Quellenangabe:
FC Sans Papiers Anti-Repressions Soli-Parkfest (vom 28.06.2011),
URL: http://no-racism.net/article/3844/,
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[28. Jun 2011]
Ein Jahr nach der Abschiebe- blockade vor dem Gefängnis Hernalser Gürtel - am 29. April 2010 unternahm die Polizei eine Razzia gegen den Fußballclub FC Sans Papiers, zwei Spieler wurden verhaftet und später abgeschoben. Im Zuge der Blockade kam es zu Verhaftungen, am Samstag, 2. Juli 2011 gibts im Wiener Stadtpark ab 15 Uhr ein Solifest für die damals Betroffenen.
Die Spontandemo gegen die Abschiebung des Trainers und eines Spielers des Fußballvereins FC San Papiers am 29.04.2010 führte für einige Leute zu Verwaltungsstrafen. Dieser Vorfall ist nicht der einzige dieser Art: Immer wieder kommt es auf Demonstrationen zu Polizeigewalt, ständig werden Leute verhaftet oder aufgeschrieben. Um zu zeigen, dass diese Strategie nicht so gut funktioniert wie die Polizei das gerne hätte, feiern wir am 2. Juli im Stadtpark in Solidarität mit den Betroffenen. Gemeint sind nicht nur sie.
Am 29. April 2010 führte die Polizei eine großangelegten Razzia auf der Marswiese durch. Ziel war der seit mehreren Jahren in Wien aktive Fußballclub FC Sans Papiers.Der Verein ermöglicht auch Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus mitzuspielen und arbeitet so gegen die Ausschlusspolitik, mit der Asylwerber_innen und Sans Papiers in Österreich tagtäglich konfrontiert sind. Im Zuge der Razzia kam es zu Verhaftungen, Trainer Cletus Ugonna Boniface wurde noch am selben Tag im Polizeianhaltezentrum am Hernalser Gürtel in Schubhaft genommen. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Ereignisse kam es zu mehreren spontanen Demonstrationen deren Teilnehmende die sofortige Freilassung Cletus forderten.
Im Zuge der Proteste kam es zu einer spontanen Versammlung am Hernalser Gürtel, von wo Cletus noch am selben Abend zur weiteren Abschiebung nach Schwechat gebracht werden hätte sollen. Die schnelle und spontane Mobilisierung hunderter solidarischer Menschen vor dem Gefängnis machte es aber möglich, den Abschiebetransport zu blockieren. Mehrere Stunden steckte der Gefangenenwagen am Gürtel fest ohne sich nur einen Meter bewegen zu können, während die Zahl der Protestierenden stetig anstieg. Während dieser Zeit wurde von der Polizei in einer absurden Aktion versucht, Cletus in einen anderen Wagen zu überstellen. Eine Möglichkeit für Cletus, nochmals vor allen Anwesenden seinen Widerstand gegen die Abschiebung deutlich zu machen. Völlig überfordert von der Situation, setzte die Polizei nach einigen Stunden Ratlosigkeit auf die Gewaltkarte. Mehrere WEGA Einheiten trafen ein und machten sich umgehend daran, Personen brutal aus den Menschenketten zu reissen und festzunehmen. Dies benötigte allerdings einige Zeit, da die Zahl der Blockierenden groß war und auch die anderen Versammlungsteilnehmer_innen der Polizei die Arbeit so schwer wie möglich machten. Nachdem alle Menschen um das Auto gewaltsam entfernt worden waren, war es der Polizei möglich mit ihrer praktischen Umsetzung des rassistischen Fremdenrechts fortzufahren. Einige Zeit war durch die Aktion gewonnen worden, trotzdem war es diesmal leider zu spät. Cletus wurde kurz darauf mit einem anderen Transport nach Nigeria abgeschoben.
