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Quellenangabe:
Dublin-Abkommen: Abschiebungen nach Griechenland aussetzen (vom 04.05.2010),
URL: http://no-racism.net/article/3357/, besucht am 24.04.2024

[04. May 2010]

Dublin-Abkommen: Abschiebungen nach Griechenland aussetzen

Die asylkoordination Österreich fordert in einer Aussendung vom 04. Mai 2010 die Behörden auf, keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland abzuschieben.

In Griechenland besteht nicht nur eine veritable finanzielle Krise, auch im Asylsystem verfehlt Griechenland europäische Standards. Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat nun dem dringenden Appell eines Asylwerbers, der von Österreich nach Griechenland überstellt werden sollte stattgegeben.

Durch die vorläufe Anordnung des Menschenrechtsgerichtshofes darf Österreich die Abschiebung nach Griechenland nicht durchführen. „Das Innenministerium sollte diese Entscheidung des Menschenrechtsgerichtshofes ernst nehmen und keine Überstellungen von Flüchtlingen nach Griechenland mehr durchführen, sondern selbst in das Asylverfahren eintreten, fordert Anny Knapp, Obfrau der asylkoordination Österreich.

Bereits einmal hat Österreich den afghanischen Flüchtling, der nun durch die Straßburger Entscheidung geschützt wird, nach einer negativen Entscheidung der damaligen Berufungsinstanz, des Unabhängigen Bundesasylsenats, nach Griechenland überstellt. Er durfte aufgrund der aufschiebenden Wirkung seiner beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde nach Österreich zurückkehren. Nun wurde vom Asylgerichthof, der den Unabhängigen Bundesasylsenat als erufungsinstanz abgelöst hat, Griechenland für sein Asylverfahren als zuständig erklärt und der Afghane ausgewiesen. Die Behandlung einer an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde hat dieser so wie in unzähigen anderen Fällen abgelehnt.

In den letzten beiden Jahren wurden zur dramatischen Situation der Flüchtlinge in Griechenland zahlreiche Berichte erstellt. Als problematisch werden darin nicht nur die eklatanten Mängel im Asylverfahren aufgezeigt. Diese beginnen bereits bei der Schwierigkeit, überhaupt einen Asylantrag zu stellen und ziehen sich durch das gesamte Asylverfahren: keine (qualifizierten) Dolmetscher bei Befragungen, keine Auseinandersetzung mit den vorgebrachten Fluchtgründen, standardisierte Ablehnung der Anträge mit der Begründung, rein wirtschaftliche Gründe seien Motiv der Flucht gewesen. Mit solchen Textbausteinen werden auch Flüchtlinge aus Ländern abgefertigt, deren Anträge in anderen EU-Staaten überwiegend positiv entschieden werden. Im Ranking der Asylanerkennungsquote liegt Griechenland weit abgeschlagen, nur 0,02 Prozent der Anträge wurden in erster Instanz positiv entschieden, in Österreich immerhin 37,9% . Dazu kommt, dass es derzeit kein Berufungsverfahren gibt – die vor einem Jahr neu geschaffene Kommission, dienicht EU-rechtlichen Standards entspricht, wartet die geplante Neustrukturierung ab. Besorgniserregend auch die Lebensbedingungen, unter denen Flüchtlinge zu überleben versuchen. Die staatlichen Versorgungskapazitäten reichen für einen Bruchteil der in Griechenland lebenden AsylwerberInnen, rund 20.000 sind obdachlos und gezwungen, sich mit tageweisen Jobs irgendwie über Wasser zu halten. In Zeiten der Krise wurden die Arbeitsmöglichkeiten aber rar. Auch die Haftbedingungen sind unter jeder Kritik, was auch vom Menschenrechtskommissar erst kürzlich wieder gerügt wurde.

Obwohl den österreichischen Asylbehörden die kritischen Berichte über die Sitution der Flüchtlinge in Griechenland bekannt sind, halten sie an der Fiktion fest, dass Griechenland seine Verpflichtungen aus den europäischen Asylregelungen erfüllt, also sowohl ein faires rechtsstaatliches Asylverfahren durchführt als auch bemüht ist für Odach und Unterhalt zu sorgen. So kommt es, dass der Asylgerichtshof nur in Ausnahmefällen, wenn Familien mit Kleinkindern abgeschoben werden sollen, eine Ausnahme von der generellen Annahme machen, dass Griechenland die eingegangenen Verpflichtungen wie jeder andere EU-Staat einhält. Deutschland ist hier bereits etwas offener und übernimmt selbst das Asylverfahren, wenn es sich um besonders schutzbedürftige Menschen handelt, also beispielsweise Familien mit Kindern, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, alleinstehende Frauen.

Die Finanzkrise in Griechenland läßt nicht erwarten, dass die Versäumnisse der letzten Jahre, ein den Mindeststandards entsprechendes Asylsystem einzurichten, gerade jetzt realisiert werden. Für die Flüchtlinge dürfte es im Gegenteil nun noch schwieriger werden, in Griechenland zu überleben. Die asylkoordination Österreich wiederholt daher ihren Appell an das Innenministerium, Dublin Verfahren mit Griechenland bis auf Weiteres auszusetzen und die Asylverfahren in Österreich durchzuführen.


Kontakt und weitere Informationen :: asyl.at

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