Quellenangabe:
Sammelabschiebung in den Kosovo skrupellos durchgesetzt (vom 14.04.2011),
URL: http://no-racism.net/article/3774/,
besucht am 21.11.2024
[14. Apr 2011]
Am 5. und 12. April fanden trotz zahlreicher Proteste Sammel- abschiebungen von Düsseldorf über Wien nach Pristina statt.
Im April 2010 beschloss Deutschland mit dem Kosovo Rücknahmeabkommen. Damit handelte sich de Bundesrepublik die Möglichkeit - und Zielstellung - aus, insgesamt 14.000 "geduldete" Flüchtlinge, darunter 10.000 der Minderheiten der Roma oder Ashkali, in den Kosovo abzuschieben. Seit der erste Flieger vom Flughafen Düsseldorf startete, kommt es dort zu Protesten gegen die rassistische Abschiebepolitik und deren Umsetzung.
So auch am 5. April 2011. Ca. 50 Aktivist_innen machten mit Redebeiträgen und antirassistischen Parolen in der Abflughalle des Flughafens auf die gelichzeitig stattfindenden Abschiebungen aufmerksam. Die Polizei hielt sich dabei dezent zurück, die anwesenden Fluggäst_innen und Mittarbeiter_innen des Flughafens jedoch waren überwiegend sehr interessiert und zum Teil erschüttert und empört.
Eine Woche später, am 12. April, stand erneut eine Charterabschiebung von Düsseldorf nach Pristina auf dem Programm der vom Staat bezahlten Rassist_innen. Ab 10.00 Uhr fand deshalb in der Abflughalle des Düsseldorfer Flughafens eine Pressekonferenz mit Flüchtlingsaktivist_innen und Landespolitiker_innen statt (:: siehe Presseaussendung als pdf), gefolgt von einer angemelten Kundgebung ab 10.30 ebenfalls in der Abflughalle. Mindestens 100 Menschen forderten einen sofortigen Stopp der Abschiebungen.
Diese konnten am 12. April nicht verhindert werden. Der Flieger, der in Düsseldorf startete, machte einen Zwischenstopp in Wien, wo weitere Menschen an Bord gebracht wurden.
Einer Information vom Roma Center Göttingen zufolge wurden am 12. April insgesamt 43 Personen mit Abschiebeflieger in den Kosovo geflogen. Damit befanden sich weniger als die mehr als 100 von Behörden geplanten unfreiwilligen Passagiere an Bord.
Romagruppen und Unterstützer_innen kritisieren die Abschiebungen in den Kosovo massiv. Im folgenden dokumentieren wir (geringfügig bearbeitete) Aussendungen vom Roma Center Göttingen:
Am 12. April gegen 17 Uhr kam das Abschiebeflugzeug nach einem Zwischenstopp in Wien in Priština an. Einer unserer Unterstützer_innen vor Ort konnte 43 Personen ausmachen, die mit dem Flieger ankamen. Somit sind es zumindest weniger als die geplanten über 100 Passagier_innen und auch weniger als zunächst am Flughafen Düsseldorf geschätzt wurde. Dennoch ist jede Abschiebung eine zu viel und verursacht bei den Betroffenen großes Leid! Unser Beobachter berichtete uns von nur schwer für ihn zu ertragenden Szenen am Flughafen Priština: weinende Kinder, enttäuschte und verzweifelte Menschen auf der Suche nach einem Platz an dem sie unterkommen können.
Vertreter_innen der deutschen Botschaft und des URA II Projektes waren auch anwesend und boten den Abgeschobenen an, einige Tage in einem Hotel nahe des Flughafens abzusteigen. Dieses Angebot wurde aber kaum wahrgenommen, da nach ihrer Ankunft die meisten fluchtartig den Flughafen verlassen wollten. Weiterführende Eingliederungshilfen stehen sowieso nur "freiwilligen“ Rückkehrer_innen und nicht Abgeschobenen offen.
Sabilje B. und ihre vier Kinder wurden auch angetroffen. Ob es für sie eine Möglichkeit zur Rückkehr geben wird ist ungewiss und wird wahrscheinlich nicht von heute auf morgen gelingen. Solange wird sie sich im Kosovo einrichten müssen, was für eine alleinstehende Frau mit vier kleinen Kindern problematisch sein dürfte. Hinzu kommt die Sorge um ihren schwer kranken Mann, den sie nun nichtmehr im Krankenhaus besuchen kann.
Auch die Situation eines Mannes aus Rheine ist Dramatisch. Er wurde gemeinsam mit seiner 20-jährigen schwangeren Tochter abgeschoben, während seine Frau gemeinsam mit fünf Kindern in Rheine geblieben ist. Auch hier wurde wieder rücksichtslos eine Familie getrennt! Zuvor hatten sie 21 Jahre in Deutschland gelebt.
