Quellenangabe:
Proteste gegen FPÖ-Neujahrstreffen in Oberlaa (vom 21.01.2001),
URL: http://no-racism.net/article/357/,
besucht am 21.11.2024
[21. Jan 2001]
Bericht aus der TATblatt-WiderstandsChronologie Proteste gegen FPÖ-"Neujahrstreffen" in Oberlaa - rund 1000 TeilnehmerInnen - eine vorübergehende Festnahme - zwei Leichtverletzte
Die FPÖ kam nach Oberlaa um ihr "Neujahrstreffen" zu zelebrieren und in halb Favoriten (jener Wiener Bezirk, an dessen südlichem Rand sich Oberlaa befindet) schien der Ausnahmezustand ausgerufen worden zu sein. Ein großaufgebot an Polizei und Gendarmerie (mit laut Agenturmeldungen rund 1000 BeamtInnen) riegelte nicht nur die Gegend rund um die Kurhalle ab, sondern zeigte auch bereits bei der mehrere Kilometer entfernten U-Bahn-Station Reumannplatz und an den ZufahrtsStrassen massive Präsenz.
Mehrere mutmaßliche DemonstrantInnengruppen wurden auf dem Weg nach Oberlaa oder in der Umgebung des EKH angehalten und perlustriert, die Züge der nach Oberlaa führenden Strassenbahnlinie 67 wurden von SicherheitswachebeamtInnen begleitet, Autos angehalten und durchsucht. Einige Knallkörper wurden abgenommen. Ein "Crocketclub gegen Rechts" beklagt in einer Aussendung die Beschlagnahme seiner kompletten TeerStrassenausrÃŒstung samt Toren, BÀllen, Schlägern etc.
Rund um das Kurzentrum standen laut Wiener Berufsrettung überdies 2 NotärztInnen, 34 SaniTäterInnen, elf Rettungsfahrzeuge, der gesamten Katastrophenzug der Wiener Rettung und eine Art Feldlazarett bereit. In der Strassenbahn und bei deren Endstation Oberlaa waren FPÖ-FestgÀstInnen und DemonstrantInnen noch bunt gemischt, was beim einzigen von der Polizei ermöglichten Kurhallenzugang zu vereinzelten Wortgefechten führte, woraufhin die BeamtInnen die immer mehr werdenden DemonstrantInnen nach 9.00 Uhr immer nachdrücklicher und letztlich erfolgreich aufforderten, sich doch bitte zum genehmigten Kundgebungsort zu begeben.
Dieser befand sich zwar schon irgendwie vor dem Eingang zur Kurhalle, jedoch in zig Meter Entfernung. So trennten dort Kurbadstrasse, Strassenbahngleise und nicht zuletzt GendarmInnen mit Schilden und Tretgittern die GegnerInnen von den AnhängerInnen der FPÖ. Waren es zum angekündigten Kundgebungsbeginn um 9.00 Uhr nur rund 200 DemonstrantInnen, die lautstark auf sich aufmerksam zu machen versuchten, stieg die Anzahl der protestierenden AntifaschistInnen gegen 11.00 Uhr auf rund 1000 an (beides: TATblatt-ZÀhlung*; laut Polizeischätzungen waren es um 9.45 Uhr 400, spätere Polizeiangaben liegen uns nicht vor). Ein paar Knallkörper, Eier und vereinzelt Farbbeutel flogen in Richtung Kurhalle, verfehlten ihr Ziel aber bei weitem.
Zirka um 10.30 bewegten sich die DemonstrantInnen zum zweiten genehmigten, allerdings noch weiter abseits liegenden, Kundgebungsort An der Kuhtrift (so heißt die strasse dort), wo eine Bühne aufgebaut worden war. Ein großer Teil zog es zu diesem Zeitpunkt allerdings vor, nach Hause zu fahren.
