Quellenangabe:
Gedanken zum 1. Mai 2011: Der 'Tag der Öffnung' ist in Wahrheit ein Tag der Ausgrenzung (vom 02.05.2011),
URL: http://no-racism.net/article/3802/,
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[02. May 2011]
Ein 1. Mai wie jeder andere? Sicher nicht. Denn dieser 1. Mai dient den Behörden dazu, die Freiheiten der Bürger_innen massiv einzuschränken.
So wird von einer "Arbeitsmarktöffnung" gesprochen - einer Öffnung, die in Wahrheit nichts andere bringt als Zugangssperren. Verpackt unter dem Namen "Rot-Weiß-Rot-Karte" wird auf Nationalismus gesetzt und der Zugang für "Drittsaatsangehörige" (Menschen ohne EU-Pass) massiv eingeschränkt. Um die angeblichen Auswirkungen der "Öffnung des Arbeitsmarktes" zu mindern, wurden zahlreiche Restriktionen festgeschrieben, deren Einhaltung durch verstärkte Kontrollen garantiert werden soll.
Mit Ausnahme von Deutschland und Österreich haben die restlichen der "alten" EU-Staaten schon vor einiger Zeit die Übergangsfristen für den Zugangsbeschränkungen für "neue EU-Bürger_innen" zum Erwerbsarbeitsmarkt aufgehoben. In Irland und Großbritannien wurden diese Beschränkungen erst gar nicht angewendet. Doch sieben Jahre nach dem EU-Beitritt ist das Ende der Übergangsregelungen anberaumt und somit der Zugang zum Erwerbsarbeitsmarkt zu gewährleisten. Doch von "uneingeschränkt" kann nicht die Rede sein, denn nach wie vor setzen die Behörden auf Ausgrenzung und Diskriminierung. So wurde über das im März beschlossene Sozial- und Lohndumpinggestz ein Kontrollsystem eingeführt, dass sicherstellen soll, dass sich die Betriebe an die Kollektivverträge halten. Wer ein wenig Einblick in Unternehmen hat weiß, dass sich viele Firmen nur soweit darum scheren, wie es keine Konsequenzen für sie hat. Ein Argument für die neuen Bestimmungen, die mit 1. Mai in Kraft treten? Oder einfach nur ein Instrument, dass weiterhin sicherstellen soll, dass der Arbeitsmarkt nicht so offen ist, wie es vorgegeben wird. Ich würde eher auf letzteres tippen, denn es ist anzunehmen, dass vor allem dort kontrolliert wird, wo Menschen aus den östlichen Ländern vermutet werden (wobei angemerkt werden muss, dass ein Blick auf die Landkarte genügt, um zu erkennen, dass "östlich" eine politische Bezeichnung ist und mit Geografie - vor allem von Ostösterreich aus gesehen - nur am Rande zu tun hat).
Wesentlich beteiligt an den neuen Ausgrenzungsmechanismen, die ab 1. Mai vor allem Drittstaatsangehörige sowie die Menschen mit einen rumänischen bzw. bulgarischen Pass (für diese beiden EU-Staaten gelten die Übergangsbestimmungen noch bis Ende 2013) treffen, waren die Gewerkschaften. In ihrer Tradition als Behüter_innen der sozialen Ruhe in Österreich (Stichwort: Sozialpartner_innenschaft) setzen sie auf die rassistische Karte. In Verhandlungen mit Vertreter_innen der Wirtschaft wurde ein sogenanntes "kriteriengeleitetes" Zuwanderungsmodell installiert, in dem Menschen, die sich in Österreich niederlassen wollen, eine gewisse Punkteanzahl erreichen müssen. Für Menschen, die der Oberschicht angehören (wie Manager_innen und Spitzenverdiener_innen), bzw. für Menschen, die für Berufe angeworben werden, für die sich in Österreich nicht genügend Arbeitnehmer_innen finden und die mehr als 2100 Euro monatlich verdinen, gibt es Ausnahmeregelungen. Diese Personen werden als Hochqualifizierte bzw. Schlüsselkräfte bezeichnet.
Menschen, die in sogenannten Mangelberufen eine Arbeit finden könnten - so benannt, weil in diesen ein Mangel an Arbeitskräften besteht, weil pro offen gemeldeter Arbeitsstelle nicht mehr als 1,5 Arbeitssuchende gemeldet sind - haben noch ein Jahr Zeit, um sich auf die für sie formulierten Kriterien vorzubereiten, da mit dem Gesetz gleich die Visa für diese Gruppe bis Mai 2012 ausgesetzt werden. Es war bereits bisher üblich, dass für Menschen, die in diesen Bereichen arbeiten, Visa vergeben wurden. Festgelegt wurden die Mangelberufe (zuletzt 60 Berufe wie Schweißer_innen und andere metallbearbeitende Berufe, die meist auf einer Lehrausbildung basieren), via Verordnung. Zusätzlich gab es eine Quote, die festlegte, wie viele Visa im Jahr maximal ausgestellt werden dürfen. Die Quote wurde mit der nunmehrigen Änderung der Fremdengesetze abgeschafft und durch das kriteriengeleitetes Modell ersetzt, doch bleibt die Festlegung der Mangelberufe via Verordnung. Da die Gewerkschaften, die insbesondere rassistische Interessen vertreten, davon ausgehen, dass der "Bedarf" an Erwerbsarbeitskräften über Menschen aus jenen acht EU-Staaten, die ab 1. Mai 2011 uneingeschränkten Zugang zum Erwerbsarbeitsmarkt haben, abgedeckt werden kann, bestanden sie auf darauf, den Zuzug von Drittstaatsangehöigen massiv zu erschweren.