Wir möchten gerne zumindest Sabilje, für die es besonders schwer sein dürfte, beim Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder unterstützen und nach Kräften auch alle anderen zu denen wir den Kontakt halten können. Spenden hierfür sind willkommen! Ein weiterer Schritt kann dann die Suche nach Möglichkeiten einer Rückkehr sein. Auch hierfür kommen voraussichtlich Kosten für eine_n Anwalt_Anwältin auf die Betroffenen zu. Es darf nicht sein, dass diese rücksichtslosen Abschiebungen weitergehen! Lasst uns zeigen, dass sie nicht durchzusetzen sind und sich die Betroffenen zur Wehr setzen!
Heute wurde die Zukunft vieler unschuldieger Menschen zerstört! Wir dulden keine weiteren Abschiebungen!
Heute, am 12. April kam es trotz massiver Proteste und Bedenken zu einer großen Sammelabschiebung nach Kosovo. Unter den Abgeschobenen waren auch viele Roma, die schon seit Jahren hier in Deutschland geduldet worden waren. Davon abgesehen, dass Abschiebungen einen gewalttätigen Eingriff in das Leben der Betroffenen darstellen und daher schon verurteilenswert sind, stellt die Abschiebung von langjährig geduldeten Roma nach Kosovo eine besondere Grausamkeit gegen unschuldige Menschen dar.
Roma im Kosovo sind eine stark diskriminierte Minderheit und sind durch rassistisch motivierte Angriffe und Ausgrenzung aus der Gesellschaft ihres Lebens nicht sicher.
Alleinerziehende Mütter, alte und kranke Menschen sind besonders in Gefahr. Insbesondere die gängige Praxis der zuständigen Behörden, vor dem Auseinanderreißen von Familien nicht zurückzuschrecken, führt zu dramatischen Schicksalen und lässt die Betroffenen in Angst und Schutzlosigkeit leben.
Auch heute hat Deutschland die Gelegenheit versäumt einen kleinen Teil der Folgen der an der Gemeinschaft der Roma begangenen Verbrechen wieder gut zu machen, indem es vor Diskriminierung und Verfolgung geflüchteten Roma Schutz gewährt. Im Gegenteil! Neues Leiden wurde verursacht unter dem, wenn nicht schnell gehandelt wird, auch ganz besonders die jüngste Generation der hier in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Kinder zu leiden haben wird.
In einem Fall wurde eine junge Mutter mit vier kleinen Kindern (1-5 Jahre) von ihrem im Krankenhaus liegenden Mann getrennt. Ihr Mann liegt dort, nachdem er im Januar 2010 bereits alleine nach Kosovo abgeschoben wurde. Dort lebte er für mehrere Monate wie ein Obdachloser auf der Straße, bevor ihm die Flucht und Wiedereinreise nach Deutschland gelang. Es gelang ihm aber nicht seine Familie wieder zu sehen. Er wurde in Bayern entdeckt und wieder in Abschiebehaft gesteckt. Nach seinem mehrmonatigen Aufenthalt im Kosovo, unter erbärmlichen Bedingungen, war er aber mittlerweile so krank, dass er in ein Krankenhaus verlegt werden musste, wo er heute noch um sein Leben kämpft. Neben schwerer Tuberkulose und einer Augenerkrankung hat er auch die psychischen Folgen seiner Erfahrungen zu bewältigen. Intensive Versuche ihre Abschiebung zu verhindern scheiterten.
Dies ist nur eines der uns bekannten Schicksale von Abschiebung. In dem Flieger saßen laut Beobachter_innen in Prstiona insgesamt 43 unfreiwillige Passagier_innen. Viele Tausende sollen nach den Plänen der Regierung noch folgen. Gegen diese Pläne hat sich zwar mittlerweile ein breiter Widerstand in der Bevölkerung und unter den Roma formiert, dieser wird aber bis jetzt noch nicht genug in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Jetzt ist wichtig, dass dieser Widerstand und unsere gemeinsame Bleierechtskampagne auch von den entscheidenden Personen sowie der allgemeinen Öffentlichkeit gehört wird. Es muss klar werden, dass diese Abschiebungen nicht unbemerkt und widerstandslos umgesetzt werden können. Wir brauchen die Aufmerksamkeit der Presse für die Betroffenen und den Kampf für ihr Bleiberecht, damit allen klar werden kann, dass es diese Abschiebungen nicht geben darf.
Quellen :: thecaravan.org, 12. Apr 2011, :: alle-bleiben.info, 13. Apr 2011