Quellenangabe:
Gedenkkonzert Seibane Wague (vom 15.07.2010),
URL: http://no-racism.net/article/3436/,
besucht am 22.12.2024
[15. Jul 2010]
15. Juli 2010, 20:30-22:00 im WUK, Währinger- straße 59, 1090 Wien + Hintergrundinfos.
Für MusikfreundInnen gibt es im Rahmen eines Konzerts im WUK die
Möglichkeit des gemeinsamen Gedenkens:
Während des Aufritts von Dominik Nostitz wird Topoke einiges zum 7. Todestag von Seibane Wague zu sagen haben und aktuelle Bezüge wie den Zynismus des Innenministeriums thematisieren, er wird auch einen musikalischen Beitrag im Gedenken zum Besten geben. - Dominik ist auch bekannt für seinen Beitrag beim Solidaritätskonzert 2003 im Afrikadorf.
15. Juli 2010 im WUK, Währingerstrasse 59, 1090 Wien
Von 8.30 bis 10 pm, Mit Franz Hautzinger, Jakob Schneidewind, Bernie Hammer, Dominik Nostitz & GästInnen
Bei freiem Eintritt und freiem Wetter (schlechtwetter indoor, goodwetter openair)
Und für alle, die die Vorfälle von damals nicht (mehr) so genau im Kopf haben:
Am 15.7.2003 wurde der mauretanische Staatsbürger Seibane Wague im Rahmen einer rassistischen "Amtshandlung" mit Faustschlägen auf den Hinterkopf traktiert, beschimpft, in Bauchlage fixiert und von 6 PolizistInnen und 3 Sanitätern über mehrere Minuten- teilweise mit dem ganzen Körpergewicht - auf den Boden gepresst. Der Notarzt stand - mit den Händen in den Hosentaschen - daneben. Herr Wague wurde leblos ins Krankenhaus transportiert. Dort konnte nach 5-stündigen Wiederbelebungsversuchen nur noch der Tod festgestellt werden.
Im Zuge der Bemühungen um eine Aufklärung der Vorgänge vom 15.7.2003 gab es offensichtliche Behinderungen aus Polizeikreisen (z.B. Absprachen von Zeugenaussagen durch Polizisten, Polizisten untersuchen Polizisten, ein Gerichts-"Sachverständiger des Innenministeriums, der selbst Polizist war) und politischen Druck (Ex-Innenminister Strasser hatte ja von vornherein immer behauptet, es habe sich um eine korrekte Amtshandlung gehandelt, was dann sogar durch - ansonsten unbefriedigende - Urteile der ohnehin handzahmen Justiz widerlegt wurde). Das Urteil im Strafprozess gegen die 10 beteiligten Einsatzkräfte vom 9.11.2005 spiegelte die Kollaboration von Polizei, Justiz und schwarzblauer Regierung in Fällen rassistischer Gewalt wider: 8 Freisprüche, der Notarzt und 1 Polizist wurden zu je 7 Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt. Das hieß; z.B. für den verurteilten Polizisten, dass er weiterhin seinen Polizeidienst versehen konnte! Beim Berufungsverfahren am Oberlandesgericht Wien wurden am 15.3.2007 die Freisprüche und konsequenzlosen Scheinstrafen der ersten Instanz bestätigt. Die einzige Ausnahme betraf den verurteilten Polizisten, dessen Strafausmaß sogar noch auf 4 Monate bedingte Freiheitsstrafe reduziert wurde.
Der damalige Innenminister Strasser war bei der letzten Europawahl
übrigens Spitzenkandidat der ÖVP und betonte im Wahlkampf, dass die ÖVP (im Gegensatz zur FPÖ) vollständig auf dem Boden der Menschenrechte stehe, was gerade aus seinem Mund besonders seltsam klingt. Gerade in den letzten Tagen holte den jetzigen ÖVP-Delegationsleiter im Europa-Parlament seine schwarzblaue Ministervergangenheit wieder ein. Der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) für Niederösterreich stellte fest, dass Strasser wenige Monate nach dem Tod von Seibane Wague im November 2003 74 tschetschenische Flüchtlinge in die Tschechische Republik zurückschieben ließ, ohne ihre Asylanträge prüfen zu lassen, und sie damit ihrer Rechte beraubte. Die stundenlange Anhaltung in durchnässten Kleidern im Winter grenzt laut dem UVS-Richter zumindest an unmenschliche Behandlung.
Der UVS brauchte allerdings für sein Urteil mehr als 6 Jahre, sodass Amtsmissbrauch und falsche Zeugenaussage (es habe keine Asylanträge gegeben) Strassers inzwischen verjährt sind und es für den Exminister und ÖVP-Europadelegationsleiter Strasser ebenso keine Konsequenzen gibt wie für die Beteiligten an der tödlichen Amtshandlung an Seibane Wague.
Allerdings gibt Michael Genner (Asyl in Not) zu bedenken, dass es im Tatbild von Strasser und Komplizen auch Aspekte gibt, die auch nach 6 Jahren nicht verjährt sind und endlich geahndet werden müssen, hier zum Abschluss ein Auszug aus seiner Aussendung:
"Nicht verjährt ist unseres Erachtens aber die ebenfalls im November 2003 von uns angezeigte rechtswidrige Freiheitsentziehung, da sie auf solche Weise begangen wurde, dass sie den tschetschenischen Flüchtlingen besondere Qualen ('unmenschliche Behandlung') bereitete oder für sie mit besonders schweren Nachteilen (Abschiebung ohne Prüfung der Fluchtgründe) verbunden war (§ 99 Abs 2 StGB). Dieses Delikt ist mit Gefängnis von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen und verjährt erst nach zehn Jahren. Ebenso wenig verjährt ist das Delikt der Überlieferung wehrloser Menschen an eine fremde Macht (nämlich die Tschechische Republik, die damals mit gutem Grund als unsicherer Drittstaat galt).
Wir verlangen daher, dass die Staatsanwaltschaft sich aufrafft und endlich ein Strafverfahren gegen Strasser und Komplizen einleitet. Da laut UVS der Verdacht der falschen Aussage - und somit der Absicht, auch in Zukunft den wahren Sachverhalt zu verdunkeln - im Raum steht, wird auch die Verhängung der Untersuchungshaft zu prüfen sein."