Immer häufiger kam es in letzter Zeit zu spontanen Aktionen zivilen Ungehorsams von Bekannten, Freund_innen und anderen solidarischen Menschen um Abschiebungen zu verhindern. Immer wieder gibt es Erfolge und die gewonnene Zeit macht es möglich, Rechtsmittel geltend zu machen oder der betroffenen Person eine Chance zu geben, selbst über ihre Zukunft hier oder anderswo zu entscheiden. Immer wieder kommt es im Zuge solcher Solidaritätsbekundungen auch zu Verhaftungen. Am Abend des 29. April wurden über 40 Menschen verhaftet. Einige Personen bekamen Verwaltungsstrafen, manche wurden sogar nach dem Strafrecht angezeigt. Im Falle einer Verwaltungsstrafe, gibt es immer die Möglichkeit beim UVS (Unabhängiger Verwaltungssenat) Berufung einzulegen. Das Kostenrisiko ist hierbei relativ gering (worst case 20% mehr Strafe durch Verwaltungskosten), während bei einem Freispruch die Anzeige getilgt werden muss. Diese Möglichkeit wurde auch von einigen der am 29. April angezeigten Personen wahrgenommen. Gemäß dem üblichen Verlauf solch eines Einspruchs, wurden die Personen nach mehreren Monaten Papierkram zu einer mündlichen Verhandlung geladen.
Der zuständige Verhandlungsleiter Leitner ließ von Anfang an keinen Zweifel aufkommen, wer hier seiner Meinung nach im Unrecht war. Selbst entlastenden Angaben von den Polizisten, die die Berichte verfasst hatten (die einzigen geladenen Zeugen), wurden vom "unabhängigen" Verhandlungsleiter ins Gegenteil verkehrt bzw. wurden dem Beamten so lang die belastenden Worte in den Mund gelegt, bis er sie auch selber aussprechen konnte. Abgesehen von dieser aktiven Einflussnahme auf die Zeugenaussage wurde massiver Druck auf die Rechtsvertretungen einiger Berufungswerbender sowie auf die Besucher_innen der Verhandlung ausgeübt. Mensch solle sich ausweisen, Begründungen für die Anwesenheit abliefern, etc. Dafür besteht keine Notwendigkeit, da einer UVS-Verhandlung als öffentliche Verhandlung immer anonym beigewohnt werden kann.
Die Entscheidung war also wenig überraschend: Die Berufung wurde abgelehnt, auch von klar mildernden Umständen wie geringes Einkommen wurde in manchen Fällen abgesehen und die volle Summe verlangt (zw.70 - 120 € p.P.). Die einzige Möglichkeit, gegen solch eine Urteil vorzugehen, ist eine Klage beim Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof. Dies ist mit einem hohen Kostenrisiko und Anwaltspflicht verbunden. Diese Kostenrisiken führen dazu, dass viele es sich nicht leisten können, gegen willkürliche Anzeigen oder geschobene UVS-Verfahren vorzugehen. Das ist die kapitalistische (und mit der aktuellen Verschärfung der Konsequenzen mancher Verwaltungsstrafen für Asylwerber_innen auch rassistische) Logik dieser Justiz.
Die hier beschriebenen Anzeigen sind bei weitem nicht die einzigen Betroffenen dieser Einschüchterungsstrategie. Ständig kommt es auf Demonstrationen zu Polizeigewalt, ständig werden Leute verhaftet oder aufgeschrieben. Um zu zeigen, dass diese Strategie nicht so gut funktioniert wie die Polizei das gerne hätte, feiern wir am 2. Juli im Stadtpark in Solidarität mit den Betroffenen. Gemeint sind nicht nur sie.
Im Stadtpark zu sein bedeutet auch an dem Ort zu sein, wo Seibane Wague 2003 im Zuge eines Polizeieinsatzes umgebracht wurde. Innerhalb der Organisationsgruppe wurde darüber diskutiert, ob mensch hier überhaupt noch feiern kann. Wir sind der Meinung, dass politische Öffentlichkeit an diesem sonst kaum dafür genutzten Ort auch dazu beitragen kann, diese Geschichte und die Gegenwart rassistischer Diskriminierung zu thematisieren.
Im Gedenken an Seibane, rassistische Staatsgewalt zerlegen!
Solidarität mit allen Betroffenen von Polizei- und Staatsgewalt!
Take it to the parks!
Soliparty im Stadtpark/Wien
Bar + Anlage + DJanes + Siebdruckworkshop
Samstag, 2. Juli 2011, ab 15Uhr