Quellenangabe:
Rückblick auf Gedenkdemo für Slieman Hamade (vom 27.04.2011),
URL: http://no-racism.net/article/3797/,
besucht am 21.11.2024
[27. Apr 2011]
Ein Jahr nach dem Mord an Slieman Hamade protestierten ca. 450 Menschen in Gedenken an alle Opfer tödlicher Polizeigewalt.
450 Menschen versammelten sich am 5. März 2011 um 17 Uhr am U-BHF Bülowstrasse in Berlin Schöneberg, um an den vor einem Jahr, am 28. Februar 2010, von Polizist_innen in Schöneberg ermordeten Slieman H. zu erinnern und gegen Polizeigewalt zu protestieren.
Aufgerufen zu dem Protestumzug hatten Angehörige des Ermordeten, das Bündnis "No Justice - No Peace", die Kampagne gegen rassistische Polizeigewalt und diverse linksradikale und antifaschistische Gruppen. Viele Freund_innen, Verwandte und Anwohner_innen aus dem Schöneberger Kiez hatten sich zur Demonstration eingefunden, um ihre Trauer und Wut über den unaufgeklärten Mord an Slieman H. auszudrücken.
Neben der konkreten Trauer über den Verlust von Slieman ging es den Demonstrant_innen auch darum, die gesellschaftlichen Ursachen für die immer brutaler werdende Polizeigewalt zu benennen und eine generelle Kritik der Polizei als Institution zur Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Status quo auf die Strasse zu tragen. Deshalb wurde die Demonstration auch im Andenken an Dennis J., Oury Jalloh, Halim Dener, Klaus-Jürgen-Rattay und allen Opfern tödlicher Polizeigewalt durchgeführt.
Ein Bericht von der Demonstration findet sich auf :: nojusticenopeace.blogsport.eu. Im folgenden dokumentieren wir eine Auswertung der Proteste vom Soli-Kreis "No Justice! No Peace!".
Am 5. März fand in Berlin-Schöneberg eine Bündnis-Demonstration anlässlich des Jahrestages des Todes von Slieman Hamade statt. Slieman wurde von Berliner Polizisten umgebracht. Nach seiner Festnahme mit massivem Gewalt und Kampfstoffeinsatz seitens der Beamten verstarb er noch im Gewahrsam der Polizei. Hier sollen einige Fragen, die an unser Bündnis gerichtet wurden, beantwortet werden.
Wer arbeitet in diesem Bündnis mit?
Initiiert wurde das Bündnis von Familienangehörigen Slieman Hamades. Auf ihre Bestrebungen hin haben sich sowohl Meschenrechts- als auch linksradikale Gruppen und Einzelpersonen zusammengefunden. Besonders erwähnenswert ist außerdem die Teilnahme des Bündnisses "No Justice - No Peace", dass anlässlich des Mordes an Dennis J. gegründet wurde. Nach dieser geglückten Vernetzung von politischen Gruppen und von Polizeigewalt Betroffenen ist das Demo-Bündnis ein weiterer wichtiger Schritt zum organisierten Widerstand gegen Staatsgewalt.
Hat ein Gewalttäter, der bei seiner Festnahme Widerstand leistete, Solidarität verdient?
Am 5. März schrieb der Tagesspiegel, Slieman Hamade hätte im "Drogenrausch seine Eltern bedroht, worauf die Schwester die Polizei alamierte". Mit Gewalt sei Slieman dann auf die Polizisten losgegangen, die wiederum mit Pfefferspray versucht hätten, ihn zu stoppen. "Dann stürzte Hamade die Treppe hinab und verletzte sich".
Die teilweise im Bündnis engagierten Familienangehörigen, die selbst den Vorkommnissen tatenlos zusehen mussten, bezichtigen den Tagesspiegel und die Polizei der vorsätzlichen Lüge.
Das Bündnis steht zu deren glaubhafter Version der Vorkommnisse: Slieman hat seine Eltern nicht bedroht. Er war lediglich sehr aufgebracht, da das Kind wegen dem Lärm der Nachbarn nicht schlafen konnte. Als die herbeigerufenen Polizisten Slieman schließlich aus dem Haus schmeißen wollten, versuchte er, zurück in seine Wohnung zu gelangen. Die Polizisten haben ihn daher gefesselt, woraufhin er sich verständlicherweise wehrte. Anschließend traten sie auf ihn ein, setzten sich auf ihn und nahmen ihm durch den Einsatz von Pfefferspray direkt in Mund und Nase alle Luft zum Atmen. Wenig später ist er an den direkten Folgen der bewussten und massiven Gewaltanwendung verstorben.
