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Quellenangabe:
Lasst uns Flüchtlingslager in Deutschland zur Geschichte der Vergangenheit machen (vom 26.12.2010),
URL: http://no-racism.net/article/3618/, besucht am 28.03.2024

[26. Dec 2010]

Lasst uns Flüchtlingslager in Deutschland zur Geschichte der Vergangenheit machen

The VOICE Refugee Forum Conference in Jena: Die deutsche Lager- mentalität ist ein Akt von Gewaltvollstreckung und Verletzung der Menschenwürde.

Die Lager- und Kontrollmentalität des deutschen Asylsystems hat eine lange und dubiose Geschichte mit weitreichenden Konsequenzen der Isolation, Stigmatisierung, Verfolgung, Ausbeutung, Versklavung und Unterdrückung solcher Leute, die als nicht direkt nützlich klassifiziert werden oder solche die gerade heraus unerwünscht sind.


Lager- und Kontrollmentalität


Ausgehend vom Allgemeinen zum Spezifischen betrachtet, ist die Strategie zu isolieren, zu stigmatisieren und dann die Opfer zu verfolgen. Von den verschiedenen berüchtigten Lagern der Nationalsozialisten über die Lager für die GastarbeiterInnen blieb die Lager- und Kontrollmentalität ein ständige und perverse Eigenschaft des deutschen Systems, um mit denen umzugehen, die als nicht direkt nützlich oder als unerwünscht angesehen wurden. Es sollte daran erinnert sein, dass auch in der ehemaligen DDR viele Vertragsarbeiter (analog zu GastarbeiterInnen) ebenfalls in Lagern gehalten wurden und sogar Paare getrennt wurden, um zu verhindern, dass diese Familien aufziehen. Es wird erzählt, dass einige Frauen unter den GastarbeiterInnen nach Hause geschickt wurden, weil sie sich geweigert hatten, abzutreiben. Es galt die Regel, dass du nur hier warst, um wie vom Staat gefordert zu arbeiten oder hier weggeschickt wurdest, um sicher zu stellen, dass nicht etwa die Belange von Familienangelegenheiten diese Anforderungen behindern. Du warst entweder nützlich für die Wirtschaft oder du warst draußen. Durch all diese Phasen hindurch zog sich diese Lager- und Kontrollmentalität. War es nicht diese Kontrollmentalität, die sich in der Nazi-Forderung an AusländerInnen ausdrückte, eine Genehmigung einholen zu müssen um Kinder zu haben? Interessanter Weise wirkt es störend, festzustellen wie tief und verwurzelt in Deutschland diese Kontrollmentalität ist, wie wenig sich in den vielen Jahren an dieser Haltung geändert hat.


Aber warum ist dies so?


Eine gute Frage. Es wäre über akademische Forschungen hinaus nicht nötig, sich dieser Frage erneut zuzuwenden, wenn nicht viele von uns zurzeit erneut die hässliche Realität und die bitteren Konsequenzen dieses AufseherInnen-Systems erleben müssten. Als die dunkelste und blutigste Geschichte dieses Landes gewaltsam bis in die Mitte der vierziger Jahre vorherrschte, waren die sogenannten Alliierten entschlossen, ein neues System einzuführen, dass sich von dem unterscheiden sollte, welches sie gerade besiegt hatten. Aber das System, welches sie einführten, war perfekt dazu geeignet, die Mehrheit der belasteten und in das besiegte System verstrickten Personen im Schatten der Nürnberger Prozesse wieder aufzunehmen und zu rehabilitieren. Die Rehabilitierung und die fortgesetzte Anwesenheit hochrangiger Leute unter dem Nazi-Regime in allen Feldern öffentlicher Verantwortung bedeutete auch, dass genug Raum war, um einige der Handlungsmuster aus der Nazi-Vergangenheit Deutschlands mit zu übernehmen. Je komfortabler die alten TäterInnen mit ihren Vertrauten im neuen politischen System Fuß fassten, umso leichter wurde es für sie, wieder in ihre alten Denkstrukturen zurückzufallen. Wir sollten uns daran erinnern, dass wir über die Lager- und Kontrollmentalität sprechen. Und nirgendwo in der westlichen Welt ist diese mehr verankert als in Deutschland.

Die Geschichte gibt Zeugnis von den Beschränkungen der Bewegungsfreiheit für Juden/Jüdinnen und andere AusländerInnen im Jahre 1938 und die davon abgeleiteten Strafen im Falle von Verletzungen solcher Restriktionen. Während die Entrüstung und Verurteilung der Welt dieses und noch schrecklicherer anderer Verbrechen dieser Zeit sich gewaltig angehäuft haben, wurde seit 1982 diese abscheuliche Restriktion erneut für alle Asylsuchenden in Deutschland in Form der sogenannten "Residenzpflicht" wieder eingeführt. So benötigten Flüchtlinge eine schriftliche Erlaubnis, um den Verwaltungsbezirk seiner AusländerInnenbehörde (in der Regel den Landkreis) zu verlassen - oder sonst erwartet ihn oder sie im Nachgang zu einer Polizeikontrolle eine Geldstrafe oder ein Gefängnisaufenthalt - eine alarmierende Erinnerung an die Restriktion aus dem Jahre 1938. Nun, was würde es Deutschland kosten (kulturell oder ökonomisch), wenn sich Flüchtlinge frei im Lande wie normale Menschen bewegen könnten? NICHTS, absolut NICHTS!!! Aber es ist die deutsche Lagermentalität, die ihr Spiel treibt. Dies soll noch an einem anderen Beispiel erklärt werden.

Viele Studien von unabhängigen ForscherInnen haben gezeigt, dass es viel billiger würde, wenn man Flüchtlinge in privaten Häusern wohnen ließe. Aber die Regierenden pfeifen auf diese Einsparpotentiale für Kosten und fahren fort, das erniedrigende Lagersystem, welches die Menschenwürde und die Privatsphäre der Flüchtlinge untergräbt, aufrecht zu erhalten und sind auch noch stolz darauf. Dasselbe trifft zu auf das Gutscheinsystem. Es kostet die Verwaltungen mehr als den Wert der Gutscheine, der auf diesen ausgewiesen ist. Und bei der damit verbundenen unerwünschten Aufmerksamkeit, der Demütigung und den Problemen, die mit den Gutscheinen verbunden sind, muss man sich wundern, dass die Behörden auf Gutscheinen statt Bargeld bestehen, obwohl dies billiger wäre, leichter und würdiger. Es hat mit der Lager- und Kontrollmentalität zu tun - verkrusteten alten Gewohnheiten!!

Wir fordern die Abschaffung der Lager
Wir fordern den Stopp der Deportationen (Abschiebungen)
Schafft die Apartheid-Residenzpflicht in Deutschland ab!

Keine Kompromisse mit einem rassistischen Staat - Vereinigt Euch mit uns um für eine bessere Welt zu kämpfen - Unser Kampf ist Euer Kampf.

Artikel übernommen von :: thevoiceforum.org, 24. Dez 2010