, dass ich die auch noch absitzen muss. So komme ich zu meinen 18 Monaten, bis zum 23. September. Total fürn Arsch. Ich bin auch zum Gericht und wollte auf 2/3 raus, aber mein Sozialarbeiter in Moabit hat mir eine negative Beurteilung geschrieben. Außerdem habe ich in Deutschland keine Meldeadresse. Also hat die Richterin gesagt, sitz es ab. Scheiße, damit steht fest, dass ich einen zweiten Sommer hier verbringen werde! Sie wollen mich einfach auf keinen Fall rauslassen. Und sie wollen mich sogar aus Deutschland abschieben. Aber das wird ihnen nicht gelingen...
---
Am 3.3.2010 um 14:30 kam zu mir auf die Zelle mein Sozialarbeiter. Ich schlief gerade. Er weckte mich und gab mir irgendwelche Papiere. Ich verstehe nicht sehr gut Deutsch und fragte ihn, was das sei. Er sagte, dass ich ein paar Sachen unterschreiben müsse, dann käme ich bald raus. Ich freute mich und unterschrieb, ohne die Papiere gelesen zu haben. Beim Umschluss ging ich zu einem deutschen Freund, und er las vor, was dort geschrieben war. Es stellte sich heraus, dass es die Abschiebung nach Litauen war. Betrug! Der Sozialarbeiter war schon weg, und es dauerte einige Tage, ehe ich ihn wieder erwischte. Er sagte mir, dass es schon zu spät sei, er hätte die Papiere schon abgeschickt und könne nichts mehr tun. Ich protestierte und erklärte, warum ich nicht abgeschoben werden will. Also sagte er mir, ich solle nach einigen Tagen wiederkommen, er versucht, das zu ändern. Als ich ihn heute morgen, um 9:00 am 12.3.2010, traf, sagte er, dass er mit der Polizei kommt und es nötig sei, Papiere auszufüllen. Ich sagte, dass ich nichts mehr unterschreiben werde ohne Übersetzer und Anwalt. Genau um 12:30 kam ein Polizist und forderte mich auf, Papiere auszufüllen. Ich weigerte mich und schickte ihn weg. Jetzt habe ich wohl ein Problem.
---
Jetzt hatte ich ein paar Tage lang guten Sound, bis mir die Bullen den DVD-Player geschrottet haben. Nun sind meine ganzen CDs in der Hauskammer. (Wenn ich kein Abspielgerät habe, darf ich auch keine Disks haben.) Und das kam so. Mein Nazi-Nachbar hatte plötzlich angefangen, "Sieg Heil" zum Fenster rauszurufen. Ich ging in seine Zelle rüber und sagte ihm die Meinung. Es dauerte nur ein paar Stunden, da kamen die Bullen in meine Zelle und führten eine "Kontrolle" durch. Dieser Faschist hatte ihnen gesagt, dass ich ein Handy besitze und es im DVD-Player versteckt hatte. Sie verwüsteten alles bei mir, zerrissen die Poster usw., kurz, die Zelle sah aus wie nach einem Atomkrieg. Natürlich fanden sie das Telefon, und danach funktionierte der DVD-Player nicht mehr. Nun, das hat mich vor dem Bunker gerettet -- machst du keine Beschwerde wegen dem DVD-Player, vergessen wir das mit dem Telefon.
Dafür ist das mit der Abschiebung wohl erledigt. Ich habe ein paar Widersprüche losgeschickt, und jetzt war ich wieder beim Sozialarbeiter. Er hatte Sachen von der Roten Hilfe auf dem Tisch liegen und sagte, die Abschiebung sei gestoppt. Ich weiß nicht, was passiert ist, aber mir scheint, Ihr da draußen habt Euch erfolgreich für mich eingesetzt. Vielen Dank!
Was aber seltsam ist: Meine Post dauert zur Zeit etwas länger. Normalerweise wird sie nicht kontrolliert, sondern ich bin dabei, wenn die Post geöffnet wird, und bekomme sie gleich.
Das mit den 2/3 ist rum ums Eck, ich war schon beim Gericht und sie haben gesagt, sie geben mir keine Bewährung. Wenn ich da eine Meldeadresse in Berlin gehabt hätte, wäre ich früher rausgekommen -- hatte ich nie, ich hab die letzten paar Jahre in besetzten Häusern gewohnt und war nie irgendwo gemeldet. Jetzt ist es zu spät dafür, ich habe noch sechs Monate, und mit dieser deutschen Bürokratie reicht mir die Zeit gar nicht, da noch was zu machen.