Angeboten hat sich das von der Wirtschaft seit langem geforderte kriteriengeleitete Zuwanderungsmodell, in dem eigentlich nur eines zählt: Die Interessen der Wirtschaft. Die Interessen und Bedürfnisse von Migrant_innen werden vollkommen ignoriert und für Menschen, die nicht in das Kosten-Nutzen-Schema der Schreibtischtäter_innen passen, wird es in Zukunft keine Möglichkeit auf legalen Zuzug nach Österreich geben.
Wenn geschrieben wird, dass sich ein Wandel in der Zuwanderungspolitik ergibt, weg von der Quote hin zu kriteriengeleiteter Zuwanderung, dann stimmt dies nur bedingt. Denn lediglich für die längerfristige Niederlassung zur Aufnahme einer Erwerbsarbeit wurden die Quoten abgeschafft. Für Saisoniers und Familienangehörige wird es weiterhin Quoten geben (auf die Details bei Saisoniers gehe ich hier nicht ein, verweise aber auf die Möglichkeit der Registrierung von "Stammsaisoniers", die von der Quote ausgenommen sind). Für den Zuzug von Familienangehörigen, der weiterhin über Quoten geregelt wird, gilt ab sofort auch die Erfüllung der Kriterien, insbesondere wird von ihnen verlangt, schon vor der Erteilung des Visa deutsch zu lernen. Ausgenommen sind Angehörige von Spitzenarbeitskräften.
Wie absurd es ist, Menschen dazu zu zwingen, die Sprache eines Landes zu lernen, noch bevor sie überhaupt dort sind, werden wohl alle wissen, die sich selbst schon mal Fremdsprachenkenntnisse angeeignet haben. Denn wirklich lernen tun die meisten Menschen eine Sprache dann, wenn sie in einem Umfeld sind, in dem diese Sprache auch gesprochen wird. Eine Sprache in einem schlechten Kurs zu lernen, für den viel zu viel Geld bezahlt werden muss, und wo es dann gilt, einen Test zur Überprüfung der Sprachkenntnisse positiv zu absolvieren - das ist einfach nicht der richtige Weg. So wurde von vielen Menschen, die in diesem Bereich tätig sind und sich auskennen, kritisiert, dass Zwang beim Erlernen einer Sprache alles andere als zielführend ist. Ich bezeichne dies als Schikane und rassistische Maßnahme der Behörden.
Die Veränderungen des Visaregimes in Österreich haben jedoch noch eine Menge Begleiterscheinungen, die in den letzten Tagen und Wochen immer wieder Anlass zu Kritik gaben. Denn die Maßnahmen zur Regulierung der Niederlassung in Österreich betreffen auch viele Menschen, die seit Jahren in Österreich leben und nicht selten hier geboren sind. Denn auch für sie gilt die Erfüllung der Kriterien - die als "integrationsfördernde" Maßnahmen bezeichnet werden. Dem Gedanken der "Nützlichkeit" folgend, wurden außerdem noch jede Menge Bestimmungen erlassen, die zum Verlust eines Aufenthaltstitels führen werden.
Dass die Einführung dieser ausgrenzenden Bestimmungen in den vergangen Wochen kritisiert wurde, ist gut. Jedoch ist zu kritisieren, dass in den meisten Stellungnahmen die grundlegende Veränderung der Fremdengesetze außen vor gelassen wurde. Es wurden wieder mal ein paar Maßnahmen, wie die Internierung von Flüchtlingen und die Verschärfung bei der Verhängung von Schubhaft heraus gepickt, in welchem Kontext diese stehen, wurde aber tunlichst vermieden zu erwähnen. Ob dies damit zusammen hängt, dass sich viele mit dem Konzept der kriteriengeleiteten Zuwanderung (Stichwort: Österreichs Wirtschaft braucht Arbeitskräfte) abfinden können, weil es weiterhin zur Aufrechterhaltung ihres Wohlstandes beiträgt, bleibt die offene Frage. Verneint kann sie auf jeden Fall nicht werden. Denn es zeigt sich immer wieder, dass viele auf eine "humanitäre" Umsetzung von Rassismus pochende Menschen der Zivilgesellschaft kein grundsätzliches Problem damit haben, wenn Menschen in Schubhaft gesteckt oder abgeschoben werden. Doch sind beides rassistische Maßnahmen, die es grundsätzlich abzulehnen gilt, wenn das Eintreten gegen Rassismus ernst genommen werden soll.
Und weil gerade die Diskussion darüber gestartet wird, die Freiheiten für alle Bürger_innen in der EU einzuschränken (Stichwort: Wiedereinführung der Grenzkontrollen zwischen den Schengenstaaten), sei noch gesagt: Wenn es legitim ist, Menschen aus rassistischen Gründen zu misshandeln, sie einzusperren und wegzuschaffen, dann ist der Schritt, dass dies mal auf alle Menschen angewendet wird, die nicht in das herrschende Schema passen, nur mehr ein sehr kleiner. Und dieser Schritt ist keineswegs einer Richtung mehr Demokratie, sondern vielmehr geht er in eine ganz andere Richtung. Es ist eine Abkehr von jenen Menschenrechten, die angeblich so wichtig sind in Europa. Und diese Abkehr von demokratischen Werten bedeutet auch noch etwas anderes: Sie ebnet den Weg hin zu einem faschistoiden Überwachungsstaat.
Artikel bearbeitet übernommen von :: at.indymedia.org, 1. Mai 2011.