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Quellenangabe:
Was enthält das 'Fremden'-Unrechtspaket? (vom 10.04.2011),
URL: http://no-racism.net/article/3771/, besucht am 28.03.2024

[10. Apr 2011]

Was enthält das 'Fremden'-Unrechtspaket?

'Fremden'-Unrechtspaket :: Das ist nicht unser Gesetz! Info-Flugblatt von TransX und Türkis Rosa Tippp.

Am 29. April 2011 stimmt das Parlament über ein Gesetzespaket ab, das nur als Unrechtspaket bezeichnet werden kann. Einmal mehr werden Asylsuchende und MigrantInnen zu unerwünschten Personen erklärt.

Die ohnehin schon unzumutbaren Bestimmungen des "Fremden"-"Rechts" sollen noch weiter verschärft werden. Betroffen vom Fremdenrechtsänderungsgesetz (FrÄG 2011) sind das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Fremdenpolizeigesetz, das Asylgesetz, das Grundversorgungsgesetz und das Staatsbürgeschaftsgesetz.

Dieses Gesetzespaket betrifft uns alle! Weil MigrantInnen und AsylwerberInnen keine "Fremden" sind sondern unsere Angehörigen, FreundInnen, KollegInnen, NachbarInnen und geschätzten Mitmenschen!


Internierungs-Gesetz


Flüchtlinge sollen nach ihrer Ankunft in Österreich für 7 Tage in Auffanglagern interniert werden. Das ist nichts anderes als Freiheitsentzug. Ein markanter menschenrechtlicher Rückschritt, der das Recht auf Freiheit und Menschenwürde ohne erkennbare Notwendigkeit oder individuelle Prüfung eingeschränkt, wird zynisch "Mitwirkungspflicht" genannt. Jeder Kontakt nach außen und Zugang zu Rechtsbeistand wird so praktisch verhindert. Die Lager dürfen von Außenstehenden nicht betreten werden. Flüchtlinge aus dem Lager Traiskirchen etwa, durften schon bisher den Bezirk nicht verlassen. Frei bewegen konnten sie sich erst sobald sie die "weiße Karte", also die Erlaubnis, in Österreich überhaupt einen Asylantrag zu stellen, in der Hand hatten. Aber es war zumindest möglich, sich außerhalb des Lagers in Traiskirchen zusammenzusetzen um Unterstützung zu planen. Mit dem neuen Gesetz werden die Flüchtlinge noch mehr als bisher der Willkür der Behörden schutzlos ausgeliefert und jeder Beistand von außen wird unterbunden.


Schubhaft-Gesetz


Asylsuchende sollen noch öfter und länger eingesperrt werden können, nur weil sie da sind. Die Regeldauer der Schubhaft wird von 2 auf 4 Monate verdoppelt. Die maximale Dauer bleibt zwar bei 10 Monaten, doch diese gelten ab jetzt innerhalb von 18 Monaten und nicht wie bisher innerhalb von 2 Jahren. Statt die Schubhaft für Asylsuchende ganz abzuschaffen werden Traumatisierte und Folteropfer in dem Land, in dem sie Schutz suchen, weiterhin ins Gefängnis gesperrt.

Jugendliche Asylsuchende sollen ab der Vollendung des 16. Lebensjahres wie Erwachsene in Schubhaft genommen werden. Die Anwendung "gelinderer Mittel" soll für sie nicht mehr gelten.

Kinder sollen, entgegen Fekters Beteuerung, Verbesserungen einführen zu wollen, gemeinsam mit ihren Eltern in Schubhaft kommen. Statt zumindest Familien generell von der Schubhaft zu befreien sollen auch Kinder Knast-Erfahrungen sammeln. Der Verweis auf eine "familien- und kindgerechte Unterbringung" in Schubhaft ist wohl eher als Zynismus zu deuten.

Eine regelmäßige Überprüfung der Schubhaft ist nicht zwingend vorgesehen. Erst 4 Monate nach der Inhaftierung muss die Rechtmäßigkeit der Schubhaft richterlich überprüft werden.


Polizeiwillkür-Gesetz


Die Polizei soll ohne Durchsuchungsbefehl ermächtigt werden, Gebäude oder Wohnungen zu betreten und zu durchsuchen, wenn der Verdacht besteht, dass sich eine einzige Person ohne legalen Aufenthaltstitel dort aufhält. Bis jetzt musste der Verdacht bei mindestens 5 Personen liegen. Damit wird der Schutz des Privatlebens de facto ausgehebelt und willkürlichem Behördenhandeln Tür und Tor geöffnet.


