Quellenangabe:
Code E. ist frei! Nach Protesten aus Schubhaft entlassen (vom 17.11.2010),
URL: http://no-racism.net/article/3563/,
besucht am 24.11.2024
[17. Nov 2010]
Der von Abschiebung bedrohter Ottakringer HTL-Schüler wurde nach Protesten überraschend aus der "Unterkunftnahme" im PAZ Rossauer Lände entlassen. Die geplante Charterabschiebung am 18. November 2010 um 0:20 findet - ohne Code E. - trotzdem statt.
Als sich Dienstag, 16. November 2010 um 18 Uhr rund 150 Personen vor dem Polizeianhaltenzentrum (PAZ) Rossauer Lände sammelten, um gegen Schubhaft und Abschiebung zu protestieren, war zur Überraschung aller auch jener unter ihnen, dessen drohende Abschiebung eigentlich Anlass für die Demonstration war: Code E.
Für keinen war die Überraschung allerdings größer als für Code selbst. Seit Sonntag war der Schüler der HTL Ottakring im Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände festgehalten worden. Es wurde ihm keinerlei Kontakt nach außen erlaubt. Er durfte weder seinen Rechtsbeistand anrufen, noch durfte er seinem Arbeitgeber mitteilen, dass er nicht kommen könne. Bis wenige Minuten vor der Demonstration zum ersten Mal ein Kontakt mit seinem Rechtsbeistand ermöglicht wurde, wusste Code nicht, ob sein Verschwinden draußen überhaupt registriert wurde, ob sich irgendwer darum kümmert. Auf der Straße sah er dann, dass 150 Menschen gekommen waren, um ihm zu helfen.
Seine Freude war groß, an diesem 16. November, seinem Geburtstag.
Die Zukunft bleibt aber ungewiss, so unklar wie auch die Beweggründe für seine unerwartete Freilassung sind.
Die Grüne Migrations- und Menschenrechtssprecherin Alev Korun vermutete im Gespräch mit Radio Orange 94,0, dass die Ministerin kalte Füße bekommen habe, nachdem der Umgang mit Code E. von Schüler_innengruppen, über Internet und auch wegen Interventionen der Grünen öffentlich bekannt geworden war. Denn die Isolierung von seinem Rechtsbeistand sei rechtswidrig gewesen. Und dass die Fremdenpolizei im Schubhaftbescheid selbst schreibt, dass von der Anordnung einer Schubhaft "Abstand genommen" würde und gleichzeitig als gelinderes Mittel die "Unterkunftnahme" in der Schubhaft anordnete, sei so zynisch wie es ihr noch nie untergekommen ist.
Asyl wurde Code E. in Österreich keines gewährt. Er war 2003 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Österreich gekommen, nachdem er zuvor in Nigeria von politischen Gegner_innen seines Vaters entführt, angeschossen und verletzt im Wald ausgesetzt worden war. Seine Mutter wurde erst im vorigen Jahr von der gleichen politischen Gruppe wie zuvor Code E. entführt. Eine Rückkehr nach Nigeria kann für Code neuerliche Verschleppung und den Tod bedeuten.
In Wien machte Code seinen Hauptschulabschluss und lernt nun an der HTL Ottakring Elektrotechnik im dritten Jahrgang. Nebenbei arbeitet er als Zeitungsausträger. Ein Antrag auf Bleiberecht liegt derzeit bei der MA 35, die vor der geplanten Abschiebung angeblich nicht konsultiert wurde. Ein weiterer mutmaßlicher Rechtsbruch durch die Abschiebebehörden.
Der Abschiebeflug in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag wird ohne Code abheben. Leer bleibt der Flieger trotzdem nicht. Für viele andere wird wie bei allen dieser mehrmals monatlich stattfindenden Massenabschiebungen aus der EU der Traum von einem menschenwürdigen Leben oder vom Überleben überhaupt ein Ende finden.
