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Quellenangabe:
Frankreich: Zum Prozess gegen Sans Papiers (vom 10.04.2010),
URL: http://no-racism.net/article/3322/, besucht am 22.12.2024

[10. Apr 2010]

Frankreich: Zum Prozess gegen Sans Papiers

Prozess wegen Brandstiftung des Abschiebe- zentrums von Vincennes: Die Behörden fordern bis zu drei Jahre geschlossene Haft gegen die 10 Angeschuldigten. Gerichtsurteil für 17. März 2010 angesetzt.

Der Prozess gegen 10 mutmassliche Brandstifter des administrativen Internierungszentrums (CRA) von Vincennes wird bis zum Schluss einzigatig bleiben: In Abwesenheit der Verteidigungsanwälte endet er am Dienstag mit verhängten Strafanträgen von geschlossener Haft gegen alle Angeschuldigten. Der schwerste aller Strafanträge, drei Jahre Haft, traff einen seit den Ereignissen unter Haftbefehl stehenden und nie festgenommen Mann. Der Grossteil der anderen Angeschuldigten, zur Zeit im CRA festgehaltene Ausländer in irregulärer Situation, vollzogen eine für einige bis zu einem Jahr dauernde provisorische Haftstrafe.

Drei Strafen von 36 Monaten Haft, davon 6 auf Bewährung (also zweieinhalb Jahre geschlossene Haft), sind verhängt worden, ebenso wie zwei Strafen von 30 Monaten Haft mit 6 auf Bewährung (also 2 Jahre geschlossene Haft), und eine Strafe von 18 Monaten Haft, davon 6 auf Bewährung. Drei weniger schwere Strafen von 6 Monaten, 6-8 Monaten und 10 Monaten Gefangenschaft sind ebenso vom Staatsanwalt Gilbert Flam beantragt worden. Dieser hat den Verwicklungsgrad der Angeschuldigten mit den Brandstiftungen zu erfassen versucht, die das verhehrende Feuer im CRA von Vincennes (zur Zeit der Ereignisse das grösste von Frankreich) am 22. Juni 2008 ausgelöst haben.

Sieben Männer wurden für vorsätzliche Brandstifung am Zentrum vor die 16. Kammer des Landesgerichtes verwiesen, sechs für Gewalt gegen Polizeibeamte in diesem Kontext äusserster Anspannung. Drei Angeschuldigte werden zwei der Anklagepunkte wieder aufnehmen müssen. Nach dem Staatsanwalt sind die Taten und Gesten, die jedem von ihnen vorgeworfen werden, auf den Aufzeichnungen der Überwachungskameras des CRA deutlich zu sehen: Werfen von Gegenständen auf Polizisten von der Seite mancher, Zerschlagung von Gebäudescheiben von anderen und Herbeibringen von "Brennmaterial" durch gewisse, was die Entfachung von Tüchern und Matrazen ermöglichte. Die Zwischenfälle sind am Folgetag des von den inhaftierten Ausländern als suspekt denunzierten Todes eines 41 jährigen Tunesiers unternommen worden, der sich im CRA aufhielt.

Das Gerichtsurteil wurde zur Beratung auf den 17. März angelegt

Ohne von vorsätzlichen Taten zu sprechen, stellte der Staatsanwalt "eine gewisse Vorbereitung dessen, was passierte" fest, betonte "eine Art von Absprache" zwischen dem Treiben der einen und der anderen, "mit dem Ziel", das Internierungszentrum zu zerstören. Anschuldigungen, für welche die Verteidigungsanwälte nicht die Musse besassen zu erwidern: seit einer Woche haben sie, die Debatten als "ungerecht" verurteilend, den Gerichtssaal verlassen. Als der 25. Januar anbrach, fand die Gerichtsverhandlung ohne ihre Verteidigungsreden ein Ende, den chaotischen und umstrittenen Verlauf des gesamten Prozesses wiederspiegelnd. Das Gerichtsurteil wurde zur Beratung auf den 17. März angelegt. Die Anwälte werfen dem Gericht hauptsächlich vor, die zusätzlichen Informationen, die sie beantragten, nicht eingeholt zu haben, um eine, ihnen zufolge, "belastende" Untersuchung auszugleichen.

Unter ihren Einsprüchen: Eine Untersuchung der Persönlichkeit der Angeschuldigten, ein Transport über die Orte, ein technisches Begutachten der Lokalitäten des CRA, um ihre Übereinstimmung mit den Sicherheitsnormen zu überprüfen. Einzig was diesen letzten Punkt betrifft, schien der Staatsanwalt für ihre Argumente empfänglich: "Man kann sich die Frage stellen, was dem Feuer erlaubt hat, sich auf solch heftige Weise auszubreiten. Wieso waren die Matrazen und die Tücher nicht feuerbeständig? Wieso waren die Feuerlöscher nicht wieder aufgefüllt?", fragt er sich. Eine gewaltige Frage, wenn es für das Gericht darum gehen wird, zu entscheiden, ob die Angeschuldigten, grösstenteils in irregulärer Situation und ohne Beschäftigung, den Staat für die Zerstörung eines seiner Immobiliengüter entschädigen müssen.

Artikel publiziert am 10. Feb 2010 auf :: cettesemaine.free.fr. Aus dem französischen übersetzt (die juridischen Begriffe sind wohl teilweise unkorrekt) und zuerst veröffentlicht am 15. Feb 2010 auf :: ch.indymedia.org/de.