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Quellenangabe:
Verzögerungstaktik bei Aufklärung eines rassistischen Morders (vom 24.10.2010),
URL: http://no-racism.net/article/3534/, besucht am 21.11.2024

[24. Oct 2010]

Verzögerungstaktik bei Aufklärung eines rassistischen Morders

Das für 25. Oktober 2010 am LG Magdeburg angesetzte Revisions- verfahren gegen einen Polizisten wegen des Todes von Oury Jalloh wurde wegen angeblicher Krankheit des Angeklagten vertagt. Proteste gegen die fehlenden Konsequenzen nach dem Brand in Dessau, Zelle Nr. 5 und dem qualvollen Tod Oury Jallohs.

Pressemitteilung der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh zur Prozessverschiebung

Berlin / Dessau, den 21. Oktober 2010

Am 07.01.2005 verbrannte Oury Jalloh an Händen und Füßen gefesselt in einer Dessauer Polizeizelle. Der Prozess gegen die angeklagten Polizisten endete im Dezember 2008 mit einem Freispruch. Auf Verlangen der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh legte die Nebenklage Widerspruch gegen das Urteil beim Bundesgerichtshof (BGH) ein - und bekam Recht. Exakt am fünften Todestag Oury Jallohs bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) was die Initiative Oury Jalloh und andere Organisationen bereits seit Langem anprangerten:
Der Prozess, der gegen die diensthabenden Polizeibeamten begann, war eine Farce:

Vertuschung des Mordes an Oury Jalloh, Küngelei und Mauern der Polizist[_inn]en, Lügen und Falschaussagen der Zeug[_inn]en und Angeklagten ohne Konsequenzen. Der BGH hat daher folgerichtig entschieden, dass der Prozess gegen einen der angeklagten Polizisten neu aufgerollt werden müsse, denn die Familie des Opfers haben ein Recht auf ein rechtsstaatliches Verfahren.

Eigentlich sollte das Revisionsverfahren am 25. Oktober 2010 am Landgericht in Magdeburg beginnen. Die Verhandlung wurde nun wegen Krankheit des angeklagten Polizeibeamten Andreas Schubert auf Januar 2011 verschoben. Durch diese Verzögerungstaktik, in dessen Rahmen der Polizist Schubert nicht zum ersten Mal krank erklärt wurde, soll wertvolle Zeit für die Wahrheitsfindung verstreichen und sollen all diejenigen, die gegen rassistisch motivierte Staatsgewalt kämpfen, mürbe gemacht werden. Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh, seine Freund_innen und Anti-Rasssist_innen werden jedoch nicht vergessen und nicht locker lassen, sondern weiterkämpfen für Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung. Wir geben keine Ruhe und werden uns nicht still auf Justizbehörden verlassen, sondern den Prozess, wann immer er auch beginnt, kritisch begleiten und Präsenz zeigen, damit eine Farce und ein Prozessende wie in Dessau nicht noch einmal möglich ist.

Am 25.10. 2010 ab 10 Uhr werden wir daher eine Mahnwache vor dem Landgericht Magdeburg - Halberstädter Straße 8 - abhalten


Oury Jalloh - Das war Mord! Wir fordern Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung!


Stellungnahme anlässlich der Verschiebung und Verschleppung des LG Magdeburg im Fall Oury Jalloh

Pressemitteilung von The Voice Refugee Forum und der Plataforma der MigrantInnen und Flüchtlinge, Berlin, den 18.10.2010

Nachdem das erste Gerichtsverfahren als eine Farce endete, hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe den Freispruch für Andreas Schubert im vergangenen Januar aufgehoben und das Aufrollen des Prozesses in Magdeburg für diesen Oktober festgesetzt.
Es ist aber jetzt klar geworden, dass diese Entscheidung bloß der Versuch war, den Druck von der Straße zu mildern, denn der Prozess wird jetzt, genau wie der erste, verschoben und verschleppt. Dies ist ein wiederholter Beweis dafür, dass das Rechtssystem Deutschland keinerlei Interesse hat, die Wahrheit aufzudecken und der Familie und den Freunden Jallohs Gerechtigkeit zu widerfahren zu lassen.

