Quellenangabe:
Wir kämpfen! Gegen Abschiebungen! Gegen Transphobie! (vom 14.06.2011),
URL: http://no-racism.net/article/3837/,
besucht am 24.11.2024
[14. Jun 2011]
Bei einer Demonstration für die Freilassung der transsexuellen Yasar aus der Schubhaft - gegen ihre Abschiebung beteiligten sich am 13. Juni 2011 in Wien ca. 350 Leute. Am 14. Juni erhielt sie von den Asylbehören vorläufigen Abschiebeschutz gewährt!
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Seit ihrer Verhaftung am 29. Mai sitzt Yasar im Wiener Polizeianhaltezentrum (PAZ) Hernals in Schubhaft. Sie hatte nach ihrer Flucht aus der Türkei im September 2009 in Österreich einen Asylantrag gestellt. In der Türkei wurde sie weil sie transsexuell ist mehrmals von der Polizei und von transphoben Schlägern misshandelt. Bei einem Messerattentat wurde sie durch einen Lungenstich schwer verletzt und die Polizei hat es abgelehnt, eine Anzeige auch nur entgegenzunehmen. In Folge der Misshandlungen ist sie auf einem Auge blind. Ihre Familie betrachtet Transsexualität als Blutschande und trachtet ihr nach dem Leben. Einige enge Freundinnen Yasars wurden in den letzten Jahren umgebracht.
Yasar musste untertauchen und floh nach Österreich. Sollte es zu einer Abschiebung in die Türkei kommen, droht ihr die Ermordung. Sie teilte Freund_innen bei Besuchen in Schubhaft mit, dass sie lieber sterben würde, bevor sie sich in die Türkei abschieben lässt. Sie war verzweifelt und hegte Suizidpläne. Für den Fall einer Abschiebung hatten Unterstützer_innen Leute und Gruppen in der Türkei kontaktiert, um mit Yasar in Kontakt bleiben zu können und ihr dort Unterstützung zukommen zu lassen.
Unterstützer_innen und Freund_innen schrieben: "Wir zittern und bangen. Doch wir haben auch große Hoffnung: Es muss einfach gelingen die Behörde zu überzeugen, dass Yasar nicht in den Tod geschickt werden darf!"
Yasar, die in der Türkei vollständig als Frau lebte, bekam immer wieder Sexismus und Rassismus zu spüren, selbst im Asylverfahren in Österreich. Da ihr Personenstand offiziell als männlich festgelegt ist, war sie in den Heimen immer zusammen mit Männern untergebracht. Da sie ihre Weiblichkeit nicht ganz verbergen kann, war sie dem Mobbing ihrer Mitbewohner ausgesetzt.
Im Asylverfahren wurde sie durch den Verein "Menschenrechte Österreich" vertreten. Ihr Asyl-Antrag wurde in erster Instanz abgelehnt. Die Rechtsvertretung des ministeriumnahmen und -finanzierten Vereins hat es verabsäumt, fristgerecht Berufung einzulegen und auch das Wiedereinsetzungsverfahren gründlich verpatzt.
Nachdem mehrere Versuche, ihre Freilassung und eine Aufhebung des Abschiebebescheids zu erwirken scheiterten, wurde am 10. Juni einen Folgeantrag im Asylverfahren eingebracht, in dem bisher nicht berücksichtigte Fluchgründe angeführt wurden.
Am 14. Juni entschieden die Asylbehörden, dass eine weitere Prüfung der Zulässigkeit des Folgeantrages erfolgen wird. Gleichzeitig wurde ihr Abschiebeschutz zuerkannt. Um 18.00 konnten Freund_innen Yasar vor dem PAZ Hernals in die Arme schließen. Sie wurde aus der Schubhaft entlassen, die von den Behörden ursprünglich für 15. Juni geplante Abschiebung findet nicht statt.
Weitere Informationen dazu demnächst auf :: transx.at/Yasar.htm.
Der vorläufigen Abschiebeschutz ist ein Teilerfolg, doch jetzt ist es wichtig, den Druck aufrecht zu halten, damit Yasar so schnell wie möglich Asyl zugesprochen bekommt. Denn sollte es erneut zu einer Ablehnung im Asylverfahren kommen, können die Behörden jederzeit wieder eine Verhaftung und Abschiebung veranlassen.
Nachdem bereits am 8. Juni 220 Leute vor dem Schubhäfn die Freilassung forderten, versammelten sich am 13. Juni mehr als 300 Menschen vor der Universität Wien, um für die sofortige Freilassung von Yasar zu demonstrieren. Die Beteiligten kamen aus der Transgenger- und feministischen Bewegung ebenso wie aus türkisch/kurdischen und antirassistischen Gruppen. Es gab einige Reden bei denen der Grund der Demonstration und die Route erklärt wurden. Kurz vor dem Wegziehen begann eine Sambaband und in der Folge für eine Lautstarke Untermalung im hinteren Teil der Demonstration.
