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Quellenangabe:
Eröffnung 'Freunde schützen'-Haus (vom 17.09.2010),
URL: http://no-racism.net/article/3501/, besucht am 19.04.2024

[17. Sep 2010]

Eröffnung 'Freunde schützen'-Haus

In Wien Meidling ist ein Wohnprojekt für Familien, die kurz vor einer Abschiebung stehen, eröffnet worden.

Die Einrichtung geht auf die Initiative der Rechtsberaterin Karin Klaric von Verein Purple Sheep und des Immobilientreuhänders Hans Jörg Ulreich zurück. Ulreich ist jener Vater eines Schulfreundes von Bernard K., der im Februar mit seiner Familie in den Kosovo abgeschoben worden ist (siehe Artikel auf no-racism.net: :: Fußball verbindet, aber einer musste gehen! Doch: Wir wollen keine Abschiebung! und :: Abschiebung statt Ferien?).

Ohnmacht und Wut auf das Abschiebesystem


Bei einer Pressekonferenz in der Einrichtung forderten die InitiatorInnen des Vereins Zivilcourage und eine 'menschenwürdige' Politik. Der Unternehmer erklärte seine Beweggründe: 'Bis jetzt habe ich über Abschiebeberichte in den Zeitungen einfach drübergelesen und gedacht: Was geht mich das an?'
Im Frühjahr, als der neun Jahre alte Freund seines Sohnes abgeschoben wurde, habe sich das aber geändert. 'Wir sind ohnmächtig zurückgeblieben. Aus der Ohnmacht entstand aber eine Wut auf das System', und diese habe ihn angetrieben, etwas zu unternehmen. Ulreich stellte schließlich das Haus in Wien zur Verfügung. Er hat ein Hintergebäude niederreißen lassen, um Raum zu schaffen und hat mit den BewohnerInnen und GeschäftbetreiberInnen im Haus gesprochen und ihr Ja zu dem für unbegrenzte Zeit angesetzte Projekt samt Tag der offenen Tür am Sonntag, den 19. September 2010 erwirkt.

Etwa 50 Familien finden in Wohnungen Platz, und auch im Hof ließen sich Zelte aufstellen. Die Betroffenen werden in dieser schwierigen Zeit rund um die Uhr betreut, so Klaric. Die Aufnahme der von der unmittelbaren Abschiebung bedrohten Familien ist aber nicht die einzige Aufgabe der Einrichtung.

Die InitiatorInnen rufen die Bevölkerung auf, sich ein Bild zu machen. 'Das sind alles gut integrierte Familien, deren Asylverfahren aus ist. Sie treten dann vom Asyl- in das fremdenpolizeiliche Verfahren über', erklärte die Rechtsberaterin. Die Praxis bei den Überprüfungen der Polizei würden aber oft über die Schikane hinausgehen, im neuen 'Freunde schützen'-Haus soll die Situation deshalb dokumentiert werden, so Klaric.

Kritik an Fischer: Keine Zivilcourage


Ulreich möchte sich von der nächsten Generation nicht die Frage stellen lassen müssen: 'Warum habt ihr nichts gegen die Grauslichkeiten getan?' Weiters übte er scharfe Kritik an Bundespräsident Heinz Fischer, welcher nicht auf die Abschiebepraxis reagiere. 'Steht in der Verfassung auch, dass ein Bundespräsident keine Zivilcourage haben darf? Schämen sie sich, Herr Bundespräsident.'
Ulreich zeigte sich optimistisch, dass die ÖsterreicherInnen nicht fremdenfeindlich sind: 'Ich glaube, dass die überwiegende Mehrheit in diesem Land nicht will, dass gut integrierte Kinder abgeschoben werden. Nur, man muss es den Leuten erklären, sie informieren.'

15.000 Unterschriften gegen Abschiebungen


Das neue Haus ist ein derartiges Informationsangebot. Die Bezeichnung 'Freunde schützen' geht auf die namensgleiche Initiative zurück, Ulreich ist Mitbegründer. Die Privatinitiative www.freundeschuetzen.at hat es geschafft, in kürzester Zeit rund 15.000 Unterschriften gegen die Abschiebung gut integrierter Menschen in Österreich und für die Umsetzung eines fairen und menschlichen Bleiberechts zu sammeln. Doch entgegen aller offiziellen Pressemeldungen des BMI hat sich die Situation für die Betroffenen in den letzten Wochen und Monaten weiter verschärft und musste machtlos zugesehen werden, wie Familien und Kinder, die in Österreich tief verwurzelt waren, in ein Herkunfts- und kein Heimatland zurückgeschickt wurden.

Hans Jörg Ulreich, Vater eines Mitschülers eines abgeschobenen Freundes und Mitinitiator von Freunde Schützen, will nicht länger zusehen. Karin Klaric, Obfrau des Vereins Purple Sheep, Rechtsberaterin für AsylwerberInnen und Mitinitiatorin, sieht in der österreichischen Gesetzeslage zwar Chancen durch das Bleiberecht für die Betroffenen, scheitert aber am ausschließlich nachteiligen Ermessen der zuständigen Beamten. Für die Betroffenen selbst, besonders für die Kinder herrscht Gefahr im Verzug.

Wohnprojekt und Informationsangebot


Das 'Freunde Schützen Haus' wird nicht nur ein Zuhause und eine Notunterbringung für bestens integrierte Familien die kurz vor der Abschiebung stehen, sondern soll ein Symbol der gelebten Zivilcourage werden und eine Einladung ein aktives Zeichen zu setzen an all jene, die sich - wie die OrganisatorInnen - zutiefst für das Unrecht, das momentan tagtäglich in Österreich passiert schämen und die nicht mehr länger zusehen wollen. Gleichzeitig ist das Haus der Öffentlichkeit zugängig, stehen die BewohnerInnen für Gespräche zur Verfügung und soll der grausame, Nerven zerreißende, mit Angst erfüllte Alltag der Betroffenen und deren FreundInnen via Internet publik gemacht und dokumentarisch festgehalten werden.