Ich mach mal ne Pause und geh mir ne Kippe schnorren. --- So, da bin ich wieder, hab geraucht und schon geht's mir wieder ein bisschen besser. Schon blöd, ich muss hier um Kippen und Tee betteln. Ich hatte noch ein bisschen Geld, weil ich in Moabit gearbeitet hatte, aber das ist jetzt alle. Hier geben sie mir keine Arbeit, das ist voll fürn Arsch. Nächsten Monat nehmen sie mir den Fernseher weg, weil ich die Gebühren nicht zahlen kann. Fast 17 Euro wollen die pro Monat für die Kiste! Tja, kein Geld, schau ich halt aus dem Fenster.
(Anmerkung: Wer daran was ändern will, darf gern was überweisen an: JVA Charlottenburg, Konto-Nr. 200 630 - 100, Postbank Berlin, BLZ 100 100 10, Verwendungszweck: "Mogila Laurynas 34/10/0". Kleine Beträge helfen auch!)
Wenn Du im Knast bist, hast Du sehr wenig Rechte. Und die halten sich nicht mal an die Gesetze. Wenn ich wegen ihnen an das Gericht und die Staatsanwaltschaft schreibe, dass dieses und jenes meiner Rechte verletzt worden sind, antwortet mir das Gericht, dass sie die Sache zur Prüfung der JVA übersandt haben, in der ich sitze. Die macht Dir dann natürlich richtig die Hölle heiß. Die machen mit Dir, was sie wollen. Ständige Kontrollen, sie geben mir meine Briefe nicht, schicken sie zurück und behaupten, ich wäre gar nicht in diesem Knast. War bei mir die ganze letzte Woche so -- also den Leuten, die Post zurückgekriegt haben, kannst Du sagen, es stimmt nicht, ich bin noch hier in Charlottenburg. Schickt es einfach nochmal. War ein "Versehen" der Anstalt.
Und denen kannst Du nichts anhaben. Das ist ein geschlossener Kreis. Du willst dich beschweren? Bitteschön, schreib soviel Du willst und wohin Du willst. Sie lachen Dich nur aus, das ist alles. Dann provozieren sie Dich noch, dass Du ausrastest und ihnen was sagst, sie beleidigst oder sonstwas. Dann schreiben sie Beurteilungen über Dich und Du kannst Deine Bewährung vergessen oder kriegst sogar noch was drauf.
Für mich ist die Situation besonders schwierig, weil ich ja wegen eines Angriffs auf ihren Bullenkollegen sitze. Da lassen sie mich nicht mal in Ruhe atmen. Aber da muss ich jetzt halt durch, muss es ertragen und überleben. Schlimm, wenn Du dann allein bist und niemand hast, der mit Dir kämpft. Viele reden zwar untereinander und motzen, dass das, das und das schlecht ist, kommen zu mir, erzählen von ihren Problemen. Aber das war's dann auch. Die meisten haben Angst, sich mit ihren Beschwerden an die Behörden zu wenden, weil sie dann die Arbeit verlieren oder Besuch oder Ausgang gestrichen werden. So tanzen sie lieber nach denen ihrer Pfeife.
Ich fürchte mich nicht vor ihrem System und kämpfe weiter. Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich dadurch irgendwas verbessert und es anderen im Knast dadurch leichter wird. Ich hab ja auch nichts zu verlieren. Darum möchte ich allen sagen, gebt nicht auf und kämpft für Eure Rechte. Brecht dieses faschistische Scheißsystem auf, das nicht nur hier im Knast besteht, sondern an vielen Orten! Und keine Angst vor dem Knast, hier ist nicht alles schlimm, hier leben auch Menschen.
Die denken, sie sind stark, aber gemeinsam sind wir stärker! Ich fühle mich hier nicht allein, denn ich weiß, dass draußen Leute an mich denken und zu mir stehen. Ich danke Euch sehr für alles, mit Euch bin ich stark! Freiheit für alle politischen Gefangenen und FUCK THE SYSTEM! (A)
Laurynas Mogila, JVA Charlottenburg, Buch Nr. 34/10/0, Friedrich-Olbricht-Damm 17, 13627 Berlin
Dieser Artikel von "Korrespondenzbüro" erschien zuerst am 27. Mar 2010 auf :: de.indymedia.org.