Vor dem Büro des Vereins Menschenrechte in der Alserstraße 20 fand eine Zwischenkundgebung statt. Dem Verein, der Yasar betreute, wird vorgeworfen unter anderem durch verspätete Berufungen und andere Fahrlässigkeiten die Ablehnung von Yasars erstem Asylantrag verschuldet zu haben. Seit seiner Gründung wird der Verein, der für seine enge Zusammenarbeit mit den Abschiebebehörden und den Innenministerium bekannt ist, massiv kritisiert. Denn anstatt Menschen in Schubhaft rechtlich zu vertrten, erfüllt diese Organisation unter der Leitung von Günther Ecker die Behördenwünsche, bei der Betreuung in Schubhaft den Gefangenen keinerlei rechtliche Unterstützung zu gewähren. Lediglich eine "freiwillige Rückkehrberatung" wird angeboten. Es wundert also nicht, dass der Verein mit besten Beziehungen zum Innenministerium, immer wieder Ziel von Kritik wird, agiert er doch als aktiv im Geschäft mit Abschiebungen.
Aus dem Büro des Vereins fotografierte ein Mitarbeiter des Vereins die versammelten Aktivist_innen und erntete dafür Buuh-Rufe. In Redebeiträgen wurde über die Machenschaften des "Vereins gegen Menschenrechte" erzählt und zahlreiche Sprechchöre wurden gerufen. Beim Wegziehen Richtung Schubhäfn hieß es: "Ecker verpiss dich, keiner vermisst dich."
Vor dem Polizeianhaltezentrum Hernals, in dem u.a. Yasar in Schubhaft gehalten wird, gab es eine lautstarke Abschlusskundgebung. In Redebeiträgen wurde noch mal die Situation von Yasar dargelegt - und auch auf die Hintergründe, die Verfolgung von Transsexuellen in der Türkei - hingewiesen. Mehrmals wurde ausdrücklich die Unterstützung von Transgender-Personen in der Türkei betont und die Arbeit von Organisationen dort gewürdigt. Denn der Einsatz für die Rechte von LGBTIQ Personen ist nicht ungefährlich, Verfolgung und Übergriffe durch Sexist_innen und Behörden stehen auf der Tagesordnung.
Für transgender-Personen in der Türkei ist es nahezu unmöglich, einer regulären Erwerbsarbeit nachzugehen. Viele sehen keine andere Möglichkeit, als auf dem Strick Geld zum Überleben zu verdienen - verbunden mit zahlreichen Gefahren. Denn nie können sie sich bei Ausübung ihrer Arbeit sicher fühlen, ständig müssen sie von möglichen Übergriffen bis hin zur Ermordung rechnen.
Unterstütz wurde die Demonstration auch vom vor kurzem in Wien gegründeten Netzwerk zum Schutz von LGBTIQ Flüchtlingen in Österreich, das ebenfalls zur Demonstration aufgerufen hat. Mehrere Vertreter_innen von darin engagierten Gruppen hielten kurze Reden und betonten wie wichtig die Anerkennung sexueller Verfolgung als Fluchtgrund ist.
Die Stimmung war kämpferisch und zwischen den Reden wurden immer wieder lautstark versucht, die Mauern des Gefängnisses zu durchdringen, um Yasar und den anderen Gefangenen die Solidarität auszudrücken. Eine Sängerin stimmte ein Lied an, dass den Kampf thematisierte und etwas später Bella Ciao auf türkisch, bei dem sich ein Großteil der Anwesenden durch Klatschen und Mitsingen beteiligte.
Nach dem Ende der Redebeiträgen spielte die Sambagruppe noch eine Weile - und brachte zahlreiche Menschen zum Tanzen.
Nach diesem deutlichen Zeichen für die Freilassung von Yasar und gegen Transphobie und Homophobie ist zu hoffen, dass die Behörden Yasars Fluchtgründe anerkennen! Denn vorläufige Abschiebeschutz ist nur ein Teilerfolg, der wohl nicht zuletzt aufgrund der massiven Proteste und einer breiten Öffentlichkeit erreicht wurde. Wichtig ist, dass die Fluchgründe aufgrund sexueller Verfolgung anerkannt werden - und Menschen Schutz vor Verfolgung gewährt wird. Es heißt also, den Kampf gegen Schubhaft und Abschiebungen fortzusetzen - bis zum generellen Ende dieser rassistischen Praktiken.
Am 15. Juni wird zu weiteren Protestaktionen in Innsbruck aufgerufen, mehr dazu im :: Aufruf zur Solidaritätskundgebung für Yasar und gegen die rassistische Abschiebepolitik.