Rechtsunsicherheits-Gesetz


Das Rechtsberatungssystem wird zwar flächendeckend ausgebaut, weil es die EU verlangt. Es wird aber durch Unklarheiten und Einschränkungen relativiert. Die Rechtsberatung soll vollständig vom Innenministerium abhängig sein. Damit steigt die Gefahr, dass die BeraterInnen nicht mehr zum Wohl ihrer KlientInnen, sondern zum Wohlgefallen des Innenministeriums agieren. Qualifikationsansprüche für RechtsberaterInnen sind bescheiden, und sie werden zur "Objektivität" statt zur Vertretung der Interessen der Asylsuchenden verpflichtet sein. Statt eine Verschwiegenheitspflicht vorzusehen sollen Rechtsberaterinnen der Amtsverschwiegenheit unterliegen.


Barrieren-Gesetz


Schon vor der Einreise müssen MigrantInnen ab einem Alter von sieben Jahren Basiskenntnisse der deutschen Sprache vorweisen, die für viele Menschen auch bei größter Anstrengung unerfüllbar sind. Dies muss durch ein entsprechendes Zeugnis belegt werden. Alle Kosten müssen selbst getragen werden. Wer die Prüfungen in den Herkunftsländern abnehmen soll ist völlig unklar.

Innerhalb von 2 Jahren muss die "Integrationsvereinbarung" erfüllt werden. Damit müssen Deutschkenntnisse auf einem Niveau nachgewiesen werden, das bisher nach 5 Jahren erreicht werden musste. Eine 50%ige Finanzierung von Kursen soll es nur geben, wenn das Niveau schon innerhalb eines Jahres erreicht wird. Bei Nicht-Erfüllung droht die Ausweisung oder Abschiebung.

Nach 5 Jahren kann ein Daueraufenthalt beantragt werden. Dafür müssen MigrantInnen einen Deutschtest positiv absolvieren. Das Niveau entspricht in etwa dem einer Fremdsprachen-Matura. Kurskosten und Prüfungsgebühren sind von den MigrantInnen selbst zu tragen, es gibt keine finanzielle Unterstützung.

MitarbeiterInnen von Behörden können die Deutschkenntnisse jederzeit anzweifeln und zur Wiederholung von Tests auffordern. Bei Nicht-Bestehen droht Ausweisung oder Abschiebung.


Ausweisungs- und Abschiebungs-Gesetz


Schon geringfügige und einmalige Verwaltungsübertretungen wie etwa die Verletzungen der Straßenverkehrsordnung oder der Meldebestimmungen sollen mit mehrjährigen Aufenthalts- und Rückkehrverboten bestraft werden.

Nach einer Ausweisung soll künftig automatisch ein 18 Monate lang dauerndes Verbot der Wiedereinreise entstehen, das für den gesamten Schengenraum gilt. Eine Berufung dagegen soll zwar noch möglich sein, aber ab jetzt ohne aufschiebende Wirkung. Die Abschiebung kann durchgesetzt werden, wenn die freiwillige Ausreise nicht binnen zwei Wochen erfolgt. Auch die Möglichkeit einer Aufhebung des Rückkehrverbots wegen Entfall der Ausweisungs-Gründe wird es praktisch nicht geben, etwa weil bei Verwaltungsübertretungen keine Tilgung erfolgt.

Auch eine sogenannte Scheinehe oder Scheinadoption soll künftig eine Ausweisung und ein 18-monatiges Verbot der Wiedereinreise bedeuten. Großzügig wird hier die eingetragene Partnerschaft von Lesben und Schwulen mit der Ehe gleichgestellt. Die nicht seltenen Denunziationen oder Unterstellungen einer "Scheinehe", etwa durch NachbarInnen, werden damit noch gefährlicher.

Eine Scheidung muss nach einem Monat der Behörde mitgeteilt werden, dann muss um eine eigene Niederlassungsbewilligung angesucht werden. Gelingt es nicht, die Voraussetzungen zu erfüllen (Mietvertrag, passende Unterkunft, entsprechendes Einkommen), droht die Ausweisung oder Abschiebung.