Die Demonstrant_innen zogen daher trotzdem wie geplant zum Innenministerium. Am Anfang mit dabei waren unter anderem auch die designierte Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, die Nationalratsabgeordnete Alev Korun und der künftige Gemeinderat Klaus Werner-Lobo.
Einzelne Demonstrant_innen stellten auf Flugblättern fest: "Unsere Solidarität muss allen politischen Verfolgten, allen Illegalisierten, allen Ausgebeuteten, allen Abenteuer_innen gelten. Unabhängig von Integration. Denn: Wer bestimmt, was 'Integration' - Sprache, Kultur oder Liebe - bedeutet?"
Dieses Flugblatt kann übrigens :: hier als pdf runtergeladen werden, um es auch selbst auszudrucken und zu verteilen. Es handelt sich dabei um älteres Flugblatt, dass überarbeitet und neu auf :: auf at.indymedia.org veröffentlicht wurde (:: Originalversion).
für die Wiener Lokalausgabe der ZIP-FM, online im Sendungsarchiv vor Radio Orange 94.0:
:: Interview mit Code E. (Schüler, von Abschiebung bedroht)
:: Interview mit Alev Korun (Grüne Migrations- und Menschenrechtssprecherin, Abg. z. NR)
Zur Vorgeschichte siehe :: Wien: HTL Schüler vor Deportation - Selbstmordversuch (15. Nov 2010)
Auf :: at.indymedia.org wurde folgender Aufruf für die Demonstration am 16. November veröffentlicht:
Demo gegen die Abschiebung eines Schülers nach Nigeria
Heute 18h Rossauer Lände Demo gegen die Abschiebung eines Schülers nach Nigeria!
Code Ehiro, der seit 7 Jahren in Wien lebt und die HTL Ottakring besucht, wurde Sonntag abgeholt und in das Abschiebezentrum Rossauerlände gebracht. Das, obwohl er damals in aus Nigerien von politischen Gegnern seines Vaters verschleppt und verletzt worden war.
Heute 18h Rossauer Lände Demo gegen die Abschiebung eines Schülers nach Nigeria!
Code Ehiro, der seit 7 Jahren in Wien lebt und die HTL Ottakring besucht, wurde Sonntag abgeholt und in das Abschiebezentrum Rossauerlände gebracht. Das, obwohl er damals in aus Nigerien von politischen Gegnern seines Vaters verschleppt und verletzt worden war. Voriges Jahr wurde auch seine Mutter entführt, trotzdem will Fekter Code abschieben lassen.
Kein Mensch ist illegal-Bleiberecht überall!
Soll Rot-Grün mal zeigen, dass sie "anders" sind!
Auf :: ausmitraus.aks.at wird für 17. November 2010 zu einer Blockade beim Schubhäfn Rossauer Lände aufgerufen:
Schon wieder soll einer unserer Mitschüler, Code E. aus der HTL Ottakring abgeschoben werden. Am 18.11. um 0:20 geht sein Flieger von Wien Schwechat.
Obwohl Code Ehiro seit 7 Jahren in Wien lebt, und hier die HTL Ottakring besucht, soll er Abgeschoben werden. Und dass obwohl er in Nigeria von politischen Feinden seines Vaters verfolgt und auch verletzt wurde.
Das lassen wir nicht zu! Deswegen demonstrieren wir heute, 16.11. um 18:00 vor dem Schubhaftzentrum Rossauerlände.
Übrigens, das Bild ist der Flyer für die Blockade morgen Abend ..."
Ob die Blockade nach der Freilassung von Code E. wir geplant stattfindet, ist uns nicht bekannt. Die Charterabschiebung am Donnerstag, 18. November um 0:20 wird voraussichtlich wie geplant stattfinden - und es ist zu erwarten, dass in den Stunden davor Gefangene aus der Rossauer Lände zum Flughafen Wien Schwechat gebracht werden. Hier der Flyer:
Artikel zuerst veröffentlicht am 16. November 2010 auf :: nochrichten.net, Demoaufruf von :: at.indymedia.org, Blockadeaufruf von :: ausmitraus.aks.at.