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Quellenangabe:
Sind wir euch auf den Schwanz getreten? Immer wieder gern. (vom 07.11.2011),
URL: http://no-racism.net/article/3937/, besucht am 24.11.2024

[07. Nov 2011]

Sind wir euch auf den Schwanz getreten? Immer wieder gern.

Wir dokumentieren an dieser Stelle den Folgetext zum "Anti-Man(n)ifest zur Vernichtung der Freiräume", dass Ende September auf diversen Indymedia Seiten veröffentlicht und von einigen zensuriert wurde.

Wirbelarsch, wir lieben dich, aber als Struktur bist du scheiße.

Nachdem unser Text, das "Anti-Man(n)ifest zur Vernichtung der Freiräume" und die Diskussion dazu ziemlich übermannt wurden, indem Typen die Diskussionsplattform nutzten, um ihre persönlichen Befindlichkeiten in den Vordergrund zu stellen und die vermeintlichen Positionen als arme, unverstandene, märtyrerische (Pro-)"Feministen" zu beweinen, hier nun eine Reaktion unsererseits, möglicherweise eine Kampfansage, aber mit Sicherheit keine Rechtfertigung.

Wir haben den ursprünglichen Text aus Perspektiven ausschließlich nicht-migrantisierter Frauen* geschrieben, die aus verschiedenen Zusammenhängen kommen und in unterschiedlichen Gruppen organisiert sind und/oder waren. Dass uns von Mackern unterstellt wird, wir müssten uns lediglich auf Plena einbringen, um einen antisexistischen Zustand herzustellen, empfinden wir als überheblich und am Text vorbeiargumentierend, da sich der Text auf gruppeninterne Strukturen bezogen hat, also unsere Erfahrungen damit reflektiert. Uns abzusprechen aus dem linken Spektrum zu sein, stellt auch unsere Erfahrungen in Frage und ist ein typ-ischer Versuch, Sexismus zu relativieren. Try harder.

Mit dem Text wollten wir die Arbeit, die Frauen* in linken Strukturen leisten nicht unsichtbar machen, sondern haben wir unter anderem versucht aufzuzeigen, wie diese Arbeit von patriarchalen, männerbündlerischen Burschis erschwert, verschleiert, als selbstverständlich gefordert und von eben diesen unsichtbar gemacht wird.
Dass uns gerade Typen Sexismus unterstellen, indem Geschlechterverhältnisse ausgeblendet werden und vorgegeben wird, dass die un_geschlechtliche Selbstzuschreibung mit der gesellschaftlichen Fremdzuschreibung übereinstimmen würde, beruht auf einer beinahe böswillig unzulänglichen Wahrnehmung patriarchaler Machtstrukturen. Uns zuzuschreiben, dass wir nicht queer seien, reproduziert gesellschaftliche Zuschreibungsprozesse, die uns in bipolare Geschlechtskonstruktionen zwängen und außerdem andere Identifikationsformen, sowie antisexistische Kritik auf geschlechtsalternativer Basis, verunmöglichen.

Ihr könnt nur unseren Text aus dem Zusammenhang reißen, aber nicht unser soziales Geschlecht. Eure Schwänze haben nun mal Struktur, auch wenn ihr sie nur verkürzt wahrnehmt.

Trotz all der Scheiße ist unsere Forderung, Freiräume zu vernichten, kein Plädoyer dafür, dass Frauen* ihre Zusammenhänge verlassen und sich aus politischer Arbeit zurückziehen sollten. Ganz im Gegenteil. Wir verstehen Schutzräume nicht zwangsläufig als reine Frauen*_Inter_Trans-Räume, sondern als Konzept, das Frauen* und anderen Nicht-Cismännern ermöglicht, sich innerhalb einer patriarchalen Geschlechterhierarchie den Raum zu nehmen, sich selbst zu schützen und das in jeglicher Form politischer Raumnahme etabliert gehört. Es sollte nicht nötig sein, dass Frauen* auf ein Plenum gehen, um eine antisexistische Athmosphäre herzustellen, denn diese Energie müssen wir eigentlich für andere gesellschaftliche Zusammenhänge verwenden. Echt, Jungs, jetzt reflektiert doch mal selber. Redet nicht nur von Antipatgruppen, macht sie auch! Redet nicht von Täter*arbeitsgruppen, macht sie! Redet nicht nur von den Sexismen "außenstehender" Typen, reflektiert euch selbst!

Sich selbst zu schützen kann/darf militanten Charakter haben, wobei die Umsetzung des Freiraumkonzeptes, das diese Zustände zumindest theoretisch fordert, tatsächlichen Bedarf an Raumnahme zum Eigenschutz und Akzeptanz von Selbstverteidigung verunmöglicht, Fordernde in Opferrollen drängt und infantilisiert. Zur Sichtbarmachung dieses Man(n)kos haben wir uns dazu entschlossen, den Begriff des Schutzraumes gegenüber zu stellen - Raum, der nicht lokal beschränkt ist und jegliche Form linkspolitischer Arbeit durchwirkt, sei es als manifester Ort, virtuelles Netzwerk oder Umgang in gruppeninternen Zusammenhängen, politischen Aktionen und Banden.

An uns herangetragen wurde außerdem, dass Ebenen von Diskriminierung migrantisierter Frauen* in unserem ersten Text keinen Raum gefunden haben.
Die linke Szene in Wien ist immer noch vorwiegend identitär weiß und deutschsprachig. Scheißdreck! Aufgrund unserer diesbezüglich privilegierteren Position wollen wir uns nicht anmaßen, aus der Perspektive migrantisierter Frauen* zu schreiben, die Mehrfachdiskriminierungen ausgesetzt sind, die wir ablehnen, aber niemals gänzlich nachempfinden können werden. Diese Problematik ist ein großes Feld für weitere antisexistische Arbeit. Obwohl wir hoffen, dass unser Text migrantisierte Frauen* in der Linken nicht exkludiert hat, stimmen wir zu, dass ihre Positionen zumindest durch eine Erwähnung sichtbarer gemacht werden sollten und versuchen uns weiterhin damit auseinander zu setzen und Solidarität praktischer und gemeinsamer umzusetzen.

In diesem Sinne treten wir euch weiterhin auf eure Schwänze. Immer wieder, immer öfter, immer gerne. Und fordern weiterhin die Vernichtung aller Freiräume zu Gunsten von Schutzräumen.

Wer sich betroffen fühlt, hatte ganz klar die richtige Adresse! Wir hassen euch noch immer. Alle.

Alles Liebe, eure

fluoreszierende Frequenzresonanz