Melden sich MigrantInnen arbeitslos oder arbeitssuchend so müssen die AMS-MitarbeiterInnen künftig der Fremdenbehörde Meldung erstatten. Die prüft, ob das entsprechende Einkommen für den weiteren Verbleib in Österreich noch gegeben ist. Ist dies nicht der Fall so droht die Ausweisung oder Abschiebung.

Für einen Antrag auf Verlängerung der Ausreisefrist nach einem negativen Asyl-Bescheid wird eine unangemessen kurze Frist von nur drei Tagen gesetzt. Zusätzliche Hürden sind die Notwendigkeit des persönlichen Einbringens bei der Behörde, der Nachweis besonderer Umstände und die Bekanntgabe eines Ausreisetermins. Die freiwillige Ausreise und somit Vermeidung der Ausweisung wird dadurch noch schwieriger.

Ein übersichtliches und sicheres Bleiberecht wird nicht eingeführt. Es bleibt weiterhin unklar, welche Behörde in Bleiberechtsfragen das letzte Wort hat. Der Stichtag für die Altfallregelung bleibt im Jahr 2004. Dadurch wird ein überwiegend rechtmäßiger Aufenthalt von mindestens 7 Jahren vorausgesetzt.


Wirtschafts-Förderungs-Gesetz


Die Quotenregelung für den Zuzug wird zu einem "rot-weiß-rot-plus-blau-Kartensystem" umgebaut, das ein Kriteriensystem mit Punkte-Bewertung für die arbeitsmarktpolitische Nützlichkeit von MigrantInnen einführt. Die Kriterien orientieren sich an den Interessen der Wirtschaft und werden im Gleichklang von VertreterInnen der Wirtschaftskammer und SPÖ-PolitikerInnen wie etwa der Sozialsprecherin Renate Csörgits oder Sozial- und Arbeitsminister Rudolf Hundstorfer in höchsten Tönen gelobt. Bewertet werden bestimmte Qualifikationen, Berufserfahrung, Alter, Sprachkenntnisse und ein Mindesteinkommen, das sich an der jeweiligen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage orientiert.

Im Gegensatz dazu ist es für AsylwerberInnen schon jetzt gesetzlich fast unmöglich, legal zu arbeiten. Offen stehen ihnen nur wenige Nischen in der gemeinnützigen Arbeit oder Jobs als "Neue Selbständige". In der Praxis bedeutet das Arbeit als SchneeräumerInnen, ZeitungsverkäuferInnen oder als registrierte SexarbeiterInnen.

Die Berufe, die sie gelernt und ausgeübt haben, dürfen sie meist nicht ausüben. Selbst dann nicht, wenn es sich um sogenannte "Mangelberufe" wie etwa im Bereich der Krankenpflege handelt. Die Wirtschaftsförderung hat also doch ihre Grenzen wenn es darum geht, die Lebensbedingungen für Menschen, die hier Schutz vor Verfolgung suchen, möglichst schwer zu machen.

AsylwerberInnen sind gezwungen, von der "Grundversorgung" zu leben: 5 Euro täglich für Lebensmittel, 40 Euro Taschengeld und 110 Euro Mietzuschuss monatlich. Macht etwa 290 Euro im Monat. Das Existenzminimum liegt bei 752 Euro.

Ein Überleben mit der Grundversorgung ist praktisch unmöglich. Dennoch werden AsylwerberInnen auch noch von Vergünstigungen, die etwa BezieherInnen der Mindestsicherung zustehen, ausgeschlossen. Der "Mobilitätspass" der Stadt Wien etwa, der Verbilligungen bei Tickets der Wiener Linien ermöglicht, wird ausgerechnet den AsylwerberInnen nicht ausgestellt. Eine Hin- und Rückfahrt mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln frisst aber schon zwei Drittel des Tages-Budgets auf.

Statt zumindest die allerschlimmsten Härten im bestehenden "Fremden"-"Recht" abzuschaffen soll ein Gesetzespaket beschlossen werden, das unglaubliche Verschärfungen bringt und den Härtefall zum Regelfall machen soll. Statt endlich eine transparente Bleiberechtsregelung einzuführen wird an allen Ecken und Enden für noch mehr Aufenthalts-Unsicherheit gesorgt.

Weg mit dem Unrechtspaket ! Her mit dem Bleiberecht !
Demo: Mi 27. April 2011, 18:00 Uhr, Westbahnhof

Flugblatt von TransX (http://transx.at) und Türkis Rosa Tippp der Rosa Lila Villa (http://www.villa.at)