Das Bündnis verurteilt einhellig das Vorgehen der Beamten in diesem Fall, da wir von der Vorsätzlichkeit deren Handeln überzeugt sind. Des Weiteren ist der Vorfall einzureihen in unzählige Fälle von menschenverachtender Polizeigewalt nicht nur in Berlin. Und auch die Ermittlungsarbeit der Strafverfolgungsbehörden ist leider beispielhaft. Nur zwei Monate nach dem Todesfall wurden die Ermittlungen ergebnislos eingestellt. Dass jetzt wieder ermittelt wird, ist nur dem öffentlichen Druck zu verdanken, der aufgebaut werden konnte.
Um direkt auf die Frage zu antworten: für das Bündnis spielt es keine Rolle, wer von der Polizei getötet wird. "Unschuldiger", "Straftäter" oder "Flüchtiger": die Schubladen der Gesetzestexte finden keine Anwendung auf die Frage der Solidarität mit den Opfern von Polizeigewalt. Lediglich Nazis und derartiges haben nichts als Ablehnung von uns zu erwarten.
Werden neben den staatlichen Ermittlungen vom Bündnis noch andere Ziele verfolgt?
Die Erwartungen an eventuelle Ermittlungsergebnisse fallen im Bündnis den Umständen entsprechend geteilt aus. Die Familie erhofft sich einerseits Aufklärung über die genaue Todesursache, andererseits, dass die für Sliman Hamades Tod Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Einem anderen Teil der Demovorbereitung ist es grundsätzlich egal, ob die Täter vor Gericht stehen, da ihnen der Glauben an Gerechtigkeit durch die Justiz fehlt. Gemeinsam ist allen Mitgliedern im Bündnis die Hoffnung darauf, dass der Fall eine breite Öffentlichkeit erreicht, um den staatlichen und von der Presse produzierten Lügen etwas entgegnen zu können. Außerdem teilen alle das große Anliegen, sich gegen Repression und Staatsgewalt zu organisieren und gemeinsam zur Wehr zu setzen.
Arbeitet das Bündnis dabei auch mit Rockergruppen zusammen?
Den Eindruck, den die B.Z. in Kooperation mit der Polizei nach der Demonstration am 5. März - teilweise erfolgreich - zu vermitteln versuchte, ist falsch. Der Artikel mit dem Titel "Kurios-Allianz", zeigt das Bild eines Bandido in Club-Outfit. Dieses stammt nicht von der Demonstration.
Im Bündnis selbst befinden sich auch keine Rockergruppen. Nichts liegt jedoch ferner, als Menschen wegen eventueller Mitgliedschaften in derartigen Organisationen auszuschließen. Polizeigewalt ist ein Problem, dass jeden betrifft; egal ob Fußballfan, Linker, Rocker oder Student: jeder hat bei gewalttätigen Übergriffen der Polizei Solidarität verdient und muss auch selbst solidarisch sein.
Welche Aufgaben hatte der Ordnerdienst, der bei der Gedenkdemonstration eingesetzt wurde?
Da sich Sliman Hamades Familie die Teilnahme von Schöneberger Familien mit Kindern wünschte, waren die Sorgen um die Sicherheit sehr groß. Diese konnte aufgrund massiver Drohungen durch die Polizei nur durch eine ungewöhnlich große Gruppe Ordner gewährleistet werden.
Im Vorfeld der Demonstration kam es zu repressiven Polizeiaktionen, die zeigten, dass die Einsatzleitung beim kleinsten Anlass angreifen würde. Auch auf der Demonstration selbst übten Beamte massiven Druck auf den Anmelder aus. Die eingesetzten Hundertschaften ließen keinen Zweifel an ihrer Gewaltbereitschaft.
Deshalb wurden die Ordner von Vertrauenspersonen der Familie geleitet und folgten deren Wunsch, dass alles, was Familien mit Kindern in der Demo gefährden könnte, unterbleibt. Die Ordner selbst hatten keine Demoerfahrung und haben sicher auch nicht immer den richtigen Ton gefunden. Bündnisse gegen Polizeigewalt müssen solche Konflikte jedoch aushalten.
Bei Menschen, die sich durch Ordner unnötig in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt fühlten, bittet das Bündnis um Entschuldigung.
Wie wird es weitergehen?
Durch die gemeinsame Arbeit haben in diesem Bündnis Menschen unterschiedlichster Herkunft und mit verschiedenen Motiven zusammengefunden. Deshalb steht nur eines schon fest: wir werden den Fall Sliman Hamade in die Öffentlichkeit bringen und so der Berliner Polizei noch schlaflose Nächte bereiten. Alles, was uns der Wahrheit und Gerechtigkeit ein Stückchen näher bringt, wird geschehen müssen. Schließt euch an!
Quellen :: nojusticenopeace.blogsport.eu vom 14. Apr 2011 und :: vom 06. Mar 2011.