Quellenangabe:
Fragen wir doch mal die Nazis, ob sie Nazis sind! (vom 08.02.2012),
URL: http://no-racism.net/article/4026/,
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[08. Feb 2012]
Eine Stellungnahme der Basisgruppe Theater-, Film- und Medienwissenschaft gegen das mediale Hofieren rechtsextremer Positionen durch österreichische Fernsehsender.
Rund um den WKR-Ball (Wiener Korporationsring-Ball) wurde einmal mehr deutlich, wie seltsam die Auffassungen von ausgewogener Berichterstattung sind.
Da wurde zum Beispiel zum Club 2 ein Professor für Zeitgeschichte eingeladen, der zufällig im Bundespräsidentschaftswahlkampf 2010 Teil des Personenkomitees der FPÖ-Kandidatin Barbara Rosenkranz war und im Verlauf dieser Unterstützung das NS-Verbotsgesetz 1947 "aus liberaler Sicht" als "ein Ärgernis" bezeichnete, da dieses aktuell vor allem "Gesinnung" bestrafe und damit "aus dämlichen Krakeelern Märtyrer der Meinungsfreiheit" mache.
Ebenfalls Gast der Sendung war der Vorsitzende des WKR-Ballkomitees, der natürlich auch rein zufällig bei der FPÖ ist und wohl genauso zufällig Mitglied der deutschnationalen Burschenschaft Albia. Darüber hinaus ist er auch Vorsitzender des Österreichischen Pennäler Rings der vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes bereits mehrfach kritisiert wurde, da einige der im Österreichischen Pennäler Ring organisierten Verbindungen zum rechtsextremen Spektrum gehören. Dazu kam ein weiterer Burschenschafter der Deutschnationalen Burschenschaft Albia (wie auch schon der Vorsitzende des WKR Balls).
Dann war da auch noch der Ex-Pressesprecher von Thomas Klestil und Autor des Buches "Die geheimen Drahtzieher" eingeladen. Ja, er ist in keiner schlagenden Burschenschaft, allerdings - oh, schon wieder ein Zufall? - in einer katholischen Verbindung. Nach diesen Einladungen ist dem ORF auch noch eingefallen, dass vielleicht nicht nur Burschenschafter und Mitglieder des nicht weniger männerbündisch organisierten Österreichischen Cartellverbandes eingeladen werden können; und wer bietet sich da noch an? Nehmen wir doch den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde und vielleicht noch einen Historiker. Bemerkenswert auch, dass es bei der kritischen Berichterstattung über Männerbünde anscheinend keiner Frau auf dem Podium bedarf, die dazu inhaltlich etwas beizutragen hätte - die anwesende Journalistin und Moderatorin begnügte sich zum großen Teil mit der Rolle der Stichwortgeberin und hatte den anwesenden Herren, von denen sich besonders die deutschnationalen Burschenschafter gerne selbst reden hörten - wenig entgegenzusetzen.
Die abgeschwächte Version der Club 2 Einladungspolitik konnte man einige Tage später bei Im Zentrum bestaunen. Statt drei wurden dieses Mal "nur" zwei Personen aus dem Dunstkreis von Burschenschaften und FPÖ eingeladen.
Aber was wäre denn ausgewogen? 2 Nazi-Burschenschafter gegen 2 linke Grüne, wie es von Puls 4 in "Pro und Contra" umgesetzt wurde?
Erst einmal ist dazu festzustellen, dass zum Beispiel in Deutschland solche Diskussionen grundsätzlich ohne Nazis oder Burschenschafter stattfinden würden. Dies wäre auch in Österreich wesentlich spannender und weiterführender gewesen. Denn zu was soll die Frage an einen Burschenschafter führen, ob er denn nun ein Nazi oder antisemitisch sei. Die "Titanic" titelte dazu "Schrecklicher Verdacht: War Hitler Antisemit?". Dieses Titelblatt drückt die ganze Schizophrenie und Unmöglichkeit aus, die eine Diskussion mit Rechtsradikalen mit sich bringt.
Dadurch, dass den Rechten - seien es sogenannte "Freiheitliche" oder seien es schlagende, deutschnationale Burschenschafter (die ja nicht selten in Personalunion auftreten) - fortwährend eine mediale - und in und um die Hofburg herum auch immer wieder reale - Bühne geboten wird, wird auch deren rechtsnationalistisches Gedankengut immer mehr in der österreichischen Gesellschaft verankert und enttabuisiert. Dagegen wird linken und liberaleren Bürger_innen zu solchen Anlässen mediale Aufmerksamkeit geradezu vorenthalten, so dass Herr Muzicant und Herr Bolz - nicht gerade Vorreiter der links-progressiven Szene - in die Rolle gedrängt werden als einsame Kämpfer auf Basis-Niveau gegen die anderen Gäste zu argumentieren, ohne dass es die Diskussion um einen Deut weiterbringen würde.
Wäre es nicht zum Beispiel spannend gewesen, eine Person der Betreibergesellschaft des Ballsaales, den Verteidigungsminister der gerade ein Uniformverbot diskutiert, die Innenministerin, eine Person vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW), eine Person aus dem Kollektiv der ÖH Uni Wien, die die Broschüre zu Burschenschaften herausgebracht haben oder die verschiedenen Veranstalter_innen der Gedenk- und Gegenveranstaltungen einzuladen. Dies wären nur einige Vorschläge, die eine wesentlich spannendere Diskussion erwarten lassen würden.
Die Frage, ob die Burschenschaften des WKR am rechten Rand angesiedelt sind und deswegen deren Ball eine fragwürdige Veranstaltung ist - noch dazu am internationalen Holocaust-Gedenktag -, ist sowohl unnötig als auch eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks unwürdig, da damit nur den weitaus dringenderen Fragen aus dem Weg gegangen wird.
Fragen, die eher zu diskutieren wären, sind doch vielmehr diese: Wieso haben die Burschenschaften immer noch Zulauf? Warum dürfen sie an solch geschichts- und erinnerungsträchtigen Orten des Staates Österreich präsent sein? Wie gelingt es Parteien wie der FPÖ oder dem BZÖ zusammen genommen mehr Wähler_innen denn je für sich zu gewinnen? Und das in einem Land, das vor nur wenigen Jahrzehnten mit der Begründung ähnlicher Ideologien, wie diese Gruppierungen sie vertreten, immenses Leid erlitten, aber vor allem verübt hat?
Indem diese Fragen - auch mit der Begründung, das Publikum sei noch nicht so weit sie zu diskutieren - vermieden werden, werden alternative Diskurse in Misskredit gebracht und die Kluft zwischen den politischen Lagern zementiert, ohne eine sachliche Diskussion zu fördern. Letztlich stellt sich die Frage, inwiefern auf rechtes Wähler_innenklientel als Quotenpublikum spekuliert wird - eine infame Spekulation des staatlichen Fernsehens und anderer Sendeanstalten im TäterInnenland Österreich.
Dieser Text wurde ursprünglich auf der Homepage der :: Basisgruppe Theater-, Film- und Medienwissenschaft veröffentlicht.