Um 11.40 Uhr kraxelten ein paar hundert Leute von der Kuhtrift über eine BÃŒschung zur Laaer-Berg-strasse und besetzten die Fahrbahnen. Ein paar blockierten für kurze Zeit auch die Kurbadstrasse, kehrten aber rasch zur Laaer-Berg-strasse zurück, als von allen Seiten Sicherheitswache mit auffallend großem WEGA-Anteil heraneilte. Die BeamtInnen in voller Strassenkampfmontur mit Helm, Schild, KnÃŒppel und vereinzelt Hartplastik-Brustpanzern umkreisten die BlockiererInnen, blieben aber vorerst noch ruhig. Plötzlich und ohne erkennbaren Grund begab sich jedoch ein Sicherheitswachebeamter allein mitten in die DemonstrantInnengruppe. Vergeblich versuchten die DemonstrantInnen dies zu verhindern, woraufhin der Beamte eine Frau aus der Menge zerrte, durch ein GebÃŒsch zog, festnahm und mit einem Fußtritt gegen den Unterschenkel versah.
Andere SicherheitswachebeamtInnen - "normale" und WEGA - nutzten die Tumulte zu einem kleinen GummiknÃŒppelangriff zwischendurch. Danach forderte der Behördenvertreter die DemonstrantInnen auf, die Fahrbahn zu verlassen. Diese forderten ihrerseits die Freilassung der Festgenommenen. Was folgte war überraschenderweise tatsächlich sowas wie eine Einigung. Während sich die DemonstrantInnen langsam auf den Gehsteig zurückzogen, durfte die Festgenommene zu ihren FreundInnen zurückkehren. Unter den DemonstrantInnen brach dabei zwar ein Streit darüber aus, ob der Polizei vertraut werden könne, die von allen Seiten drängenden WEGA-Beamten und die links und rechts auffahrenden Wasserwerfer sorgten dann aber doch für einer elativ rasche Umsetzung der Vereinbarung vonseiten der DemonstrantInnen.
Die Festgenommene hat nach Auskunft der Polizei Anzeigen wegen tätlichen Angriffs auf einen Beamten und wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt zu erwarten. Sie selbst klagte nach ihrer Amtsbehandlung über Schmerzen am Bein. Nach einer ärztlichen Untersuchung stellten sich ihre Verletzungen glÃŒcklicherweise als bloße Prellungen heraus.
Die letzten DemonstrantInnen wurden um ca. 12.00 Uhr von WEGA-Beamten vom Gehsteig ins GestrÃŒpp in Richtung des genehmigten Kundgebungsortes geprügelt. Dabei wurde ein Demonstrant leicht verletzt. An der Kuhtrift ging danach - während in der Kurhalle gerade Jörg Haider sprach - die Protestkundgebung in ein Widerstandsfest über, das bis ca. 14.30 Uhr dauerte.
* Nachdem unser ZÀhlergebnis zur Abwechslung von vielen als zu hoch betrachtet wurde, erlauben wir uns, dieses mal wieder ein bisserl näher zu erläutern: Die rund 1000 DemonstrantInnen wurden um 11.00 Uhr beim Zug der DemonstrantInnen vom ersten zum zweiten Kundgebungsort wie üblich nach der Reihenzählmethode ermittelt - durch die blockweise Multiplikation der Anzahl der Reihen mit der Anzahl der jeweils in einer Reihe gehenden Menschen. Wie von den Donnerstagsdemos bekannt sein dürfte, wirken stehende Kundgebungen nunmal immer kleiner als sich bewegende Demonstrationen. Unser Ergebnis stimmt übrigens überein mit jenem eines von uns unabhängig zählenden Demonstranten, dessen TeilnehmerInnenangaben auch bei den Donnerstagsdemos stets sehr nahe an den unseren liegen. Da zum Zeitpunkt unserer 11.00-Uhr-ZÀhlung bereits zahlreiche Leute weggegangen waren, kann die Gesamt-TeilnehmerInnenzahl sogar durchaus auf mehr als 1000 geschätzt werden.