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Quellenangabe:
Rassistische Praxis bringt einkalkulierte Todesfälle - Dennis überlebte zum zweiten Mal (vom 27.11.2010),
URL: http://no-racism.net/article/3577/, besucht am 20.04.2024

[27. Nov 2010]

Rassistische Praxis bringt einkalkulierte Todesfälle - Dennis überlebte zum zweiten Mal

Selbst- verletzungen und Selbstmorde sind eine weit verbreitete Widerstands- handlung gegen rassistische Ausgrenzung. Nachdem sich Dennis M. im Oktober 2007 am Hauptplatz in Steyr ein Messer in den Bauch gerammt hatte und überlebte, protestierte er im November 2010 erneut auf diese Weise gegen die drohende Abschiebung.

Vor drei Jahren verteilte Dennis M. am Hauptplatz Flugzettel, in denen er gegen die ihn wiederfahrene Behandlung protestierte und ein Aufenthaltsrecht in Österreich forderte. Ein paar Minuten später brach er mit einem Messer im Bauch zusammen. Die Allianz für Flüchtlinge aus Steyr beschrieb diese Tat damals als "die logische Reaktion eines Verfolgten auf die Bestimmungen der österreichischen Asylgesetzgebung und deren rigider bis willkürlicher Auslegung durch die Behörden. Sie zeigt, was einem Verfolgten bleibt, wenn ihm gar nichts geblieben ist: der eigene verwundbare Körper."

Im kürzlich erschienen Bericht :: "Driven to Desperate Measures" vom britischen Institute of Race Relations (IRR) wird festgehalten, dass viele abgelehnte Flüchtlinge ernsthaft versuchen, sich selbst zu verletzen oder sich das Leben zu nehmen - in ihrem gewohnten Lebensumfeld ebenso wie in Schubhaft.

"Many asylum seekers make serious attempts to take their own life or to injure themselves. These attempts take place in the community and at removal centres on a daily basis." (Driven to Desperate Measures)

Den Aufzeichnungen von IRR zufolge starben in Folge der Aberkennung ihres Asylantrages mindestens sieben Flüchtlinge von 2006 bis 2010 in Großbritannien. Doch nicht nur dort - in allen europäischen Staaten sind Selbstverletzungen und Selbstmorde alltäglich.

In Österreich wurde am 11. Oktober 2010 Samuel T. tot aus der Donau geborgen. Er wurde am 22. Mai 1991 in Äthiopien geboren. Im September 2005 kam er nach Österreich und stellte einen Asylantrag. Sein Asylantrag war Ende 2008 in letzter Instanz als negativ beschieden worden. Im März 2009 hat er einen Antrag auf humanitäres Bleiberecht in Graz gestellt. Im August 2010 versuchte er zwei Mal sich das Leben zu nehmen, Anfang Oktober kam er aus dem Krankenhaus heraus. Nun ist er tot.

Dennis M. hatte Glück im Unglück. Dank einer Notoperation lebt er noch und befindet sich aufgrund akuter Selbstmordgefahr in einem psychiatrischen Krankenhaus. Seine Rechtsanwältin hofft auf humanitäres Bleiberecht, das jedoch nicht so einfach zu erhalten ist.

Unterstützer_innen aus Steyr haben einen Aufruf zur Unterstützung für Dennis verfasst, den wir hier dokumentieren:


Bitte helft M.!

Herr M. Dennis kam mit 17 Jahren, im Jahr 2005, nach Österreich. Er war auf der Flucht, weil seine Familie in Nigeria bedroht wurde. M. lebte zuerst im Jugendwohnhaus Maradonna der Volkshilfe in Steyr und versuchte, sich als Fußballspieler zu etablieren. Mit 18 Jahren übersiedelte er in ein Wohnhaus der Volkshilfe für Erwachsene.

Vor seinem 20. Geburtstag erhielt er die Nachricht, dass er in Österreich kein Asyl bekommt. M. war so verzeifelt, dass er sterben wollte. Am Stadtplatz in Steyr versuchte er, sich das Leben zu nehmen. Nach einer lebensrettenden Operation und Genesungszeit wurde er aus dem Krankenhaus Steyr entlassen. An eine Karriere als Fußballspieler war nicht mehr zu denken.

M. stellte einen neuen Asylantrag. Er lebte im Wohnhaus der Volkshilfe und verkaufte die Kupfermucken in der Enge in Steyr. Im Sommer 2010 übersiedelte er in eine kleine Wohnung hinter der Stadtpfarrkirche. Im November erhielt er die Nachricht von der neuerlichen Ablehnung des Asylantrages und die Aufforderung, Österreich zu verlassen. M. verlor seinen ganzen Lebensmut und versuchte wieder, seinem Leben ein Ende zu setzen.

M. wurde wieder gerettet, er liegt nun auf der geschlossenen Psychiatrie in Steyr, er ist massiv selbstmorgefährdet und hat keine Vorstellung, wie sein Leben weiter gehen wird.

M. darf auf keinen Fall abgeschoben werden! Wenn ihn jemand fragte, wovon er lebt, sagte er: "I live from the Grace of God!"

M. braucht Ruhe und Geborgenheit, um körperlich und psychisch heilen zu können. Er braucht einen Platz in Österreich, eine Gemeinschaft, eine Arbeit, eine Niederlassungsbewilligung, eine Arbeitsbewilligung.

Bitte helft M.!

Eva Reisz und alle UnterstützerInnen von M. Dennis in Steyr