Berlin Oktober 2010: Das Landgericht Magdeburg teilte am 6. Oktober mit, dass der Prozess um den Tod Oury Jallohs nicht wie geplant Ende Oktober beginnen kann. Es gebe Anhaltspunkte für eine schwere körperliche Erkrankung des Angeklagten Andreas Schubert. Das Gericht hat die Untersuchung des Angeklagten durch einen Amtsarzt angeordnet. Das endgültige Ergebnis liegt noch nicht vor1. Am 12. Oktober wurde schließlich mitgeteilt, dass der Prozess auf den 12. Januar 2011 verschoben würde.2 Es ist nicht das erste Mal im Zusammenhang mit dem Prozess, dass der Angeklagte Schubert krank erklärt wurde, um den gesamten Prozess zu verzögern.3

Aus unserer Sicht hat auch das LG Magdeburg nicht das Anliegen einer Aufklärung der Todesumstände Oury Jallohs. Wie bei dem ersten Prozess, der zwei Jahren nach dem Tod Jallohs eröffnet wurde, sind auch hier Lüge, Vertuschung und die Verhinderung von Wahrheit zu erwarten. Die Anklage gegenüber Schubert bleibt „Körperverletzung mit Todesfolge“ und wir wissen nicht, ob auch in Richtung „Mord“ ermittelt wird. Wir sind immer noch der Überzeugung, dass unser Bruder Oury ermordet wurde. Wir sprechen dabei nicht von strukturellem Mord, Versagen des Systems oder fahrlässiger Tötung, sondern von vorsätzlicher Tötung, in die fast alle Polizisten, die sich am 05. Januar 2005 in dem Revier in Dessau befanden, involviert sind. Das wurde möglich gemacht durch die Vertuschungen und die Lügen der Dessauer Polizei.

Auch in dem Fall von Laye Alama Condé hat das BGH am 29. April 2010 entschieden, den Fall zur Neuverhandlung an das Bremer Landgericht zu verweisen. Seitdem ist von dem Fall nichts mehr zu hören und der Beginn des Verfahrens ist unbekannt. Es ist nicht nur das Versagen des Systems, es ist eine Strategie, das deutsche Rechtssystem zum langsamen Schweigen zu bringen. „Eine verzögerte Gerechtigkeit ist eine abgelehnte Gerechtigkeit“, sagt Yufanyi Mbolo von The VOICE. Während wir für Gerechtigkeit kämpften, wurden einige Aktivisten von uns rassistisch kontrolliert, erniedrigt, verhaftet und verfolgt. Nach den Ermordungen von Oury Jalloh und Laye Condé gibt es noch immer mysteriöse Todesfälle in Zusammenhang mit dem deutschen rassistischen System und der Polizei. Polizeigewalt und besonders rassistische Polizeigewalt sind zu unserem Schicksal geworden.

Obwohl und vielleicht weil wir von dem neuen Prozess keine Gerechtigkeit erwarten, muss auch dieser Prozess von unabhängigen JuristInnen, MenschenrechtsaktivistInnen und Betroffenen kritisch beobachtet. Diese Beobachtung des Prozesses soll nicht als Legitimation der Vertuschung verstanden werden, sondern als eine Delegation zur Dokumentation des Prozesses und seiner Ergebnisse. Wir werden die beiden Fälle sehr kritisch verfolgen und fordern immer noch Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung der Familien von Oury Jalloh und Laye Alama Condé.

Die Fälle von Oury Jalloh und Laye Alama Condé sind die zwei Fälle, die ihre Gerechtigkeit im Gerichtsverfahren nicht bekommen haben, aber sie sind nur ein Teil vieler Fälle von Polizeigewalt. N'deye Mareame Sarr, Halim Dener, John Achidi, Zdravko Nikolov Dimitrov, Aamir Ageeb, Arumugasamy Subramaniam, Dominique Koumadio und viele andere sind Opfer der deutschen Polizei und ihrer rassistischen Straflosigkeit. Ihre Fälle wurden nicht einmal vor Gericht gebracht.

Fast 6 Jahren nach Oury Jallohs bestialischem Tod in Zelle Nr. 5 in Dessau sagen wir weiterhin: Oury Jalloh – das war Mord!

und fordern: Break the Silence! Wahrheit! Gerechtigkeit! Entschädigung!


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