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Quellenangabe:
Rassistische Morde und rechte Ausschreitungen in Moskau (vom 15.12.2010),
URL: http://no-racism.net/article/3608/, besucht am 24.11.2024

[15. Dec 2010]

Rassistische Morde und rechte Ausschreitungen in Moskau

Am Samstag, 11. Dezember 2010 kam es in Moskau und anderen Städten Russlands zu Ausschrei- tungen von Neonazis samt Auseinander- setzungen mit der Polizei. Mindestens ein Mensch wurde von Nazis aus rassistischen Motiven ermordert.


Im folgenden dokumentieren wir einen Bericht vom Internationalistischen Freundeskreis Bochum-Düsseldorf:

Am letzten Samstag demonstrierten ungefähr 10000 rechtsgerichtete Fußballfans von Spartak Moskau, sowie Anhänger der Neonazi-Szene in Moskau. Diese verlief zunächst friedlich. Nach der Kundgebung zogen 3000 bis 5000 Leute zum Manzhnaja-Platz vor dem Kreml und es kam zu Ausschreitungen gegen die Polizei. Sowohl direkt während der Ausschreitungen als auch am selben Tag, jedoch an anderen Orten in der Stadt fanden auch massive Attacken auf nicht-slawisch aussehende Menschen statt.

Ein 26-jähriger Kaukasier wurde Opfer eines massiven Übergriffs und wurde Sonntagmorgens schwer verletzt in einer Metrostation aufgefunden. An dem selben Tag wurde ein 22-jähriger Immigrant von einem Unbekannten in den Bauch gestochen und überlebte schwer verletzt. Ein 28-jähriger Aserbaidschaner wurde in seinem eigenen Geschäft angeschossen und kam schwer verletzt ins Krankenhaus, der 37-jährige Kirgisier Alisher Shamshiev wurde auf der Straße erstochen und im Süden Moskaus wurde ein asiatisch aussehender Mensch ermordet! Diese Morde sind höchstwahrscheinlich mit rassistischem Hintergund begangen worden.

Der Auslöser war eine Schlägerei zwischen Anhängern von Spartak Moskau und kaukasischen Menschen in der einer der Kaukasier den Spartak-Fan Yegor Sviridov tötete indem er ihm zwölf mal mit einer Gaspistole ins Gesicht schoss. Einer der beteiligten Spartak-Fans war selbst Armenier, weswegen nicht davon auszugehen ist, dass die Gruppe der Fußballfans aus Neonazis bestand. Dennoch sprachen die Nazis von einem Konflikt zwischen "Russen" und "Kaukasiern" und instrumentalisierten den Fall für ihre Zwecke. Nach der Schlägerei wurden etwa acht Leute von beiden Seiten festgenommen. Alle bis auf einen wurden freigelassen, wahrscheinlich weil sie die Polizei bestochen hatten. Übrig blieb nur der Haupttatverdächtige. Es war die Korruption der Polizei, die die Wut der Leute besonders anheizte.

Über dreißig Leute kamen in Folge der riots ins Krankenhaus, darunter angeblich sogar Kräfte der Spezialeinheit OMON. 65 Leute wurden festgenommen. Die Polizei war nur mit sehr wenig Kräften vor Ort, was ungewöhnlich ist, wenn man es mit der üblicherweise großen Polizeipräsenz bei linken Demonstrationen vergleicht. Außerdem hatte die Regierung genug Zeit, sich auf die Demonstrationen vorzubereiten. Das zeigt erneut, dass die russische Regierung kein Interesse daran hat, gegen rechtsradikale Aktivität ernsthaft aktiv zu werden. Als die Meute in der Metro nicht-slawisch aussehende Menschen angriff sah die Polizei tatenlos zu. Der russische Innenminister Rashid Nurgaliev sagte, "Linksextremisten" wären für die Ausschreitungen verantwortlich. Präsident Medwedew hingegen sprach von einem Rassismusproblem. Diese Äußerungen sind allerdings im Kontext der 2018 in Russland stattfindenden Fußballweltmeisterschaft zu sehen und sind augenscheinlich nichts als beschwichtigende Worte gegenüber der internationalen Öffentlichkeit.

Wahrscheinlich ist vielmehr, dass die Regierung die rassistischen Ausschreitungen absichtlich gewähren ließ, um eine Eskalation herbeizuführen. Diese ist nützlich, um eine Verschärfung des Versammlungsrechts durchzusetzen, was sowohl in Anbetracht der Fußball-WM, als auch zur Einschränkung der Opposition gewünscht wird.

Am 15. Dezember soll in Izhevsk eine weitere rechtsgerichtete Demonstration stattfinden.

Internationale Solidarität ist notwendiger denn je. Insbesondere angesichts der Naziattacke auf die alternative Kneipe Hirsch-Q in Dortmund bei der eine Person von Neonazis mit einem Messer verletzt wurde, ist es wichtig sich überall rechter Gewalt entgegenzustellen. Schon längst hat der "Nationale Widerstand Dortmund" Kontakt zur russischen Naziorganisation "Ruskiy Obraz". Ein Mitglied von dieser Gruppe ist verantwortlich für die Morde an Stanislaw Markelow und Anastasia Barburowa. Russische Neonazis treten regelmäßig als Redner auf dem "Antikriegstag" in Dortmund auf. Wir sollten es weder so weit kommen lassen, dass deutsche Nazis sich ein Vorbild an den russischen Nazis nehmen und ihre gewalttätigen Attacken verstärken, noch sollten wir den Geschehnissen in Russland wort- und tatenlos zusehen. Unser Beileid und unsere Solidarität gelten den Opfern rechter Gewalt in Moskau.

Artikel von Internationalistischen Freundeskreis Bochum-Düsseldorf, zuerst veröffentlicht auf :: linksunten.indymedia.org, 15. Dezember 2010